KI in der Finanzindustrie

Wie die LGT den KI-Assistenten von Microsoft einsetzt

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Die Liechtensteiner Bank LGT setzt auf Microsofts KI-Assistenten Copilot, um die Produktivität der Mitarbeitenden zu steigern. Wie das funktioniert, wo es noch hapert und was man daraus lernen kann, erklärt Peter Matt, Head of Digital Workplace, LGT Private Banking.

Peter Matt, Head of Digital Workplace, LGT Private Banking. (Source: LGT)
Peter Matt, Head of Digital Workplace, LGT Private Banking. (Source: LGT)

Die LGT hat ein Pilotprojekt mit Microsoft 365 Copilot durchgeführt. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Peter Matt: Als Teilnehmer des Early-Access-Programms hatten wir bereits im August 2023 Zugriff auf die Preview-Version. Wir fanden schnell heraus, wie Copilot sein volles Potenzial entfalten kann. Ein wichtiger Schritt war die vollständige ­Migration in die M365 Cloud. Hinzu kamen Vorbereitungs­arbeiten, die aufgrund von Security-, Legal-, GDPR- und regulatorischen Vorgaben notwendig waren, um Copilot in einem kontrollierbaren Rahmen testen zu können. Die Pilotphase haben wir offen gestaltet, Interessierte konnten sich registrieren und die Nachfrage war gross: Wir sind mit 300 Mitarbeitenden weltweit gestartet, die uns sehr hilfreiches Feedback geliefert haben.

Wie genau kommt der KI-Assistent von Microsoft bei der LGT zum Einsatz?

Grundsätzlich steht es den Mitarbeitenden frei, wie sie M365 Copilot verwenden – natürlich gibt es gewisse Richtlinien und Sicherheitsmassnahmen, die eingehalten werden müssen. Die Messungen und Nutzungsstatistiken von Microsoft zeigen, dass Copilot bei uns vor allem für Zusammenfassungen von Meetings, E-Mails und der Business Chat zum Einsatz kommt. Die einzelnen Funktionen werden unterschiedlich intensiv genutzt, generell nimmt die Nutzung aber stetig zu.

Was sind die wichtigsten Ziele, die Sie mit dem ­Einsatz von generativer KI verfolgen?

KI soll den Mitarbeitenden helfen, gewisse Arbeitsschritte effizienter zu gestalten und ihre Produktivität zu steigern. Extrem hilfreich ist sie beispielsweise bei der Zusammenfassung langer Texte, beim Überarbeiten von E-Mails und Texten oder beim Ideenfinden.

Was haben Sie aus dem Pilotprojekt gelernt?

M365 Copilot ist nur so leistungsfähig wie die Qualität der zugrundeliegenden Daten. Der Spruch "Garbage in, Garbage out" ist weiterhin zutreffend. Es liegt an uns, die richtigen Erkenntnisse zu gewinnen und Massnahmen zu ergreifen, damit KI-Modelle wie Copilot verlässliche und aktuelle Antworten liefern können. Die Herangehensweise an das Thema User ­Adoption muss ebenfalls überdacht werden. Früher wurden grosse Migrationsprojekte mit einem festgelegten Einführungstag und umfangreichen Schulungen sowie Unterlagen durchgeführt. Heutzutage können diese Unterlagen jedoch schon nach kurzer Zeit veraltet sein. Mit Cloud-Diensten stellt sich die Herausforderung, dass regelmässig neue Funktionen und Features hinzugefügt oder Änderungen vorgenommen werden – ob gewünscht oder nicht. Es ist wichtig, den Nutzerinnen und Nutzern die für sie relevanten Informationen zu den Änderungen zeitnah zur Verfügung zu stellen, ohne sie dabei zu überfordern. Daher testen wir neue Ansätze und nutzen regelmäs­sige Feedbackprozesse, um die richtige Informationsbalance in einer sich ständig weiterentwickelnden Technologieum­gebung zu finden.

Projektpartner Isolutions bezeichnet Microsoft ­Copilot als "sichere Alternative im Vergleich zu ChatGPT". Inwiefern soll der KI-Assistent von ­Microsoft sicherer sein als jener von OpenAI?

Das Wichtigste ist sicher, dass die Daten in unserer M365-Cloud (LGT Tenant) bleiben. Das gilt auch für Prompts, die nicht ausserhalb unserer Cloud genutzt werden. Da wir bereits grösstenteils in der M365-Cloud arbeiten und viel Aufwand betrieben haben, um alle Anforderungen weltweiter Regularien und IT-Sicherheitsstandards zu erfüllen, war der Schritt zur Aktivierung von Copilot nicht mehr so gross. Ein weiterer bedeutender Vorteil im Vergleich zu anderen GenAI-Lösungen ist, dass M365 Copilot auf dem Microsoft Graph basiert und somit auf alle Informationen zugreifen kann, für die der User berechtigt ist. Ein eher praktischer Aspekt ist, dass sich M365 Copilot nahtlos in alle bekannten Microsoft-Tools wie Outlook, Powerpoint, Teams, Planner, Forms etc. integrieren lässt.

