Focus: Payment Solutions

Wie wir künftig zahlen werden

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von Marc Schluep, Managing Director Worldline Schweiz

Der globale Zahlungsverkehr wandelt sich rasant. Verbraucher und Händler erwarten heute, Sofortüberweisungen tätigen zu können. Für Unternehmen bedeutet das ein geringeres Ausfallrisiko sowie unmittelbar verfügbare Liquidität. Gefragt sind mobile, flexible Modelle, die sicher und einfach handhabbar sind.

Marc Schluep, Managing Director Worldline Schweiz. (Source: zVg)
Marc Schluep, Managing Director Worldline Schweiz. (Source: zVg)

Die weltweite Zahlungsbranche weist robuste Wachstumsraten auf und ist gleichzeitig einem rasanten Wandel unterzogen. Die allgemeine Abkehr vom Bargeld zugunsten kartenbasierter, kontaktloser und mobiler Bezahlformen sowie die Verlagerung von Kauf- und damit Zahlungsvorgängen ins Internet beschert der Branche auch künftig gute Wachstumsperspektiven. Parallel dazu sorgen die fortschreitende Digitalisierung, die immer stärkere globale Vernetzung und regulatorische Änderungen aber auch für strukturelle Anpassungen. In Europa hat vor allem die zweite Auflage der Payment Services Directive (PSD2), die unter anderem die Sicherheit des Online-Handels im Fokus hat und neuen Zahlungsdienstleistern den Zugang zum Bankkonto des Kunden erlaubt, diese Entwicklung in den letzten Jahren beschleunigt.

Neben den klassischen kartenbasierten Zahlungsmethoden, allen voran VISA und Mastercard, haben sich denn auch verschiedene innovative Konkurrenten etabliert. Pionier in dieser Hinsicht ist das Unternehmen PayPal, welches nicht nur als erstes die grossen Kartenorganisationen herausgefordert, sondern sich auch sehr erfolgreich direkt an der Kundenschnittstelle positioniert hat. Weltweit zählt PayPal heute 361 Millionen aktive Kunden.

Mittlerweile haben auch internationale Technologiefirmen wie wie Apple, Google oder Samsung den Zahlungsmarkt für sich entdeckt. Dank gigantischen Nutzerzahlen und einer starken Marktposition haben sie sich relativ schnell als ernstzunehmende Konkurrenten etabliert. Ferner haben sich in den letzten Jahren auch grosse sogenannte Plattformanbieter im Markt etabliert. Zum einen sind dies Marktplätze wie bspw. Amazon (Amazon Pay) oder Alibaba (Alipay), welche die Zahlungsabwicklung für ihre Händler übernehmen, und auf der anderen Seite bündeln grosse Software-Anbieter das Zahlungsvolumen von Händlern, denen sie Komplettlösungen für eigene Online-Shops zur Verfügung stellen. Marktplätze und die sogenannten Shopping Carts wie bspw. Shopify, GoDaday und Mindbody bedienen hunderttausende Händler und Millionen von Konsumenten. Indem sie sich selber zwischen den Händlern und den klassischen Zahlungsdienstleistern positionieren, besetzen sie ein wichtiges Stück der Wertschöpfungskette und drängen klassische Anbieter zunehmend in den Hintergrund. Es darf erwartet werden, dass sich neben prominenten Beispielen wie PayPal, Apple Pay, Alipay und WeChat weitere Zahlungsmethoden verschiedener grosser Player längerfristig behaupten werden.

Online und Mobile Payment

Gemäss einer Studie der School of Management and Law der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) konnte der Schweizer Online-Handel 2020 ein Wachstum von über 20 Prozent verzeichnen. 82 Prozent der Händler glauben langfristig an ein nachhaltiges Wachstum dieses Vertriebskanals. Nicht zuletzt durch die COVID-19-Pandemie ist parallel zum Online-Geschäft im stationären Handel auch die Nutzung von Debit- und Kreditkarten sowie insbesondere von mobilen, kontaktlosen Zahlungsmöglichkeiten regelrecht explodiert. Laut Mastercard erhöhte sich 2020 die Anzahl kontaktloser Zahlungen um 40 Prozent. Gesamthaft haben digitale Zahlungen in Europa letztes Jahr einen Wert von rund 739 Milliarden Franken erreicht.

Das Bezahlen geht mobil immer schneller. (Source: Alex Ruhl / shutterstock.com)

Laut Statistikanbieter Statista werden 2023 fast 705 Millionen Europäer digitale Zahlungsmöglichkeiten nutzen. In der Schweiz sind die beliebtesten oder am häufigsten genutzten Bezahlmethoden derzeit Kreditkarte, PostFinance Debitkarte und PayPal, gefolgt von den mobilen Lösungen Twint, Apple Pay, Google Pay und Samsung Pay. Erste Konsumenten bezahlen heute schon mit Kryptowährung. Dennoch macht der Kauf auf Rechnung bei 49 Prozent der Schweizer Onlineshops nach wie vor den grössten Anteil aller Transaktionen aus.

Trotzdem steht fest: Mobiles Zahlen mittels Smartphone ist in der Schweiz in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Laut der aktuellen Mobile-Payment-Studie Schweiz 2020 der Hochschule Luzern wies allein die Bezahl-App Twint im September 2020 über zehn Millionen Transaktionen aus – im Vergleich zur Vorjahresperiode eine Verdreifachung der Transaktionen.

