Berufsbild im Umbruch

Was Programmierer im KI-Zeitalter noch können müssen

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Künstliche Intelligenz kann der Informatik einiges an Arbeit abnehmen. Einblicke in den Arbeitsalltag und die Ausbildung zeigen, was das für das Berufsbild der Entwicklerin und des Entwicklers bedeutet und auf welche Skills es in diesem Bereich in Zukunft ankommen wird.

(Source: tippapatt - stock.adobe.com)
(Source: tippapatt - stock.adobe.com)

Wenige Mausklicks, ein paar Tastenanschläge und schon spuckt ChatGPT hunderte Zeilen an komplexem Code aus. Angaben zum gewünschten Tech-Stack kann der Chatbot verstehen und umsetzen. Dazu kommen Skills in Bereichen wie Datenanalyse, Vorhersagemodelle oder Code-Optimierung. Künstliche Intelligenz kann Programmiererinnen und Programmierern das Leben erheblich leichter machen - droht aber auch, ihnen vielleicht irgendwann den Job wegzunehmen.  

Gemäss einer Ende 2023 veröffentlichten Studie des Portals "Swissdevjobs.ch" verwenden bereits 45 Prozent der Schweizer Entwicklerinnen und Entwickler KI in irgendeiner Form für ihre Arbeit. 13 Prozent tun es gar intensiv. Mehr als die Hälfte der Befragten erachten die Technologie als etwas oder sehr nützlich.

 "Auch mit KI muss man noch selbst denken können."

Blindes Vertrauen geniesst die KI unter den Programmierern damit aber noch lange nicht: Gerade einmal 4 Prozent der Studienteilnehmenden gaben an, KI-generiertem Code absolut zu vertrauen. 61 Prozent bestehen hingegen darauf, immer zu verifizieren, was der Chatbot ausspuckt.

"Wir müssen unbedingt in der Lage sein, die Informationen aus der KI bewerten zu können", sagt Roger Schweingruber, Team Leader Young Talents bei UMB. "Kann das stimmen? Woher könnten Informationen stammen, welche die KI ausgibt?", führt er aus. "Auch mit KI muss man unbedingt noch selbst denken können."

Schweingruber Roger

Roger Schweingruber, Team Leader Young Talents bei UMB. (Source: zVg)

UMB beschäftigt in der Schweiz fast 900 Personen und ist damit einer der grössten IT-Arbeitgeber des Landes. Das IT-Systemhaus nutzt selbst in verschiedenen Abteilungen ChatGPT, etwa zum Erstellen von Bildern oder Texten. "Speziell in den IT-Abteilungen wird die KI zum Teil auch für Codeabfragen oder Bugfixing genutzt", sagt Schweingruber. Er ist in seiner Funktion für die Lernenden verantwortlich, die beim Unternehmen in Ausbildung sind.

KI ersetzt Ratschläge der Kollegen

Neue KI-Tools, allen voran grosse Sprachmodelle (LLMs), hätten einen deutlichen Impact auf die Lernenden, sagt Schweingruber. Dies äussere sich vor allem dann, wenn es um Auskünfte gehe: "Wo früher noch Kollegen gefragt wurden, wird heute sofort ChatGPT, Google Gemini oder Mistral um Rat gefragt."

Auch die Mitarbeitenden müssten künftig nicht mehr unbedingt wissen, wo Informationen zu finden sind, sagt Schweingruber: "Welcher Registry Key und welche Konfigurations-Einstellung gesetzt sein muss, kann heute innert Sekunden durch KI beantwortet werden – inklusive der passenden Beispiele."

"Aufgrund der fehlenden Erfahrung in der IT ist es auch wichtig, dass wir den Lernenden aufzeigen, wie wichtig es ist, KI-Antworten zu plausibilisieren", sagt Schweingruber zur Zuverlässigkeit von ChatGPT und Co. "Oft sind die Antworten falsch oder irreführend, was teilweise zu kuriosen Ergebnissen führt."

"Die Rolle von Programmierern wird sich verändern"

"Der Umgang mit KI muss ein Teil der Ausbildung sein", findet George Streit, Leiter Digitalisierung & Innovation bei ICT-Berufsbildung Schweiz. KI-Kompetenzen seien ein Future Skill, sagt Streit – nicht nur in der Informatik, sondern auch in anderen Berufen. "Zudem braucht es ICT-Fachkräfte, die KI weiterentwickeln." 

Streit George

George Streit, Leiter Digitalisierung & Innovation bei ICT-Berufsbildung Schweiz. (Source: zVg)

Der Experte ist sich sicher: "Die Rolle von Programmiererinnen und Programmierern wird sich verändern." Die Entwickler der Zukunft würden KI-gestützte Tools verwenden, um effizienter zu arbeiten, sagt Streit. So könnten Tätigkeiten wie Routineprogrammierung oder das Beheben einfacher Fehler aus der Lehre entfallen, da sie in Zukunft die KI übernimmt. Streit betont aber: “Während KI komplexe Automatisierung ermöglicht, bleibt menschliche Aufsicht jedoch wichtig."

