Interpellation in Bern

Accessibility: Anmeldung zur Covid-19-Impfung mit Hürden

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von René Jaun und lha

Nicht nur private Unternehmen schneiden hinsichtlich digitaler Barrierefreiheit in der Schweiz schlecht ab. Dass auch bei der öffentlichen Verwaltung Handlungsbedarf besteht, zeigt die Anmeldeplattform für die Covid-19-Impfung des Kantons Zürich. Nun soll sich die Politik mit Accessibility befassen.

(Source: Interactive Sports / Unsplash)
(Source: Interactive Sports / Unsplash)

Wer sich im Kanton Zürich für eine Covid-19-Impfung anmelden will, kann dies seit wenigen Tagen über eine neue Onlineplattform tun. Dort registriert sich der Nutzer oder die Nutzerin in einem ersten Schritt mit den persönlichen Daten und kann dann, sobald die entsprechende Personengruppe für die Impfung zugelassen wird, auch einen Termin buchen, schreibt der Kanton in einer Mitteilung.

Doch Menschen mit Behinderungen werden unter Umständen das Portal zh.vacme.ch nicht nutzen können, denn es wurde nicht barrierefrei umgesetzt. Dies bemängelt der blinde Web Accessibility Consultant Daniele Corciulo auf Twitter.

Knackpunkt: PDF

Auf Nachfrage räumt Corciulo ein, ihm sei es zwar nach längerem Probieren gelungen, sich für eine Impfung anzumelden, aber: "Es ist offensichtlich, dass die Barrierefreiheit bei dieser Website nicht durchgehend berücksichtigt wurde." So könne ein blinder Seitenbesucher zwar das Formular ausfüllen. Eventuelle Eingabefehler werden jedoch unter Umständen nicht angezeigt, da diese nicht mit den nötigen semantischen Informationen versehen seien.

Das gravierendste Problem ortet der Accessibility Consultant jedoch schon im ersten Schritt der Registrierung: Dort wird der Benutzer oder die Benutzerin aufgefordert, eine Selbsteinschätzung vorzunehmen. Die dafür nötigen Anhaltspunkte sind aktuell in einem nicht barrierefreien PDF-Dokument hinterlegt. Ein blinder Nutzer könne so die Selbstevaluation nicht durchführen, erklärt Corciulo.

In ihrer Mitteilung verweist die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich darauf, dass man sich auch telefonisch für die Covid-19-Impfung anmelden könne. Auf die von Daniele Corciulo dokumentierten Accessibility-Mängel angesprochen, schreibt die Behörde: "In der kurzen Entwicklungszeit, in der die Anmeldeplattform programmiert wurde, wurde die Barrierefreiheit bestmöglich berücksichtigt. Dies bestätigt auch ein externer Audit. Die Software sollte auch mit Vergrösserungsprogrammen und Screenreadern nutzbar sein. Die Anmeldeplattform passt sich laufend auf die Anforderungen und weiteren Entwicklung im Impfprojekt an, weshalb die Barrierefreiheit nicht durchgängig gewährleistet werden kann."

Man tausche sich mit dem Schweizerischen Blindenbund sowie der Stiftung Sichtbar Gehörlose Zürich aus, schreibt die Gesundheitsdirektion weiter und ergänzt: "Wir stellen den Organisationen die gewünschten Informationen zur Verfügung und organisieren für die Stiftung Sichtbar Gehörlose spezifische Impftermine."

Wie das PDF für eine sehende Person daherkommt. (Source: Kanton Zürich)

Wie eine blinde Person die Selbsteinschätzung liest. (Source: Netzmedien)

Politiker will handeln

Die Schweiz ist in puncto Accessibility im Hintertreffen. Erst im vergangenen November zeigte eine Studie der Stiftung "Zugang für alle" auf, dass nur ein Viertel der hiesigen Onlineshops barrierefrei ist.

"Alleine dieser Befund ist Grund genug, das Thema der E-Barrierefreiheit wieder auf die politische Agenda zu bringen", schreibt Gerhard Andrey, Nationalrat für die Grünen und Co-Gründer der Web-Agentur Liip, auf Anfrage. Und auf die Mängel im Impf-Anmeldeportal angesprochen, kommentiert er, dass solche Beispiele leider immer noch eher die Regel als die Ausnahme seien - "Und deshalb ist jetzt mehr Verbindlichkeit angesagt."

In einer Interpellation fordert Andrey nun Antworten vom Bundesrat. Konkret fragt er, ob die Exekutive bereit sei, "in Form eines Berichts eine Bestandsaufnahme der Barrierefreiheit der Websites und Apps der öffentlichen Hand sowie privater Unternehmen und Organisationen zu erarbeiten". Weiter fragt er nach den Massnahmen, mit denen die digitale Umsetzung behördlicher Formate gefördert werden sollen. Schliesslich erkundigt er sich nach den Massnahmen des Bundesrates, private Anbieter in die Pflicht zu nehmen.

"Dass Handlungsbedarf besteht, ist für mich offensichtlich. E-Barrierefreiheit muss zu einer Selbstverständlichkeit werden, daran arbeite ich", schreibt Andrey auf Anfrage. Seine Interpellation soll denn auch nur ein erster Schritt sein: "Um tragfähige Aufträge an den Bundesrat erarbeiten zu können, lohnt es sich, die offizielle Position der Verwaltung zu kennen. Und dafür sind sogenannte Interpellationen - also Fragen an den Bundesrat - sehr hilfreich." Mit einer Antwort des Bundesrates rechnet Andrey gegen Ende Mai.

Wie es danach weitergeht, hänge von der konkreten Antwort ab. Ein mögliches Vorgehen hatte Andrey anlässlich der Tagung E-Accessibility 2020 skizziert: "Wir sollten die Schraube etwas anziehen", beispielsweise im Beschaffungswesen: "Man könnte mit Anreizen beginnen, indem etwa Firmen, die einen Leistungsausweis in Accessibility vorlegen, in den Zuschlagskriterien besser bewertet werden", sagte er damals.

Auf welche Barrieren ein blinder Internetnutzer oder eine blinde Internetnutzerin sonst noch stösst, erfahren Sie im Portrait von Daniele Corciulo.

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