Kreditvermittlung über Online-Plattformen rückläufig
Die Hochschule Luzern hat das Kreditvolumen, welches über Marketplace-Lending-Plattformen an Unternehmen, Privatpersonen sowie Gemeinden und Städte während der vergangenen Jahre vermittelt wurde, analysiert und einen Report veröffentlicht. Im Jahr 2023 ist das über Online-Plattformen vergebene Kredit-Volumen um 11 Prozent auf 18,6 Milliarden Franken zurückgegangen. Die negative Entwicklung betrifft alle Segmente, jedoch in unterschiedlichem Ausmass.
Der 4. Marketplace Lending Report der Hochschule Luzern (HSLU) und der Swiss Marketplace Lending Association (SMLA) zeigt auf, wie sich die Situation der Kreditvergabe über digitale Plattformen für das Jahr 2023 ausgestaltete. Zudem werden die neusten Zahlen mit denen der vorhergehenden Jahre verglichen.
Die Studie unterscheidet dabei zwischen drei verschiedenen Segmenten des sogenannten "Marketplace Lendings" und beleuchtet einzeln deren Entwicklung. Dabei handelt es sich um die drei Gruppen Crowdlending-Kredite, Hypothekarkredite und Kredite und Anleihen für mittelgrosse Unternehmen, Grossunternehmen und öffentlich-rechtliche Körperschaften.
Das vergangene Jahr hat eine Trendwende eingeläutet: Zum ersten Mal seit sechs Jahren ist das Kreditvolumen über alle Bereiche hinweg wieder rückläufig. Gegenüber dem Vorjahr nahm es um 11 Prozent ab und betrug 18,6 Milliarden Franken. Verglichen mit dem Kreditvolumen 2017 ist die Summe der gesprochenen Kredite über Online-Plattformen 2023 jedoch knapp viermal höher. Das entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 28 Prozent.
Zunehmende Plattformnutzung durch öffentlich-rechtliche Körperschaften
Bei den Volumina und Wachstumszahlen der verschiedenen Segmente von Marketplace Lending zeigen sich grosse Unterschiede. So machen Kredite und Anleihen für mittelgrosse Unternehmen, Grossunternehmen und öffentlich-rechtliche Körperschaften rund 70 Prozent des gesamten über Online-Plattformen gesprochenen Fremdkapital-Finanzierung-Volumens aus. Das Kredit-Volumen stieg von 2 Milliarden Franken im Jahr 2017 auf 13,2 Milliarden im Jahr 2023. Die Zahlen sind jedoch auch in diesem Segment rückläufig, beruhen aber gemäss Studie teilweise auf Schätzungen, da nicht alle benötigten Daten erhältlich waren. Gesprochen werden die Kredite von professionellen Investoren.
In diesem Segment machen die Studienautorinnen und -Autoren mit dem 2016 gegründeten Fintech Loanboox und der Plattform von Bank Vontobel (Cosmofunding) nur gerade zwei Marktteilnehmer aus, doch diese hätten im Geschäft mit öffentlich-rechtlichen Körperschaften dennoch bereits einen geschätzten Marktanteil von etwa 15 Prozent.
Wachstumsstopp nach 10 Jahren
Der zweite Bereich umfasst Hypothekarkredite auf Online-Vermittlerplattformen: Auf diesen Plattformen finanzieren professionelle Investoren Hypothekarkredite für Wohn- oder Renditeobjekte. Im Gegensatz zu Crowdlending-Plattformen haben diese Plattformen eine ausschliesslich professionelle Investorenbasis bestehend etwa aus Vermögensverwaltungen, Family Offices und Pensionskassen. Nach einem Jahrzehnt des Aufschwungs verzeichnet auch dieses Segment erstmals weniger Wachstum. Unter den Playern befinden sich keine Jungunternehmen, sondern überwiegend Banken und deren Plattformen oder Vermittlungs-Vehikel von anderen Grossunternehmen wie Versicherungen.