Die Studienautoren gehen davon aus, dass in der Schweiz bis September 2022 monatlich rund 30 Millionen Transaktionen via Mobile Payment getätigt werden. Das ergäbe für das Jahr 2021 insgesamt rund 240 Millionen und im Jahr 2022 etwa 390 Millionen Transaktionen, was etwa 9 Prozent aller Transaktionen entspricht.

Echtzeit-Zahlungen

Neben Kartenzahlungen erwarten Verbraucher und Händler vermehrt, Sofortüberweisungen für die Bezahlungen von Waren und Dienstleistungen tätigen zu können. Für Unternehmen bedeutet der sofortige Zahlungseingang natürlich ein geringeres Ausfallrisiko sowie unmittelbar verfügbare Liquidität. Im Euroraum wurde mit der eingangs erwähnten PSD2 die regulatorische Basis für schnelle, einfache Bezahlformen abseits der klassischen Kartenorganisationen geschaffen. Auf dieser regulatorischen Grundlage entstehen derzeit verschiedenste innovative Dienstleistungen sogenannter Third Party Payment Service Providers (TPPs), und es darf davon ausgegangen werden, dass sich Echtzeitzahlungen neben den bereits verbreiteten Methoden etablieren werden.

Während hierzulande das Swiss Interbank Clearing System (SIC) Zahlungen schon heute in Echtzeit zwischen Banken abwickeln kann, arbeitet der Finanzinfrastrukturanbieter SIX an einem Instant Payments Processing Hub, der die Zahlung vom Konto des Bankkunden bis zum Konto des Händlers schlussendlich in Echtzeit sicherstellen wird.

Vielfältige Aspekte der neuen Dynamik

Mit der Pandemie traten auch Schwachstellen zutage, etwa im traditionellen B2B-Zahlungsverkehr in Form von Liquiditätsengpässen und Schwierigkeiten beim Cash Management. Zudem steigt mit dem Wachstum digitaler Zahlungen auch die Wahrscheinlichkeit von Betrug und Geldwäsche. Ein gestiegenes Bewusstsein für Transaktions- und Benutzerrisiken hat regulatorische Vorschriften zur Nutzung und Bereitstellung digitaler Dienste weiter in den Fokus gerückt, und gleichzeitig werden neue Technologien im Bereich Predictive Data Analytics und Artificial Intelligence genutzt für die Risikoprofilierung und -kalkulation – ebenfalls in Echtzeit.

FinTechs, Neobanken und Zahlungsverkehrsdienstleister haben in den vergangenen Jahren aufgezeigt, dass sie dank einer grösseren Agilität und fehlenden Altlasten besser in der Lage sind, Innovationen in kurzer Zeit umzusetzen als traditionelle Banken. Für viele etablierte Player war die Pandemie ein Weckruf, ihre Prozesse und Geschäftsmodelle zu überdenken und die technologische Basis zu schaffen, um integrierte und nutzerfreundliche Finanzdienstleistungen in Echtzeit anzubieten. Traditionelle Banken ebenso wie Händler können durch Partnerschaften mit führenden Technologieunternehmen und ausgewählten FinTechs ihr Dienstleistungsangebot erweitern und besser an die Kundenbedürfnisse ausrichten.

Ausblick

Der Zahlungsverkehr wird sich künftig noch nahtloser in die Customer Journey integrieren. Für den Kunden wird der Bezahlprozess weiter vereinfacht, und im Idealfall findet er im Hintergrund statt, wie das bspw. bei einer Uber-Taxifahrt heute schon der Fall ist. Für Zahlungsdienstleister werden die Schwerpunkte auf kontaktlosen, digitalen Bezahlverfahren, flexibleren "pay-as-you-go"-Preismodellen, künstlicher Intelligenz, Machine Learning sowie Cloud-basierten Dienstleistungen liegen. Die Cloud ermöglicht die einfachere geografische Skalierung sowie die flexiblere Integration von Dienstleistungen von Partnern. Sie bietet ferner das Potenzial für schnellere Innovation, höhere Ausfallsicherheit und Skalierbarkeit und verbesserte Sicherheit sowie die Möglichkeit, nahtlos, schnell und kontinuierlich Daten und Informationen bereitzustellen.

Innovationen wie Mobile Wallets, Person-zu-Person- und Echtzeitzahlungen, die biometrische Authentifizierung, die mit dem Internet der Dinge zunehmende Bedeutung automatisch ausgelöster Zahlungen, das Bezahlen mit Kryptowährungen, Stablecoins oder digitalen Zentralbankwährungen (CBDCs) werden die Entwicklungen im Zahlungsverkehr weiter vorantreiben.

Und dennoch können wir uns auf Jahrzehnte hinaus auf eine Koexistenz der verschiedenen Zahlungsformen einstellen. Auch wenn in China bereits 2018 über 83 Prozent aller Zahlungen digital abgewickelt wurden und man ohne Karte in den nordischen Ländern selbst beim Brötchenkauf schief angesehen wird: es gibt es noch genügend Nationen, die nach dem Motto "nur Bares ist Wahres" nach wie vor auf Bargeld schwören: In Italien oder Spanien beispielsweise wurden im selben Jahr von Privatkunden noch über 71 Prozent der Zahlungen bar getätigt.

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