Business Software im Jahr 2020 und darüber hinaus
Software gehört zu jedem Unternehmen, das in seinem Markt erfolgreich sein will. Das war schon vor 20 Jahren so. Und doch hat sich einiges geändert, wie eine Umfrage unter Anbietern von Business-Software zeigt.
Als die Netzwoche im Jahr 2000 zum ersten Mal erschienen ist, sahen die IT-Abteilungen der Schweizer Unternehmen noch ganz anders aus. Software gab es noch kaum as-a-Service, neue Versionen wurden nicht automatisch aus dem Netz nachgeladen und Cloud-Dienste steckten noch in den Kinderschuhen. 20 Jahre später sieht die Anwendungslandschaft völlig anders aus. Wie genau, erklären Anbieter, die das Geschäft mit Unternehmenssoftware kennen. Sie decken die ganze Palette der Business-Software ab: vom Enterprise Resource Planning über Business Intelligence und Customer Relationship Management bis hin zum Enterprise Content Management. Sechs davon haben ihren Firmensitz in der Schweiz, drei sind in Deutschland oder den USA zuhause.
Es wandeln sich Rollen, Produkte und Kunden
Wie hat sich das Angebot der Hersteller in den vergangenen Jahren entwickelt? Welche Trends haben Ihr Geschäft besonders geprägt? Die Antworten der befragten Unternehmen lassen sich grob in drei Kategorien einteilen. Die einen legen den Schwerpunkt darauf, dass sich ihre Rolle als Unternehmen gewandelt hat. "Vor 20 Jahren war es in der Regel so, dass die Kunden uns genau gesagt haben, was sie brauchen. Und unsere Aufgabe war die Umsetzung der durch die Kunden formulierten Anforderungen", sagt etwa Beat Bussmann, CEO von Opacc. Heute sei die Firma stärker auch als Berater in Digitalisierungsfragen aktiv. Wichtig ist bei diesem Rollenwandel das anorganische Wachstum. Mehrere Firmen gaben an, ihr Angebot in den vergangenen Jahren durch strategische Übernahmen erweitert zu haben.
Andere stellen vor allem einen Wandel ihres Produkts fest. Dies umfasst Features und Gestaltung, aber auch Plattformen, Schnittstellen, Speziallösungen und den Aufbau. "Unsere ERP-Software ist nicht wiederzuerkennen", fasst Martin Riedener, Partner und Mitglied der Geschäftsleitung bei Abacus, zusammen. Abraxas-CTO Manfred Mayr beschreibt die Entwicklung so: "Anfangs waren es einfache 3270-Terminals, dann kamen Desktop- und nun vermehrt Webanwendungen und native Apps als Benutzeroberfläche für Kunden zum Einsatz." Damit einher ging ein Wechsel der Betriebsplattformen von On-Premise-Hostapplikationen zu containerisierten und cloudfähigen Applikationen. Den Wandel vom reinen Box-Produkt zu einem cloudbasierten Service betonen auch Angelo Buscemi, Country Manager Switzerland vom Abo-Vorreiter Adobe, Marc Tesch, CEO von LeanBI, und Michael Locher-Tjoa, Managing Director von SAP Schweiz. Zeno Hug, CRM Community Manager von BSI, weist ausserdem darauf hin, dass die Produkte am Markt immer standardisierter wurden.
Der dritte Bereich, in dem Veränderungen stattfand, ist der Kunde selbst – wie er das Angebot bezieht, integriert und einsetzt. So achte der Kunde heute deutlich stärker auf das User Interface und erwarte einen App-Charakter, sagt Kendox-CEO Manfred Terzer. Auch die Beschaffung habe sich gewandelt. Der Direktvertrieb sei zwar nach wie vor relevant, es werde im Vergleich zu früher aber viel stärker über Onlinekanäle vermarktet.
