"Der Umgang mit Daten im Spital ist ein ethisches Minenfeld"
Es ist nicht nur wegen Corona eine spannende Zeit, IT-Manager im Gesundheitswesen zu sein. Hirslanden-CIO Charl Goosen verrät im Interview, welche Herausforderungen sein Job mit sich bringt – und warum ein Patient schnell mal 1 Terabyte an Daten generiert.
Sie sind seit April 2019 CIO der Hirslanden-Gruppe. Welche Projekte haben Sie seither lanciert?
Charl Goosen: Die IT ist bei Hirslanden in eine funktionale Organisationsstruktur eingebettet. Alle neuen IT-Projekte müssen immer im Einklang mit der Gruppenstrategie sein. Seit ich das Steuer übernommen habe, liegt der Fokus der IT darauf, unsere digitale Transformation und die Standardisierung sowie Integration der Legacy-IT und des Backoffice voranzutreiben. Wichtig ist dabei das Projekt HIT2020, mit dem wir alle Hirslanden-Kliniken in ein Standard-Organisationsmodell integrieren.
Gibt es aktuell auch ein IT-Projekt, von dem die Kunden direkt profitieren?
Die Präzisionsmedizin wird neue Möglichkeiten für individuelle Behandlungsstrategien und Therapien ermöglichen. Wir werden dafür in der Schweiz eine neue Lösung lancieren, höchstwahrscheinlich im März oder April 2021. Dabei müssen wir aber besonders vorsichtig sein. Will ein Kunde zum Beispiel wirklich wissen, ob er im Verlaufe seines Lebens eine Erbkrankheit bekommen wird oder nicht? Die Präzisionsmedizin basiert auf persönlichen medizinischen Daten, es ist höchste Vorsicht geboten.
Hirslanden wird für ein solches Angebot enorm viele Daten brauchen …
… ja, rund 1 Terabyte pro Behandlungsfall. Aber je mehr Daten wir analysieren können, desto besser. Wie wir mit diesen Daten umgehen, ist entscheidend für die Akzeptanz einer solchen Lösung. Das ist ethisch eine Herausforderung, viele Fragen müssen erst noch geklärt werden.
Wo sehen Sie das grösste Potenzial für die Nutzung von Daten bei Hirslanden?
Unsere datenanalytische Strategie wird von einer internationalen Gruppenperspektive getrieben. Medizinische Vorhersagemodelle haben aber sicher ein grosses Potenzial. Wir haben dies intern beim Thema Covid-19 in der Vorhersage des Peaks der ersten Welle und der Vorhersage einer möglichen zweiten Welle gesehen. Es gibt uns Hinweise darauf, wie wir in den Kliniken am besten mit dem Coronavirus umgehen können.
Entscheidend ist auch die Qualität der Daten. Ist diese in der Hirslanden-Gruppe überall gleich hoch?
Wir sind daran, die Erfassung der Daten mit unserem HIT2020-Projekt über die ganze Gruppe hinweg zu standardisieren. Die Datenqualität ist gut, es gibt aber zwei Knackpunkte: Die Legacy-IT erschwert die Integration von neuen Spitälern, und ein grosser Teil der Daten in den Spitälern ist unstrukturiert. Es ist eine grosse Herausforderung, diese Daten sinnvoll zu strukturieren. Viele sind zum Beispiel in PDFs versteckt, die standardisiert werden müssen.
Wie können Sie dieses Problem lösen?
Ein einheitliches elektronisches Patientendossier wird uns dabei helfen. Wir wollen es Ende 2022 komplett implementieren, aber das ist schwierig vorauszusagen bei der aktuellen Corona-Situation. Aktuell gibt es in unserer Legacy-IT vier oder fünf Systeme, die Funktionen des EPDs abdecken. Was die PDFs betrifft, untersuchen wir verschiedene Technologien, unter anderem von Google. Um unsere Umwelt weiter zu konsolidieren und zu strukturieren, ziehen wir in Betracht, die Cloud-Technologie zu nutzen - das ist ein weiteres grosses Thema in unserer IT-Strategie.