Das sind die Chancen und Herausforderungen von GenAI in Unternehmen
Generative künstliche Intelligenz hält in Schweizer Unternehmen Einzug. Welche Chancen GenAI bietet und welche organisatorischen Herausforderung die Einführung von solchen Tools mit sich bringt, verraten sechs Expertinnen und Experten
"So gelingt der Start ins KI-Abenteuer"
Wie findet ein Unternehmen den geeigneten Startpunkt für die KI-Reise?
Karin Fischer: Wichtig ist es, die Ausgangslage und die spezifischen Herausforderungen des Unternehmens zu kennen: Wo steht das Unternehmen, wie viel Wissen ist vorhanden, wie sieht das technische Set-up aus? In sogenannten Exploration Workshops identifizieren wir gemeinsam mit den Kundinnen und Kunden mögliche Use Cases. Anschliessend geht es darum, die vielversprechendsten Anwendungsfälle zu vertiefen und ein Pilotprojekt auszuwählen.
Was braucht es, um KI-Potenziale erfolgreich zu erschliessen?
Das relevante Wissen muss von Anfang an in einem interdisziplinären Team auf Kunden- und Anbieterseite zusammengebracht werden. Zudem braucht es eine qualitativ und quantitativ gute Datenbasis, um Analysen durchzuführen und das KI-Modell bei Bedarf zu trainieren. Dabei sind die Rahmenbedingungen rund um Datenschutz und spezifische Sicherheitsvorschriften ebenfalls wichtig. Wir empfehlen, mit überschaubaren, nicht zu komplexen Anwendungen zu beginnen. So gelingt der Start ins KI-Abenteuer.
Wie kann KI genutzt werden, ohne dass firmeninterne Daten das Unternehmen verlassen?
Dazu sind entweder Lösungen aufzubauen, die beim Kunden selbst betrieben werden, oder Lösungen zu favorisieren, bei denen die Daten nur intern gehalten werden. Ein Beispiel sind sogenannte RAG-Lösungen (Retrieval Augmented Generation), die auf einem vortrainierten KI-Modell basieren. Sie sorgen dafür, dass Daten aus firmeninternen Wissensquellen wie etwa dem Intranet die Firmeninfrastruktur nicht verlassen. Auch mit SAP gibt es Lösungen, die On-Premise umsetzbar sind.
"KI erfordert einen Kulturwandel"
Welche Erwartungen haben Ihre Kunden an KI? Werden bestimmte Einsätze ungenügend erforscht?
Silvan Lohri: Der Fokus liegt auf Effizienzsteigerung und einem besseren Verständnis der Endkundenbedürfnisse. Firmen sammeln explorativ erste Erfahrungen mit generativer KI. Allerdings ist noch eine gewisse Zurückhaltung für den produktiven Einsatz spürbar. Denn dieser erfordert, dass zentrale Fragen für den Einsatz von KI gelöst sind: Datenqualität, -schutz- und -sicherheit.
Sind die Herausforderungen von Organisationen in Bezug auf KI technischer, organisatorischer oder strategischer Natur?
Strategisch stellen sich folgende Fragen: Wie lässt sich das Geschäftsmodell optimieren, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen? Wie wird der finanzielle Erfolg von KI-Projekten ausgewiesen? Und angesichts zunehmender Regulierung: Wie wird eine KI-Governance strategisch verankert, sodass KI in Übereinstimmung mit geltenden Gesetzen eingesetzt wird? Letzteres prägt auch organisatorische Fragen: Wie wird der verantwortungsvolle Umgang mit Daten sichergestellt, sodass die Privatsphäre von Kunden und Mitarbeitenden gewahrt wird? Organisatorisch ist zudem ein kultureller Wandel gefragt, im Sinne von Befähigung der Mitarbeitenden zum Einsatz von KI. Zudem gilt es, die KI-Experten ans Unternehmen zu binden oder externe Expertise beizuziehen, gerade auch mit Blick auf technologische Fragen. Denn KI-Anwendungen erfordern eine passende IT-Struktur, unter anderem ausgerichtet auf die Sensibilität der Daten. Selbstredend gilt es, die Datenqualität und -verfügbarkeit sicherzustellen.
Welchen Ansatz würden Sie Unternehmen empfehlen, um in die generative KI einzusteigen? Sollten sie Experimente zulassen und fördern oder an bestimmten Anwendungsfällen proaktiv arbeiten?
Beides ist zielführend. Experimente fördern Innovationen, etwa mittels Forschungsprojekten oder Playgrounds. Die proaktive Weiterentwicklung von konkreten Anwendungsfällen ermöglicht hingegen den gezielten Einsatz von Ressourcen und erhöht die Wertschöpfung.
"LLMs werden immer besser an die verschiedenen Bedürfnisse angepasst"
"KI macht in den nächsten ein bis zwei Jahren viele White-Collar-Jobs obsolet." Für wie realistisch halten Sie diese Gefahr?
Thomas Wüst: Ich glaube, die kurzfristige Erwartungshaltung an KI ist bei vielen zu hoch. Viele Jobs, auch jene von Sachbearbeitern, beinhalten komplexe Tätigkeiten über mehrere Schritte. Diese Jobs werden durch GenAI in der heutigen Form nicht einfach so ersetzt. Wir werden gerade überrannt mit KI-Projekten, viele Organisationen setzen erste Use Cases um. Und hier sehen wir klar die Limits der grossen Sprachmodelle: Dass KI-Assistenten komplexe Tätigkeiten von Menschen übernehmen, ist heute noch nicht realistisch. Nehmen wir die Softwareentwicklung: Ein Engineer erstellt nicht nur kurze Codesequenzen, sondern komplexe Gesamtsysteme; er kommuniziert mit Menschen, integriert in Umsysteme und führt Testings durch. Da sind wir mit der heutigen Generation von KI noch weit davon entfernt.
TI&M setzt in Projekten viele KI-Assistenten für seine Kunden um. Was ist die grösste Herausforderung?
Theoretisch ist es relativ einfach, einen auf firmeninternen Daten basierenden intelligenten Assistenten zu bauen. Das Problem sind die Daten: Sie sind oft unstrukturiert und über viele Systeme verteilt abgelegt. Bevor sich Firmen um einen KI-Assistenten bemühen, sollten sie sich mit dem Management, der Integration und der Orchestrierung der Daten beschäftigen. Der KI-Assistent on top ist dann relativ schnell gebaut.
Wohin geht die Entwicklung?
Als ChatGPT Ende 2022 lanciert wurde, hatte OpenAI sozusagen ein Monopol. Heute gibt es diverse Alternativen wie Llama, Gemini, Mixtral und viele weitere. Ich glaube, LLMs werden immer mehr zu Commodities, also zu relativ einfach erhältlichen Produkten. Und diese Produkte sind immer besser auf die verschiedenen Bedürfnisse zugeschnitten. Mittlerweile können LLMs On-Premise betrieben werden, die Privacy wurde verbessert. Durch das breitere Angebot gibt es weniger Lock-in-Effekte, und auch das Pricing wird besser.
Mehr dazu im ti&m Whitepaper «True Lies about AI».
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