Dass die KI sich irgendwann selbst prompten und menschliche Eingaben damit obsolet machen könnte, glaubt Streit nicht. Zwar könne sich KI vielleicht in Zukunft selbst optimieren und automatisierte Verbesserungsvorschläge generieren. Menschliche Eingaben würden aber weiterhin benötigt, um den Rahmen für Aufgaben festzulegen und ethische Aspekte zu berücksichtigen, so der Experte von ICT-Berufsbildung. "KI wird eher als Kooperationspartner agieren, als menschliche Inputs komplett zu ersetzen."

Für ihn gibt es im Gegenzug auch Skills, die durch den Vormarsch der künstlichen Intelligenz neu hinzukommen. Streit nennt etwa die Erstellung, die Anwendung und das Trainieren von KI-Modellen, Datenanalyse, ethische Überlegungen im KI-Einsatz sowie die Interpretation von KI-Outputs.

Unternehmen kaufen KI-Experten ein, statt sie auszubilden

Bestrebungen, Mitarbeitende für die Arbeit mit künstlicher Intelligenz zu trainieren oder ganz darauf umzuschulen, gebe es bei UMB derzeit noch nicht, sagt Roger Schweingruber. Innerhalb einiger Abteilungen gebe es aber zumindest einen Austausch über die effiziente Bedienung von KI, etwa zum Thema Prompting. 

Eine internationale Studie von Adecco zeigte unlängst, dass generell wenige Firmen in die KI-Kompetenzen ihrer Mitarbeitenden investieren. Von 2000 Führungskräften aus verschiedenen Branchen gaben zwei Drittel an, KI-Fachkräfte lieber extern einkaufen zu wollen, anstatt Mitarbeitende entsprechend weiterzubilden. Adecco spricht von einem wenig ausgewogenen "Buy-versus-Build"-Ansatz, der die Gefahr eines Qualifikationsdefizits und Fachkräftemangels berge.

"KI zwingt viele Unternehmen zum Umdenken und stellt sie vor anspruchsvolle Entscheidungen: Entweder sie restrukturieren gezielt gewisse Abteilungen/Teams oder sie investieren in die gezielte Aus- und Weiterbildung der bestehenden Mitarbeitenden”, sagt Marcel Keller, Präsident von Adecco Schweiz, zu den Studienergebnissen. “Letzteres ist auf lange Sicht nachhaltiger und stellt sicher, dass bestehendes Wissen im Unternehmen bleibt, erfordert aber Fokus, Ressourcen sowie Geduld und Ausdauer."

Skills für die Informatikerinnen und Informatiker von morgen

"KI wird uns hoffentlich weiter entlasten und inspirieren, und schon das verändert die IT-Arbeitswelt grundlegend", fasst Roger Schweingruber zusammen. "Alles Weitere wird davon abhängen, was für Möglichkeiten KI in Zukunft bieten wird." Für die Experten von UMB und ICT-Berufsbildung lässt sich eine Reihe an Fähigkeiten ableiten, die in Zukunft für Informatikerinnen und Informatiker relevant sein könnten; sowohl in der Arbeit mit als auch ohne künstliche Intelligenz:

Generelle Skills:

  • Requirements-Engineering: Erfassen von (Kunden- oder Lösungs-) Anforderungen
  • Daten-Affinität: Strukturierung von Daten, Daten-Zusammenhänge Erkennen, Daten-Retention und Relevanz-Beurteilung – und damit Schaffen einer Basis für die Generierung von Informationen
  • Kommunikationsfähigkeit: Klare Kommunikation von technischen Konzepten und Zusammenhängen
  • Interaktionsfähigkeit mit technischen wie nicht-technischen Personen
  • Sicherheits-Affinität – klares Verständnis für Daten-Sicherheit für alle Datenklassen
  • Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Arbeit an Schnittstellen mit anderen Disziplinen.
  • Kreatives Problemlösen: Entwickeln von kreativen Lösungen für komplexe Probleme.
  • Agiles Arbeiten: Anpassungsfähigkeit in einem sich schnell entwickelnden technologischen Umfeld.

KI-Skills:

  • Prompt Design
  • Verständnis für Limitationen der KI
  • Plausibilisieren von Ergebnissen
  • Erkennen, wo der Einsatz von KI Sinn macht und wo nicht
  • Kommunikation: Klare Kommunikation von KI-basierten Ergebnissen an Nicht-Techniker.
  • Ethikverständnis: Verständnis ethischer Aspekte bei der Nutzung von KI.
     
Webcode
YzU5V7gG