Vom Produkt zur Lösung
Die Veränderungen am Angebot spiegeln sich in den Anforderungen der Kunden wider. Fast alle befragten Anbieter sind sich einig, dass ihre Kunden heute anspruchsvoller sind als in der Vergangenheit. Zum einen erwarten sie ganz konkrete Verbesserungen und neue Funktionen, etwa:
Unterstützung mobiler Geräte
Durchgängigkeit von Daten, Systemen und Prozessen
Hochverfügbarkeit
Skalierbarkeit
Selfservice-Funktionen
Intuitive Bedienung trotz Komplexität
Automatisierung und intelligente Werkzeuge
Schnellere Time-to-Market
Remote-Zugriff auf Firmendaten
Funktionen zur Datenanalyse
Collaboration-Features
Offenheit für andere Lösungen und Anbieter
Zum anderen stellen die Hersteller von Business-Software aber auch fest, dass es heute um mehr geht, als nur ein gutes Produkt abzuliefern. Oracle müsse beispielsweise heute nicht nur auf die Technologie fokussieren, sondern auch in der Lage sein, Bedürfnisse seiner Kunden zu erkennen und ihnen bei der digitalen Transformation zu helfen, schreibt das US-Unternehmen. Diesen Trend spüren auch Schweizer Anbieter. Der Kunde erwarte Fachkompetenz, Nähe und massgeschneiderte Lösungen, sagt Zeno Hug. Eine "Hyper-Inflation der Anforderungen" nimmt Bussmann wahr. Die Kundenwünsche umfassten heute nicht mehr nur "Functions and Features", sondern das Zukunftspotenzial der eingesetzten Plattform als Ganzes.
Alte Sorgen und neue Aufgaben
Die Komplexität der Anwendungen steigt, gleichzeitig wollen Kunden einfachere Lösungen aus einem Guss. Wie lässt sich dieser Spagat meistern? Welche Herausforderungen kommen auf die Branche zu? Die Antworten auf diese Fragen hängen stark mit dem Produkt zusammen. Einen gemeinsamen Nenner gibt es allerdings. Unternehmen verfügen heute dank der Digitalisierung über wachsende Datenberge – etwa über Kunden, die Produktion oder ihre Mitarbeitenden. Diese Daten lassen sich in der Theorie nutzen, doch restriktive Datenschutzbestimmungen und Sicherheitsrisiken stellen hier oftmals ein Problem dar, wie Oracle, Abraxas und BSI schreiben.
SAP sieht die Gefahr, dass Europa im Wettbewerb um künstliche Intelligenz abgehängt wird. Für LeanBI besteht die Herausforderung darin, flexibel und innovativ zu bleiben. Opacc ortet Probleme auch bei den Kunden. Diese setzten oftmals gewachsene Systeme aus unterschiedlichen Anwendungen ein, die über Schnittstellen miteinander kommunizierten. Diese Systemlandschaften zusammen- und aktuell zu halten werde immer aufwändiger. Laut Kendox stehen Softwareanbieter heute vor der Aufgabe, ihre Produkte cloud-fit zu machen, an die Ökosysteme grosser Hersteller anzudocken und den As-a-Service-Vertrieb in ihre Geschäftsmodelle zu integrieren.
Wegbereiter der Transformation
Über dem ganzen Thema Business-Software – das macht die Umfrage deutlich – schwebt im Jahr 2020 und wohl auch darüber hinaus das Thema digitale Transformation. Sie kommt bei den Produkten selbst ins Spiel, die neue, digitale Geschäftsmodelle ermöglichen und möglichst viele Prozesse, Partner und Daten integrieren sollen. Aber auch die Anbieter sind gefragt, Wege zur digitalen Transformation aufzuzeigen. "Heute erwarten die Kunden mehr", schreibt Opacc-CEO Bussmann. "Sie möchten neue Ansätze kennenlernen und sind immer mehr auch daran interessiert, an anderer Stelle erfundene Lösungen zu übernehmen." Sei das im E-Business, im digitalen Marketing, bei der Internationalisierung oder bei der Verschmelzung von Prozessen und Daten über die Unternehmensgrenzen hinweg.
Auch Abacus hat auf die Frage, was Business-Software heute leisten muss, eine klare Antwort. "Sie muss die vollständige Digitalisierung sämtlicher Unternehmensprozesse sowohl inhouse wie auch firmenübergreifend ermöglichen", schreibt Riedener. Während die Software selbst also immer häufiger beim Hersteller läuft, lösen sich die Grenzen zwischen ERP, CRM & Co. allmählich auf. Einzelne Produkte treten gegenüber Plattformen und Gesamtlösungen in den Hintergrund. Die grossen Anbieter mit ihren Cloud-Services und die technologische Entwicklung geben hier den Takt vor. Kunden und kleinere Softwarefirmen werden quasi mitgezogen – ob sie es wollen oder nicht.