Die Rolle der Mikroprozessoren in der Taiwan-Krise
Die Spannungen um Taiwan sind auch darauf zurückzuführen, dass dort ein großer Teil der weltweiten Produktion von Mikroprozessoren angesiedelt ist. Aufgrund der strategischen Bedeutung dieser Komponenten versuchen die Großmächte, ihre Lieferungen zu sichern, manchmal die ihrer Konkurrenten zu behindern oder die Errichtung von Fabriken auf eigenen Boden zu finanzieren.
Die Präsidentin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, ignorierte die chinesischen Warnungen und reiste letzte Woche nach Taiwan. Die Spannungen in der Region haben seitdem ihren Höhepunkt erreicht: Als Vergeltungsmaßnahme hat die chinesische Armee Militärmanöver in der Strasse von Formosa begonnen und chinesische Kampfflugzeuge sind mehrfach in die Luftverteidigungszone des Archipels eingedrungen. Laut "Taiwannews" waren auch mehrere Regierungsseiten und staatliche Infrastrukturen (Verkehr, Energie) von Cyberangriffen betroffen, die jedoch eingedämmt werden konnten.
Neben der Frage nach dem Status und der Souveränität des Archipels geht es auch um wirtschaftliche Fragen und um die Rivalität zwischen den Supermächten USA und China im Bereich der Mikroprozessoren. So nutzte Nancy Pelosi die 24 Stunden ihres Besuchs auch für ein Gespräch mit Mark Liu, dem CEO der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC), dem grössten Chiphersteller der Welt. Währenddessen hat China angekündigt, seine Exporte von Sand - aus dem das für die Herstellung von Mikroprozessoren benötigte Silizium gewonnen wird - nach Taiwan zu stoppen, wie "Bloomberg" berichtet.
Anbieter für die ganze Welt
In Taiwan findet ein grosser Teil der weltweiten Produktion von Mikroprozessoren statt. Diese Chips werden in IT- und Elektronikgeräten eingesetzt, aber auch viele andere Industriezweige wie die Automobil- oder die Rüstungsindustrie sind von ihnen abhängig. Laut den neuesten Zahlen von Gartner wird der weltweite Halbleitermarkt bis 2022 um 7,4 % auf fast 640 Milliarden US-Dollar wachsen. Obwohl die Knappheit nachlässt, bleibt der Sektor hochgradig kritisch.
In diesem Zusammenhang haben die in Taiwan hergestellten Chips auf beiden Seiten des Pazifiks eine strategische Dimension. In einem Interview mit CNN warnte TSMC-CEO Mark Liu, dass ein Krieg um den Archipel die geopolitische Landschaft und die Weltwirtschaft durcheinander zu bringen drohe. "In Washington, Peking und Taipeh sind diplomatische und militärische Kalküle mit der Sorge um die Lieferketten verbunden, ohne die die moderne Welt zum Stillstand kommen könnte",so die Analyse der "New York Times".
Druck auf die niederländische ASML
Neben der Sicherung ihrer eigenen Versorgung wollen die USA auch verhindern, dass China die Fähigkeit entwickelt, die fortschrittlichsten Chips selbst herzustellen. Washington würde daher auch Druck auf die niederländische Regierung ausüben, um ein Embargo für bestimmte Produkte nach China zu verhängen. Die Niederlande beherbergen nämlich ASML, einen Weltmarktführer in der Herstellung von Lithographie-Maschinen, die für das Ätzen von Transistoren und damit für die Herstellung von Mikroprozessoren unerlässlich sind. Nachdem ASML bereits verboten wurde, seine hochentwickelten Maschinen nach China zu exportieren, könnte dies auch für seine Maschinen zur Herstellung von "Standard"-Chips gelten. Sollten die Niederlande den Forderungen der USA nachkommen, wäre dies nicht nur ein schwerer Schlag für Chinas Bemühungen um Autarkie, sondern könnte auch die gesamte globale Lieferkette, die von chinesischen Chips abhängig ist, gefährden, warnen viele Beobachter.
Monstersubventionen für die Errichtung von Fabriken
Die USA bemühen sich außerdem darum, einen Teil der Halbleiterindustrie "in das Land zu locken, in dem sie entstanden ist". Präsident Biden unterzeichnete diese Woche einen Gesetzentwurf - den Chips and Science Act -, der Subventionen und Steuergutschriften in Höhe von 52 Milliarden US-Dollar für Mikroprozessorhersteller vorsieht, die sich in den USA niederlassen oder expandieren. Ein wichtiges Detail: Mikroprozessorhersteller, die eine Finanzierung in Anspruch nehmen wollen, dürfen in China keine neuen Hightech-Investitionen tätigen, mit Ausnahme von herkömmlichen Chips für den lokalen Markt.
Wie China, die USA, Südkorea und Japan hat auch Europa im Februar einen 43-Milliarden-Euro-Plan angekündigt, um Mikroprozessor-Fabriken im eigenen Land zu errichten und die Abhängigkeit von diesen strategischen Komponenten zu verringern. Bosch und STMelectronics haben bereits Pläne für eine Fabrik in Deutschland bzw. Frankreich angekündigt.