Deshalb sollte uns die User Experience interessieren
In der digitalen Welt treffen die Bedürfnisse der User und die entwickelte Lösung auf einem relativ kleinen Bildschirm zusammen. Die detaillierte Gestaltung der User Experience an diesem Kontaktpunkt ist nicht einfach. Wir möchten hier einen schlanken, benutzerzentrierten Ansatz für Lösungsanbieter vorstellen, der die Wahrscheinlichkeit eines positiven Nutzererlebnisses erhöht.
Die User Experience (UX) gibt an, wie intuitiv wir zurechtkommen und wie gut wir bei der Erledigung unserer Aufgaben unterstützt werden; sie bestimmt den Erfolg digitaler Lösungen. Je nach Mitwirkung der User an einem Service oder Produkt ist dieser Einfluss auf den Erfolg mehr oder minder weitreichend.
Es gibt gute Gründe, auf die UX zu achten: Neobanken und neue Fintechs setzen auf häufige Banking-Use-Cases mit kompetitiven Mehrwerten und überraschen darüber hinaus mit einfacher, benutzerfreundlicher UX. Bankkundinnen und -kunden in der Schweiz sind ihrerseits offen dafür, neue Banking-Lösungen auszuprobieren. Wenn sich eine neue Banking-Lösung in der täglichen Praxis bewährt, vollzieht sich langsam ein Wandel. Bereits jetzt zeichnet sich ein "Best Personal Fit"-Ansatz ab. Dabei werden verschiedene Banking-Lösungen nach individuellen Präferenzen kombiniert.
Wichtig ist daher, den Nutzungskontext insgesamt zu betrachten und eine enge Beziehung zu den Usern aufzubauen. Dies mit dem Ziel, ihnen geeignete Lösungen anzubieten, die zudem einfach anzuwenden sein sollten.
Wie können wir selbst das Denken übernehmen, anstatt es dem User zu überlassen?
UX als Disziplin bedeutet nicht nur, auf die Erfahrungen der Anwender beim Umgang mit den Lösungen zu fokussieren, sondern auch im Unternehmen die entsprechende Denkweise und den Rahmen dafür zu schaffen. Dies gelingt durch den Aufbau der notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse unter Nutzung geeigneter Methoden und deren Einbindung in den Entwicklungsprozess.
Es geht also darum, einen bewussten und strukturierten UX-Prozess zu etablieren, bei dem das "U" – der User – in den Mittelpunkt der UX gestellt wird. Wir müssen herausfinden, was die User brauchen, oder – was weit schwieriger ist – was ihnen noch gar nicht bewusst ist, dass sie es brauchen. Wir selbst sollten vorausdenken und dies nicht den Anwendern beim Einsatz unserer Lösungen überlassen.
Dies lässt sich am besten erreichen, indem die User kontinuierlich in die Entwicklungsprozesse eingebunden werden. Wenn wir dies nicht als lästige Pflicht betrachten, sondern als Chance, unsere User kennenzulernen, sind wir auf bestem Weg zu einer grossartigen UX, dank der unsere User unsere Lösungen gerne nutzen.
Was können wir tun, um den User in den Mittelpunkt der UX zu stellen?
Bei Finnova als Lösungsanbieterin für den Finanzsektor spielen die Mitarbeitenden eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung neuer, schlanker und benutzerzentrierter Ansätze. Mit schlank meinen wir nicht den Verzicht auf tiefergehende Forschung oder wissenschaftliche Verfahren, sondern vielmehr einen unmittelbaren Startimpuls. Wir haben uns zu folgenden einfachen Grundsätzen verpflichtet:
Kleine Schritte: Praktisch handeln anstatt zuerst ein Theorierahmenwerk aufzustellen
Nachhaltiges Wissen: Wissenstransfer und praktische Erfahrung innerhalb des Unternehmens fördern
Alltagssprache: UX-Schlagwörter bei der Einführung von nutzerzentrierten Denkweisen und Methoden vermeiden
Auf der Basis dieser Prinzipien entwickelten wir Massnahmen, die unsere Mitarbeitenden und Teams dabei unterstützen, von der Inside-Out-Perspektive zu einer nutzerzentrierten Perspektive zu wechseln und ihr Bewusstsein für echte User-Inputs zu schärfen.