Wie haben Sie sichergestellt, dass der Datenschutz gewährleistet ist?

Wir haben von Beginn an alle relevanten Abteilungen, einschliesslich der Datenschutzbeauftragten, eingebunden, und sichergestellt, dass sämtliche Vorgaben eingehalten werden. Microsoft stellt umfangreiche Informationen zu diesen Themen bereit, da die hohen Anforderungen im EU-Raum und der FSI-Branche bekannt sind. Dadurch konnten wir auf hilfreiche, detaillierte Dokumentationen zurückgreifen, welche die Datenschutzkonformität beim Einsatz von M365 Copilot nachweisen.
Wie beurteilen Sie das Problem der KI-Halluzina­tionen? Und wie gehen Sie damit um?
Wie ein Professor mit Schwerpunkt KI der Uni Zürich gesagt hat, ist kritisches Denken wichtiger denn je. Genau wie bei allen anderen Quellen liegt es am Nutzer und der Nutzerin, die Informationen kritisch zu prüfen und nicht ungefiltert zu verwenden. Nicht umsonst weist Copilot bei jeder Antwort darauf hin, dass "KI-generierte Inhalte fehlerhaft sein können". Ich bin aber zuversichtlich, dass das technische Problem der Halluzination in naher Zukunft gelöst wird, ähnlich wie bei der Einführung des "advanced reasoning" durch OpenAI in ChatGPTo1-preview, das Antworten in logische Schritte unterteilt und dadurch Einblicke in den Entstehungsprozess der Antwort bietet.

Welche Herausforderungen stehen einem breiten Einsatz von generativer KI in der Bankenbranche im Weg?

Nach meiner Einschätzung gibt es keine wesentlichen technischen oder regulatorischen Hürden mehr. Es ist jedoch wichtig, neue Vorgaben wie den AI Act der EU zu beachten, um sicherzustellen, dass wir den regulatorischen Anforderungen auch künftig gerecht werden. Eine grosse Herausforderung ist, die neuen Tools bei den Nutzerinnen und Nutzern zu verankern, sodass es zur Selbstverständlichkeit wird, sie regelmässig einzusetzen.

Wie haben Sie die Mitarbeitenden bezüglich der Nutzung von Microsoft Copilot geschult?

Jeder Copilot-User musste eine Einschulungs-Session besuchen, die von Nutzungshinweisen bis zu nützlichen Anwendungsbeispielen reichte. Darüber hinaus haben wir eine interne Copilot-Community geschaffen, die regelmässig mit Nachrichten und Tipps versorgt wird. Zudem fördern wir den Austausch untereinander.

Was raten Sie anderen Finanzinstituten, die ebenfalls Erfahrungen mit generativer KI sammeln möchten?

Es ist wichtig, eine saubere Datengrundlage zu gewährleisten. Eine vollständige Migration in die M365 Cloud ist empfehlenswert, um die Funktionen von Copilot voll ausschöpfen zu können. Grundsätzlich werden nur Daten, die in der Cloud gespeichert sind, standardmässig von Copilot gefunden und liefern kontextbezogene Antworten aus der Sicht der Mitarbeitenden. Zudem ist es wesentlich, die Chancen und Risiken von GenAI zu verstehen und dennoch zu experimentieren, um praktische Erfahrungen zu sammeln. So kann man Schritt für Schritt ein besseres Gefühl für das Potenzial von generativer KI im eigenen Unternehmen entwickeln.

Wie geht es mit generativer KI bei der LGT nun ­weiter?

Wir werden dieses Jahr intensiv daran arbeiten, M365-Copilot-Nutzerinnen und -Nutzer dazu zu motivieren, das Tool regelmäs­sig zu verwenden und sie über die monatlichen Updates auf dem Laufenden zu halten. Die Nutzung wird kontinuierlich überprüft, um die zukünftige Lizenzverteilung entsprechend anzupassen. In naher Zukunft planen wir, allen Mitarbeitenden weitere KI-basierte Funktionen zur Verfügung zu stellen, wie zum Beispiel die "Intelligent Recap"-Funktion in MS Teams. Diese Funktion erstellt automatisch eine Zusammenfassung eines Meetings, basierend auf einer aufgezeichneten und/oder trans­kribierten Sitzung. Seit August funktioniert dies sogar auf Schweizerdeutsch und unseren Dialekten aus Liechtenstein. Zusätzlich zu generativer KI wie Copilot, die sofort einsatzbereit ist, arbeitet ein spezialisiertes GenAI-Team daran, generative KI in unsere eigenen digitalen Anwendungen unter Verwendung der Azure-OpenAI-Technologie zu integrieren, um bestehende Prozesse mithilfe von KI zu optimieren. Wir sehen in dieser Integration ein enormes Potenzial, und die interne Nachfrage ist sehr hoch, weshalb wir sie schrittweise umsetzen. Die kommenden ein bis zwei Jahre halten sicherlich spannende Entwicklungen bereit.

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