Crowdlending-Kreditplattformen im Umbruch
Das dritte Segment fasst die Vermittlungsplattformen für Crowdlending-Kredite zusammen. Über solche können Privatpersonen oder professionelle Investoren mit ihrem Kapital Startups, KMU oder Privatpersonen finanzieren. Dazu gehören beispielsweise Konsumkredite oder Unternehmenskredite, welche etwa grundpfandgesichert sein können.
Als erste Crowdlending-Plattform startete 2008 Cashare. Die weiteren, in der Schweiz aktiven Anbieter sind in der untenstehenden Tabelle aufgeführt.
In den vergangenen Jahren hat jedoch bereits eine gewisse Konsolidierung stattgefunden: So wurde beispielsweise die Ledico-Plattform von der PostFinance übernommen und die Basellandschaftliche Kantonalbank hat sich an swisspeers strategisch beteiligt. Versicherer Vaudoise hat zuerst Neocredit als Alleinaktionär übernommen und lässt die Plattform nun 2024 auslaufen. Ebenfalls per 2024 seine Vermittlungsplattform eingestellt hat die Luzerner Kantonalbank.
Nebst dem Angebot von direktem Investment via Crowdlending gibt es auch einige Plattformen und Vehikel, welche ein indirektes Investieren in das Schweizer Crowdlending-Kreditsegment ermöglichen. Dazu gehören Lendity, die Liechtensteiner NSF Wealth Management, 1741 Group und Asset-Manager Hérens Quality Asset Management (HQAM).
Im Crowdlending-Segment nahm das Kreditvolumen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr um weitere 20 Prozent ab. Es wurden 398,1 Millionen Franken an neuen Krediten via Crowdlending vergeben. Dabei entfällt mit 203,9 Millionen Franken der grösste Teil auf das Immobilien-Crowdlending. Dieses Teilsegment verzeichnet mit einem Rückgang von über 38 Prozent deutliche Einbussen. Gegenüber dem Vorjahr verringerte sich das Kreditvolumen um knapp 80 Millionen Franken. Als wesentlicher Treiber werden im Report die Kredite an Unternehmen der Immobilienentwicklung genannt: "Viele dieser Kredite werden als kurzfristige Kredite vergeben und später von Banken zurückgezahlt. Plattformen berichten, dass vor allem mittelständische und grössere Immobilieninvestoren an einer Zwischenfinanzierung über Nachranghypotheken auf Bestandsimmobilien interessiert sind."
Das zweitstärkste Teilsegment ist das Business-Crowdlending mit Krediten für KMU mit einem Volumen von 132,8 Millionen Franken. Gegenüber dem Vorjahr verringerte sich das Volumen leicht auf 61,4 Millionen Franken (-6,4 Prozent).
Kaum Kreditausfälle und Durchschnittsrendite von 3 Prozent
Gemäss den Studienautorinnen und -Autoren sei der Crowdlending-Markt in den vergangenen Jahren auf eine harte Probe gestellt worden, da auf die Pandemie wirtschaftliche Unsicherheiten und ein rascher Anstieg des Zinsniveaus folgten. Der Report zeichnet dennoch ein positives Bild: "Trotz vereinzelter Kreditausfälle erzielten die Anleger in den vergangenen acht Jahren nach Abzug von Verlusten und Kosten durchschnittliche Renditen von 3 Prozent. Für Anleger bleibt eine breite Diversifikation weiterhin entscheidend, um Verluste zu minimieren."
Die Studienverantwortlichen sehen institutionelle Anleger als die zentralen Player für das künftige Marktwachstum, da sie in der Lage sind, zu einem Zeitpunkt jeweils umfangreichere Investitionen vergeben zu können als private Anleger. Institutionelle Anleger sind, mit Ausnahme des Crowdlending-Segments, in zwei der drei Segmenten die einzigen Kredit-Geber. Die Autorinnen und Autoren sehen ein weiteres Wachstum des Marktes – sowohl im Umfang als auch bezüglich Anzahl der Transaktionen – als ausschlaggebend, um weitere institutionelle Anleger anziehen zu können.
Dieser Bericht ist zuerst auf "startupticker.ch" erschienen.