Jedem seine Digitalisierungsstrategie
In Bern findet vom 19. bis 20. März das Swiss E-Government Forum 2024 statt. Am ersten Tag stellten die Referierenden ein paar Digitalisierungserfolge vor. Zur Sprache kamen aber auch diverse Digitalisierungsstrategien.
Am 19. März 2024 ist in Bern das Swiss E-Government Forum 2024 gestartet. Die diesjährige Ausgabe, die auf dem Bernexpo-Gelände über die Bühne geht, steht unter dem Motto "Erfolgsstorys einer digital vernetzten Gesellschaft".
Beispiele erfolgreicher Digitalisierungsprojekte könne man einige bieten, erklärte Véronique Bittner-Priez, Vizedirektorin des Schweizerischen Städteverbandes, in ihrem Grusswort am ersten Veranstaltungstag. Namentlich verwies sie auf Chatbots auf Websites von Städten, die den Zugang zu Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung vereinfachen sollen.
Véronique Bittner-Priez, Vizedirektorin des Schweizerischen Städteverbandes. (Source: zVg)
Ebenfalls lobend erwähnte sie "Geocity", ein Projekt mehrerer Waadtländer Verwaltungen. Dabei geht es um die Entwicklung einer Open-Source-Lösung zur Digitalisierung diverser Formulare. Das Tool erfülle die verschiedenen Bedürfnisse der Projektpartner und "trägt dazu bei, dass weniger Einzellösungen entstehen". Dank solcher Kooperationen schreite die Digitalisierung insgesamt rascher voran und werde insbesondere in kleineren Städten und Gemeinden gefördert, gab sich Bittner-Priez überzeugt.
Gute Anfänge
Ebenfalls als Erfolgsstory präsentierte Martin Godel, Leiter KMU-Politik beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), den Unternehmens-Onlineschalter "Easygov.swiss". 2017 erstmals aufgeschaltet, können Firmen darüber aktuell rund 50 verschiedene Behördendienstleistungen beanspruchen. 90'000 aktive Unternehmen nutzten das Angebot aktuell, verriet Godel und fügte hinzu, das Feedback der User sei grösstenteils positiv. Noch steht der Bund hinter den meisten Dienstleistungen auf der Plattform.
Martin Godel, Leiter KMU-Politik beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). (Source: zVg)
Doch die Ausweitung auf Services anderer Staatsebenen kommt, wie der Referent erklärte. Zunächst werde es diesen Herbst jedoch mal möglich werden, die Löschung eines Unternehmens und einen Unternehmensumzug über "Easygov.swiss" durchzuführen. In den kommenden Jahren sei zudem die Einführung eines Low-Code-Tools geplant, mit dem Verwaltungen mit geringem Aufwand ihre eigenen Dienstleistungen auf der Plattform anbieten könnten.
Aus dem Amt für Finanzen des Kantons Schwyz stellte Alex Maissen ein Projekt zur Bewirtschaftung von Verlustscheinen in Zusammenhang mit Steuerforderungen vor. Insgesamt, so der Referent, gebe es im Kanton über 25'000 solche Scheine mit einem Gegenwert von bis zu 80 Millionen Franken. Aufgrund fehlender Ressourcen in vielen Gemeindeverwaltungen blieben diese Scheine jedoch oft liegen; und wo sie bearbeitet werden, sei viel "Handarbeit" nötig. Ziel der neuen Lösung sollte es sein, den kommunalen Steuerämtern diesen Aufwand abzunehmen, Synergien zu nutzen, für mehr Übersicht zu sorgen und letztlich einen höheren Betrag zu generieren. Für Schuldner wiederum biete das Produkt mehr Datenschutz und eine zentrale Ansprechstelle für sämtliche Forderungen.
Alex Maissen, Leiter Gemeindefinanzen und Inkasso Direkte Bundessteuer, Amt für Finanzen Kanton Schwyz. (Source: zVg)
"Die technische Lösung ist konfiguriert und eingeführt", beschrieb Maissen den aktuellen Stand. Doch was die Zusammenarbeit mit den Gemeinden angehe, befinde sich das Projekt noch in der Pilotphase. "Im Moment arbeiten wir noch mit Doppelspurigkeiten."