1. Massnahmen für die individuelle Entwicklung
Product Owner und Requirements Engineers sollten die Anwendung von benutzerzentrierten Methoden ebenfalls kennen. Wir streben nach gemeinsamer Verantwortung und nicht nach der Bündelung von Kompetenzen in einzelnen UX-Rollen. Dazu nutzen wir:
Individuelle UX-Lernwege mit rollenspezifischem Fokus, etwa Workshops zu Value Proposition für Product Owner beziehungsweise UX-Forschungsmethoden, Prototyping, Usability-Tests für Requirements Engineers
Verschiedene Quellen, die mittels Forschung aus erster Hand Einsichten zu den Nutzern bringen (Interviews, Umfragen, Feedback-Tools), UX Best Practices und Benchmarking-Datenbanken oder sogar ganzheitliche Profiling- und Verhaltensanalysedaten, um die Kunden vollständig zu verstehen
Förderung der Teilnahme von Mitarbeitenden an praktischen UX-Prozessen in Form von Usability-Tests, Design-Sprints, UX-Hackathons etc.
Fokus auf UX-Denkweise und -Know-how bei der Rekrutierung neuer Mitarbeitender
2. Massnahmen für Teamarbeit und Zusammenarbeit
Unser übergeordnetes Ziel ist es, dass jedes Team über UX-Know-how und -Kompetenzen verfügt. So wollen wir Teamarbeit und Kollaboration fördern:
Klare Definition von UX-Aufgaben und -Lieferobjekten über den ganzen Entwicklungsprozess
Ernennen von "UX-Champions", ehemaligen Teammitgliedern, die sich auf einen bestimmten UX-Bereich spezialisiert haben und ihr Team unterstützen können
Aufsetzen von Communities of Practice zum Erfahrungsaustausch zwischen den Teams und dem Aufbau von UX-Know-how zu spezifischen Themen (Forschung, Requirements Engineering, Prototyping, Frontend-Entwicklung etc.)
3. Schlüsselrollen mit einbeziehen
In unserem Fall war ein klares Bekenntnis des Managements zur Investition in benutzerzentrierte Aktivitäten entscheidend, und zwar konkret durch die Bereitstellung eines dedizierten UX-Budgets sowie von zusätzlichem Personal für diesen Bereich.
Mit dem neuen, benutzerzentrierten Ansatz möchten wir ein Bewusstsein für die Bedürfnisse unserer Kunden- und Partner-Community schaffen. Dies ist einer der schwierigsten Aufgaben, da jeder Kunde oder Partner in Bezug auf die Einbindung der User seine eigenen Ansätze hat. Hier versuchen wir, Synergien zu nutzen und Wissen auszutauschen. Gleichzeitig wollen wir unsere Mitarbeitenden dazu anregen, sich an Nutzerforschung oder Co-Creation-Workshops mit ihren Usern zu beteiligen.
Die User müssen im Entwicklungsprozess mitreden dürfen. Die ehemals passive Rolle der User hat sich hin zu einer aktiven gewandelt: Rückmeldungen in Echtzeit, Vergleich mit anderen Lösungen und Wünsche nach neuen Funktionalitäten sind nur einige Aspekte davon. Wir wollen dies als Chance zur Zusammenarbeit nutzen. Die Erfahrung zeigt uns, dass User, die an der Entwicklung beteiligt sind, zu den treuesten Usern der Lösung gehören und diese Lösung auch promoten.
Dieser Ansatz ist keine Universallösung für alles und jeden. Vielmehr ist es ein Massnahmen-Mix, der an die Bedürfnisse und Voraussetzungen des Unternehmens angepasst werden kann. Auch wir als Finnova stehen noch am Anfang, freuen uns aber, diesen Weg hin zu mehr Nutzerzentriertheit zusammen mit unseren Kunden, Partnern und den Anwendern unserer Lösungen zu verfolgen. Deshalb betrachten wir die UX nicht als separaten Stream, sondern als integralen Bestandteil der Produktentwicklung.
Fazit: Vertrauen in den Prozess
Einer der wichtigsten Punkte beim Thema UX ist, sich nicht in Definitionen und Theorien zu verzetteln. Vertrauen haben in den UX-Prozess und in die Superkräfte der UX, die sich in der Interaktion mit den Usern entfalten. Lernen durch Erfahrung und Interaktion, durch andere Sichtweisen. Wer sich durch die Auseinandersetzung mit dem "U" der UX begeistern lässt, begeistert auch die Userinnen und User.
Doch wie aus anderen Superhelden-Geschichten bekannt, bringen Superkräfte eine grosse Verantwortung mit sich. So zum Beispiel, wenn man weiss, was die User wollen, wie sie denken und handeln, könnte man in Versuchung geraten, sie zu einem gewünschten Verhalten zu manipulieren. Das kann kurzfristig zwar gut fürs Geschäft sein, aber ist nicht gut für die User selbst. Man spricht hier von Dark Patterns (Fangfragen, versteckte Kosten, Confirmshaming u. a.). Das ist unter allen Umständen zu vermeiden. Halten Sie sich von der dunklen Seite fern.