Wild Card von Rino Borini

Bitcoin & Wallstreet – wie Tinder: erst wegwischen, dann ein Match

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Die Beziehung zwischen Bitcoin und der Wallstreet gleicht einer modernen Tinder-Geschichte: Anfangs wurde Bitcoin von den Finanzgiganten der Wallstreet ignoriert, ja sogar «weggeswiped». Doch im Jahr 2024 scheint es, als hätten beide Seiten nach langem Zögern endlich ein Match gefunden.

(Source: Ezio Gutzemberg - stock.adobe.com)
(Source: Ezio Gutzemberg - stock.adobe.com)

Bitcoin, im Januar 2009 als digitales Experiment gestartet, wird nun zum festen Bestandteil der globalen Finanzlandschaft. Mit der Einführung der Bitcoin Spot ETFs am 10. Januar 2024 an der Wallstreet wurde ein Zeichen gesetzt. Ist das der Anfang einer grossen Liebesgeschichte zwischen diesen beiden scheinbar gegensätzlichen Welten?

Die initiale Skepsis der US-Börsenaufsicht SEC und der Wallstreet verwandelte sich in ernsthaftes Interesse, als im Juni 2023 Blackrock einen Antrag für einen Bitcoin ETF stellte. Larry Fink, Gründer und CEO von Blackrock, vollzog einen bemerkenswerten Wandel: vom Kritiker zum Befürworter von Bitcoin, das er als «digitales Gold» bezeichnete. Dieser Kurswechsel war ein Weckruf für die Finanzwelt. Plötzlich reihten sich zahlreiche Anbieter, darunter diverse traditionelle Asset Manager, in die Warteschlange für Bitcoin Spot ETFs ein. Der intensive Wettbewerb manifestierte sich gegen Schluss der Antragsfrist in einem Rennen um die niedrigsten Gebühren: Der Bitcoin ETF von Blackrock/iShares kostet gerade mal 0,21 Prozent pro Jahr. Im Vergleich: Ein ETF auf den SMI-Index, also ein börsengehandelter Indexfonds, der die 20 grössten Schweizer Unternehmen abdeckt, kostet bei iShares 0,35 Prozent.

«You are still part of the system»

Die elf ETFs erleichtern den Zugang zum Bitcoin-Markt und öffnen institutionellen Investoren die Tür zu dieser Anlageklasse. Sie profitieren von einem regulierten Umfeld. Jedoch birgt diese Entwicklung auch Risiken. Es besteht die Gefahr, dass Bitcoin zu einem reinen Spekulations- und Anlageobjekt degradiert wird und die essenzielle Philosophie – «not your keys, not your coins» – in den Hintergrund tritt. Ein ETF-Investment bedeutet letztlich, Teil des Systems zu bleiben, das man eigentlich umgehen möchte.

Darüber hinaus könnte der wichtige Zweck von Bitcoin übersehen werden. Seit 2009 funktioniert Bitcoin als digitales, grenzüberschreitendes, dezentrales Geldsystem ohne zentrale Instanzen. Es bietet eine berechenbare und stabile Alternative zum traditionellen Finanzsystem, das von unkontrollierter Geldschöpfung und wachsenden Schuldenbergen geprägt ist. Diese Schuldenlast, die 2023 einen Rekord von fast 310 Billionen Dollar erreichte, lenkt finanzielle Ressourcen von wesentlichen Bereichen wie Bildung, Klimaschutz und Infrastruktur ab. Ein alarmierendes Beispiel sind die USA, die im dritten Quartal 2023 fast eine Billion Dollar nur für Zinszahlungen aufbringen mussten. 

Ein erfolgreicher Match?

Ein weiterer nicht zu unterschätzender Aspekt ist die globale finanzielle Inklusion. Ein Fünftel der Weltbevölkerung ist vom traditionellen Bankensystem ausgeschlossen, und Milliarden Menschen leben unter korrupten oder diktatorischen Regimen. Kann Bitcoin hier eine Schlüsselrolle einnehmen oder zumindest Teil einer Lösung sein?
Die Anerkennung von Bitcoin durch die Wallstreet könnte also weit mehr als nur ein Swipe nach rechts sein. Bitcoin steht für finanzielle Selbstbestimmung und Innovation – ein mächtiges Instrument, das unser Verständnis von Geld verändern könnte. Wir stehen vielleicht am Anfang einer Partnerschaft, die, wie bei einem erfolgreichen Match auf Tinder, nicht nur überrascht, sondern auch Bestand hat.

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