Mehr E-Government – aber mehr kosten darf es nicht
Fast die Hälfte der Schweizer Bevölkerung ist zufrieden mit digitalen Behördendienstleistungen. Viele wünschen sich einen proaktiven Ausbau, wollen dafür aber nicht zur Kasse gebeten werden. Das Vertrauen in private Dienstleister im Auftrag der Behörden hat zugenommen.
Das Angebot im Bereich E-Government in der Schweiz ist zufriedenstellend. Dieser Meinung sind zumindest 48 Prozent der über 1000 volljährigen Personen, die Deloitte Schweiz im Februar dieses Jahres befragte. Die 48 Prozent finden demnach, E-Gov-Dienstleistungen stünden im gewünschten Ausmass zur Verfügung.
Mehr Befragte – 65 Prozent von ihnen – halten es dagegen für wichtig, sämtliche Dienstleistungen und Behördengänge online abwickeln zu können. Und 58 Prozent der Befragten sprechen sich für eine proaktive Nutzung digitaler Möglichkeiten aus – zum Beispiel die automatische Erneuerung der Identitätskarte, wie Deloitte Schweiz verdeutlicht.
Gemeinden im Rückstand
Unter Mitarbeitenden der Verwaltung ist klar: Beim E-Government besteht Luft nach oben. Immerhin 43 Prozent der 239 befragten Verwaltungsmitarbeitenden sagen aus, dass ihre Stelle Dienstleistungen digital anbietet; auf Gemeindeebene sind es allerdings nur rund ein Drittel (34 Prozent). Und auch in weiteren Resultaten zeigt sich der Rückstand der Gemeinden im Vergleich zur restlichen Verwaltung: So geben über alle Verwaltungseinheiten hinweg 55 Prozent der Befragten an, datenschutzrechtliche Vorgaben konsequent umzusetzen – auf Gemeindeebene sind es lediglich 29 Prozent. Und 47 Prozent aller Verwaltungsangestellten geben an, dass sie umfassend zum Thema Datenschutz geschult werden – auf Gemeindeebene sind es allerdings nur ein Drittel (33 Prozent).
"Die Bevölkerung ist bereit für den digitalen Wandel, doch die Verwaltung bleibt noch hinter den Erwartungen zurück", kommentiert Rolf Brügger, designierter Leiter Regierung und Öffentlicher Sektor bei Deloitte Schweiz. "Es ist nun an der Zeit, die Bedürfnisse aller Bürgerinnen und Bürger stärker zu berücksichtigen und bei der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen einen kundenzentrierteren Ansatz zu verfolgen. Die Verwaltung hat Aufholbedarf und sollte digitale Lösungen konsequent anbieten."
Keine zusätzlichen Gebühren
Trotz dem offensichtlichen Wunsch nach mehr digitalen Angeboten, lehnt die Bevölkerung laut der Umfrage mehrheitlich Steuererhöhungen, finanzielle Umlagerungen oder zusätzliche Gebühren für E-Government-Dienstleistungen ab. Zwei Drittel (65 Prozent) der Befragten sind nicht bereit, in den nächsten fünf bis zehn Jahren höhere Steuern für die digitale Transformation der Behörden zu bezahlen. Und nur gut ein Drittel (36 Prozent) findet, dass Bund, Kantone und Gemeinden Steuergelder von anderen Staatsaufgaben in die digitale Transformation umleiten sollten. Gerade mal 16 Prozent der Befragten wären bereit, für digitale Dienstleistungen mehr zu zahlen.
Es scheine nicht wirklich klar zu sein, dass die Digitalisierung zunächst Kosten verursache und der technologische Wandel Investitionen bedinge, kommentiert Deloitte in der Mitteilung. Erst mit der Zeit könnten Effizienzgewinne und Einsparungen erzielt werden, und die Zufriedenheit der Kundschaft steige. Rolf Brügger bringt die Politik ins Spiel: "Um die Digitalisierung zielgerichtet und wirksam zu gestalten, muss sich die Verwaltung innerhalb der föderalen Ebenen sowie über diese hinaus zusammenschliessen. Die Vorhaben müssen gemeinsam finanziert und vorangetrieben werden. Wenn Silos konsequent überwunden werden und Verwaltungseinheiten sich übergreifend mit einem konsequenten Fokus auf die Bevölkerung organisieren, kann mit vorhandenen Mitteln zusätzliches und bisher unausgeschöpftes Potenzial freigesetzt werden."
Mehr Vertrauen in Private
Die Mehrheit der Bevölkerung vertraut der Verwaltung, wie die Umfrage zeigt: 52 Prozent aller Befragten glauben, dass ihre Daten bei der öffentlichen Verwaltung gut aufgehoben sind. Die stärksten Befürworterinnen und Befürworter sind in den jüngeren Altersgruppen zu finden. Bei der Frage nach der Sicherheit und Krisenfestigkeit der Behörden-IT ist das Vertrauen geringer: Nur 41 Prozent aller Befragten stimmen hier zu; je höher ihr Bildungsniveau ist, desto kritischer fällt die Antwort aus.
Die letzte E-Gov-Umfrage führte Deloitte Ende 2021 durch. Damals sprachen sich mehr als 80 Prozent dafür aus, dass die öffentliche Hand E-Gov-Dienstleistungen erbringen sollte. Die Skepsis privater Dienstleister gegenüber ist jetzt aber etwas zurückgegangen. Demnach zeigten sich 31,4 Prozent der Befragten bereit, digitale Dienstleistungen von privaten Unternehmen zu nutzen. Besonders unter 30-jährige und Personen, die in der Privatwirtschaft tätig sind, zeigten sich zustimmend, während Verwaltungsangestellte am Unschlüssigsten sind. Die grösste Ablehnung finde sich bei 65-Jährigen und den nicht Erwerbstätigen, schreibt Deloitte. Einen Meinungsumschwung unter den Ablehnern könnte sich weiter erzielen lassen, wenn mit niedrigeren Kosten (1. Rang), höherer Fachkompetenz (2. Rang) oder einer besseren Sicherheitsgarantie (3. Rang) bei privaten Unternehmen zu rechnen wäre.
"Unsere aktuellen Ergebnisse deuten auf ein reduziertes Misstrauen gegenüber privaten Unternehmen hin und könnten ein Zeichen für einen Paradigmenwechsel in der Bevölkerung sein", sagt Brügger dazu. Und Deloitte-Schweiz-CEO Reto Savoia kommentiert: "Eine leistungsfähige, stark digitalisierte Verwaltung ist entscheidend, um im internationalen Standortwettbewerb weiterhin ganz vorne mitzuspielen und die Innovationskraft der Schweiz maximal einsetzen zu können. Der offensichtlich ungelösten Finanzierungsfrage kommt dabei hohe Wichtigkeit zu, wobei ich überzeugt bin, dass eine enge Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Privatunternehmen den Wandel ermöglichen und die nötige Akzeptanz gewinnen wird."
Übrigens: Ende Juni ging in Bern das diesjährige Swiss E-Government Forum über die Bühne. Am ersten Tag drehte sich alles um den digitalen Föderalismus und darum, welche Herausforderungen es zu meistern gilt, aber auch, welche Möglichkeiten sich ergeben. Hier geht’s zum Eventbericht.