In 12 Monaten zur Digitalisierungsstrategie
Zwei schweizweite Digitalisierungsprojekte, die mehrfach genannt wurden, waren die elektronische Identität (E-ID) und das vereinheitlichte Login-Portal "AGOV". Grünen-Politiker und Unternehmer Gerhard Andrey bezeichnete die E-ID als "Steilvorlage für Kulturwandel". Der Bund habe sich im Entstehungsprozess aktiv mit der Community ausgetauscht, lobte er und regte an, diesen Austausch auch in weiteren Digitalisierungsvorhaben, wie etwa dem E-Health-Programm "Digisanté" anzustreben.
Gerhard Andrey, Grünen-Nationalrat und Unternehmer. (Source: zVg)
Das Besondere am schweizweiten Login "AGOV" sei die Zusammenarbeit zwischen Politik und Behörden, erklärte Peppino Giarritta, Beauftragter von Bund und Kantonen für die Digitale Verwaltung Schweiz. Die rechtliche Grundlage zum Portal sei nämlich seit 1. Januar 2024 in Kraft. Die ersten Pilotanwendungen gingen 10 Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes online. Bis jetzt gebe es schon über 100'000 Nutzende, die "AGOV" nutzten.
Abgesehen von praktischen Beispielen lieferten die Referierenden des ersten Tages auch Einblicke in eine ganze Reihe von Digitalisierungsstrategien. "AGOV" ist beispielsweise in die Strategie "Digitale Verwaltung Schweiz" eingebunden, die Giarritta vorstellte. Dieses Jahr sollen im Rahmen der Strategie etwa schweizweite Betreibungsregisterauszüge oder eine neue Version des digitalen Amtsblattes realisiert werden.
Peppino Giarritta, Beauftragter von Bund und Kantonen für die Digitale Verwaltung Schweiz. (Source: zVg)
Auch Vertreter der Kantone Schwyz und Graubünden berichteten vom Weg in die Digitalisierung, wobei die beiden Kantone das Vorhaben recht unterschiedlich angehen. So schuf der Kanton Graubünden binnen 12 Monaten eine neue Digitalisierungsstrategie: Sie umfasst ein Budget von 35 Millionen Franken, benötigt 45 Vollzeitstellen, besteht aus 13 Zielen und 31 dazu passenden Massnahmen, wie Marc Heuberger, Vorsitzender der interkantonalen Fachgruppe E-Government der Schweizerischen Staatsschreiberkonferenz und Leiter Stabsstelle Digitale Verwaltung des Kantons Graubünden, schilderte. Seine Tipps für alle, die es seinem Kanton nachmachen möchten:
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externe Beratung in Anspruch nehmen,
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aus Fehlern der Vergangenheit lernen,
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Entscheidende an den Tisch holen.
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Ziele im Auge behalten
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und von Anfang an an die Umsetzung denken.
Peter Zingg, Spezialist Digitale Transformation und stellvertretender Departementssekretär des Finanzdepartements des Kantons Schwyz, Marc Heuberger, Vorsitzender der interkantonalen Fachgruppe E-Government der Schweizerischen Staatsschreiberkonferenz und Leiter Stabsstelle Digitale Verwaltung des Kantons Graubünden, und Moderator Lorenz Ilg. (v.l., Source: zVg)
Einen anderen Weg präsentierte Peter Zingg, Spezialist Digitale Transformation und stellvertretender Departementssekretär des Finanzdepartements des Kantons Schwyz. An manchen Sitzungen der Verwaltung sei er der einzige mit Laptop, merkte er an und erklärte, es sei eine Herausforderung, gleichzeitig die Mitarbeitenden der Verwaltung mit modernen Tools auszurüsten und die Verwaltungsprozesse zu digitalisieren. Aktuell gehe es darum, die im Laufe der Jahre gewachsene Infrastruktur zu einem stabilen Fundament umzubauen. Dabei geht es auch darum, einen Kulturwandel anzustossen. Ziel sei es, für die Kunden einfache, digitale Prozesse zu schaffen. "Man muss bereit sein, Prozesse zu analysieren und zu transformieren, um an diese Einfachheit zu kommen."
Im vergangenen Jahr drehte sich der erste Tag des Swiss E-Government Forum um den digitalen Föderalismus und welche Herausforderungen es zu meistern gilt. Am zweiten Tag sprachen die Referierenden unter anderem darüber, weshalb es in der Verwaltung noch nicht ohne gehörig viel Papier funktioniert.