Warum die Axt die Höhlenmalerei schlägt – und was das mit Software zu tun hat
Niemand wäre bereit, mit uralter Hardware zu arbeiten. In vielen Schweizer Unternehmen ist aber noch Software im Einsatz, die teilweise mehr als zehn Jahre auf dem Buckel hat. Diese Kolumne zeigt, weshalb das stammesgeschichtlich erklärbar ist und wie man in der Neuzeit produktiv mit Software umgeht.
Vor ein paar Tagen habe ich meinen Geschäfts-Laptop von Windows 7 auf Windows 10 und von Office 2010 auf Office 365 migriert. Windows 7 hatte am 22. Juli 2009 das Licht der Welt (Release to Manufacturing) erblickt. Die Entwicklung von Office 2010 startete 2006 und wurde am 15. April 2010 lanciert. Die softwareseitigen Arbeitsinstrumente, mit denen ich als Wissensarbeiter bis dato einen wichtigen Teil meiner Aufgaben zu erledigen hatte, waren also bereits knapp acht Jahre alt.
Nun stelle man sich einmal vor, jemand müsste mit achtjähriger Hardware seinen Job verrichten. Das wäre dann in Sachen Laptop etwa ein 13-Zoll-Gerät mit Core i3 CPU und 4 GB RAM; auf Mobiltelefonseite beispielsweise ein iPhone 4 mit 960 x 640 Pixeln Bildschirmauflösung oder ein Blackberry-Style-9670-Aufklapphandy mit Screendiagonale in Post-it-Zettelgrösse – und wäre völlig undenkbar.
Vertraute Hardware, abstrakte Software
Doch genau diese Ungleichbehandlung von Software und Hardware scheint mir typisch menschlich zu sein. Denn in der Stammesgeschichte des Homo Sapiens spielten während der ersten 99 Prozent seiner 200 000-jährigen Entwicklung physische Assets – von der Steinaxt bis zum Bronzedolch – eine deutlich grössere Rolle als abstrakte Konzepte – wie Höhlenmalereien, Literatur und letztlich auch Software.
So wird eine Mehrheit der Fahrzeuglenker beim Einsteigen in ein fremdes Automobil mit grosser Selbstverständlichkeit erstmalig die Position des Fahrersitzes und des Sicherheitsgurts anpassen. Während nur eine Minderheit aller Benutzer von den zahlreichen Customizing-Möglichkeiten ihrer Lieblingssoftware Gebrauch macht.
Die Dreifaltigkeit der Software-Produktivität
Der produktive Umgang mit Software liegt uns Menschen also nicht in den Genen, kann aber problemlos erlernt werden. Ich empfehle folgende drei Übungsfelder:
Konfigurieren: Wer für häufige Tätigkeiten Favoriten anlegt, persönliche Templates (z. B. mit der eigenen digitalen Visitenkarte und der präferierten Kapitelgliederung) als Arbeitsvorlagen hinterlegt und die Benutzeroberfläche nach den eigenen Präferenzen konfiguriert (z. B. in der Quick Access Toolbar in Microsofts Office-Programmen) spart viel Zeit.
Automatisieren: Wer die wichtigsten Produktivitäts-Features kennt, kann viele manuelle Tätigkeiten automatisieren, angefangen beim symmetrischen Ausrichten von Objekten in einem Powerpoint-Chart (Align/Distribute Horizontally) bis zur automatischen Durchführung wiederkehrender Vorgänge in Photoshop mit aufgezeichneten Aktionen.
Tastaturisieren: Tastaturkürzel (Ctrl-C) sind schneller als Mausbewegungen (Rechtsklick/Copy), insbesondere wenn sie wie Copy-Paste Dutzende Male pro Tag ausgeführt werden. Das Gedächtnis ist hier die Limite: Ich habe schon hocheffiziente Softwareentwickler kennengelernt, deren Mäuse des seltenen Gebrauchs wegen bereits eine Staubschicht angesetzt hatten.
Und das Beste zum Schluss: Diese Software-Produktivitäts-Empfehlungen eignen sich auch hervorragend für das Assessment von Stellenbewerbern. Ein Kandidat, der im CV den Text mit mehreren Tabulatorschlägen von links einrückt, anstatt am richtigen Ort die Tabulatormarke zu setzen, verringert jedenfalls bei mir seine Chancen auf eine Anstellung signifikant.