KI-Assistent auf dem Prüfstand

Microsoft Copilot: wozu er taugt – und wozu nicht

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von David Mehr, Microsoft MVP und Leiter Collaboration, IOZ

Der M365 Copilot hat eine Revolution in der digitalen Arbeitswelt versprochen. Doch aktuelle Tests und Anwendungen ­zeigen ein differenziertes Bild seiner Leistungsfähigkeit. Der Nutzen für die tägliche Produktivität ist aktuell noch beschränkt, positiv überrascht hat er in Teams-Meetings.

Im März 2023 hat Microsoft den M365 Copiloten vorgestellt, ein Produkt, das in der Fachwelt grosse Erwartungen weckte. An den Grossveranstaltungen war der KI-Assistent das dominierende Thema. Dementsprechend gross war die Erwartungshaltung, als der Copilot Mitte Januar 2024 auch für KMUs verfügbar wurde.

Realistische Szenarien getestet

Hinter dem Copilot steckt das Sprachmodell GPT von Open­AI. Dass GPT gut darin ist, Inhalte frei zu erfinden, ist ja bekannt. Als Unterstützung bei der täglichen Arbeit am Computer nützen frei erfundene Inhalte wenig. Darum fokussierten die Praxistests auf realistische Szenarien: das Verarbeiten von grossen Datentabellen in Excel, die Aufbereitung der Erkenntnisse in Powerpoint-Präsentationen, das Dokumentieren in Protokollen und Management Summarys in Word. Diese ersten Anwendungen zeigten ein bestenfalls "gemischtes" Bild der Nützlichkeit und Effizienz des Tools.

Kein Nutzen in Excel-Datenverarbeitung

In Excel zeigte sich, dass der M365 Copilot bei der Analyse grosser Datenmengen an seine Grenzen stösst. Gerade hier wäre eine fähige KI viel Wert, da sie grosse Datenmengen viel besser verarbeiten kann als wir Menschen. Nur wenige der selbst eingegebenen Prompts können vom Copilot überhaupt ausgeführt werden. Die vorgefertigten Prompts liefern zwar Ergebnisse, diese sind jedoch oberflächlich und bieten keine echten Erkenntnisse.

Präsentationsfolien mit erfundenen Inhalten befüllt

Bei der Nutzung des M365 Copilot zur Erstellung von Präsentation in Powerpoint wurden weitere Einschränkungen sichtbar. Der Copilot war kaum in der Lage, nutzenstiftende Folien zu erstellen oder vorhandene Inhalte effizient zu strukturieren. Folien befüllte der KI-Assistent mit generativ erfundenen Inhalten. Es blieb weiterhin notwendig, Präsentationen manuell aufzubauen und zu optimieren, was die angepriesenen Effizienzvorteile des Tools weiter schmälert.

Bessere Ergebnisse beim Verarbeiten von Sprache

Überall dort, wo es lediglich um die Sprachverarbeitung geht, spürt man die Stärken des dahinterliegenden GPT-Modells. Das E-Mail-Postfach scannen und Konversationen zusammenfassen, funktioniert sehr gut. Sitzungen transkribieren, offene Tasks erkennen und sogar die Stimmung einordnen, klappt auch sehr gut, solange das Meeting in Schriftdeutsch gehalten wird. Schweizer Mundart kann der Copilot nicht nutzbringend transkribieren. 

Fazit: Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine grosse Lücke zwischen den von Microsoft geweckten Erwartungen und der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des M365 Copilot besteht. Besonders auf Youtube tauchen seit Mitte Februar mehr und mehr Reviews und Testberichte auf, die zu einem ähnlichen Schluss kommen. Fairerweise muss man festhalten, dass Microsoft mit dem Copilot-Launch in "unbekannte Gewässer" vorstösst, was eine hochkomplexe Aufgabe ist. Das Thema geniesst ein anhaltend gros­ses Interesse, an firmenweiten Einführungen des Copilot ist bei den KMUs erst punktuell ein Interesse spürbar. 
Der Copilot ist da und nutzbar, aber es braucht wohl noch eine gewisse Zeit, damit dieser auch in Unternehmen gewinnbringend eingesetzt werden kann.

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