Cognitive Computing: Zwischen Hype und Marktchance
Bei ihm kommen selbst abgebrühte IBM-Manager ins Schwärmen: Das Cognitive Computing System Watson war einer der Stars an IBMs Hausmesse Impact. Noch hadert IBM mit dessen Monetarisierung, doch es gibt vielversprechende Ansätze.
IBMs Watson ist derzeit wieder im Gespräch: Egal ob im Interview mit der News-Plattform Watson.ch oder an der jüngsten Ausgabe der Impact. Es war eines der Top-Themen an IBMs Hausmesse. Selbst die älteren von IBMs Managern, von denen man annehmen könnte, sie hätten schon ziemlich alles gesehen in der IT, schwärmten von Watson und der damit verbundenen Technik des Cognitive Computing fast schon wie Kinder unter dem Weihnachtsbaum.
"Hi, I'm IBM Watson!"
Watson bildet für IBM die nächste Phase der Analytik und Auswertung von Daten wie sie von Mobile Devices, dem Internet der Dinge und anderen Bereichen erzeugt werden. Mit Watson soll nun endlich die Tür zum Cognitive Computing aufgestossen werden. Hierfür setzt IBM auch auf die Entwickler-Community. Im Rahmen eines Wettbewerbs, der im Februar gestartet wurde, wurden 40 Apps eingereicht, die Watson nutzen. 25 von ihnen haben es nun in die Halbfinals geschafft. Im Juni werden im Rahmen einer eigenen Watson-Konferenz die Sieger gekürt, kündigte Robert Le Blanc an.
Für den Leiter des Bereichs Software und Cloud wird Cognitive Computing das Business transformieren. Mit seiner Begeisterung für Watson steckte Le Blanc das Publikum an. Um in der anschliessenden Pressekonferenz die Begeisterung wieder zu dämpfen. Cognitive Computing sei eine Technik, die während der nächsten Jahrzehnte entwickelt werde. Entsprechend könne er auch das mögliche Marktpotenzial derzeit nur schwer einschätzen, wie er auf Nachfrage erklärte.
Watson von heute siebenmal stärker als Ur-Ahne
Watson gewann vor einigen Jahren die Gameshow Jeopardy. Die Spieleshow sei eine Party für IBM gewesen, um seinen Erfolg in der Forschung zu feiern, sagte Rhodin und fügte an: "Mit Watson haben wir gezeigt, dass es möglich ist, reaktive Maschinen zu bauen." Seither entwickelte IBM das System immer weiter. Die heutige, kommerzielle, Variante leiste siebenmal mehr. Er glaubt sogar, dass IBM mit Watson die Erforschung für künstliche Intelligenz wiederbelebt hat. IBM setzt hierbei wie etwa HP auf Predictive Analytics oder eben Cognitive Computing, wie es der Hersteller selbst nennt. Hinzu kommt die menschenähnliche Interaktion des Systems mit dem Anwender.
Das heisst, ein Nutzer kann einer Maschine eine Frage stellen und die Maschine erkennt die akustische Information, ähnlich wie Siri. Auch antwortet das Cognitive System auf eine ähnliche Weise, wie es ein Mensch tun würde. Im Fall von IBMs Watson kann die Maschine sogar den Kontext der Frage einigermassen einordnen. Fragt ein Koch Watson nach einem Rezept, schlägt Watson dem Koch zusätzlich weitere Zutaten oder Beilagen vor, die sich geschmacklich gut ergänzen, wie Rhodin erklärte.
Hierzu wertet Watson im Hintergrund Informationen aus Datenbanken genauso aus, wie aus unstrukturierten Datenquellen wie etwa Social Media. Die Informationen werden ausgewertet, statistisch aufbereitet und dem Nutzer etwa in der Reihenfolge der sinnvollsten Möglichkeiten vorgesagt. Zusätzlich können die Informationen auch grafisch aufbereitet werden. Auf diese Weise erhält der Anwender zusätzlich zur akustischen Antwort auch eine visualierte Zusatzinformation, Kontext eben.
Cognitive Computing ist noch ein Markt der grünen Wiese
Doch was damit anfangen? Laut Rhodin sucht IBM derzeit nach Märkten für sein System. Der Markt für Cognitive Computing ist gemäss Rhodin noch eine grüne Wiese. Neben Wettbewerben investiert IBM selbst in das Geschäft und gründete hierfür nach eigenen Angaben 12 Start-ups. Ausserdem beschäftigt sich eine eigene Software-Abteilung innerhalb von IBMs Software-Gruppe mit der Software von Watson, dem eigentlichen Kern des Systems.
Im vergangenen Jahr hatte IBM zudem angekündigt, ein Partner-System für Watson aufbauen zu wollen. Anfang dieses Jahres hatte IBM zudem drei Services angekündigt, Discovery Advisor, für industrielle Anwender mit Forschung und Entwicklung, Analytics, für die Aufbereitung von Big Data, und Explorer, für die Auswertung von Daten.
Watson und Ema
Momentan konzentriert sich IBM auf den Gesundheitssektor. Derzeit wird Watson etwa in US-Spitälern eingesetzt und hilft Ärzten bei der Diagnose von Patienten. Nennt ein Arzt verschiedene Symptome eines Patienten, kann Watson mögliche Krankheitsbilder erkennen, aufgelistet nach der berechneten Wahrscheinlichkeit. Die dafür benötigte Datenbank kann mit wissenschaftlichen Publikationen ergänzt werden.
Dadurch sammelt Watson weiteres Wissen. Um dieses auch anzuwenden, also denken zu können, fehlen auch die nötigen Algorithmen. IBM arbeitet seit den 1980er Jahren an kognitiven Systemen, wie etwa neuronale Netzwerke, Systeme, die Daten wie Nervenzellen im Gehirn verarbeiten um daraus Schlüsse zu ziehen.
Was sich heute in der Realität bereits machen lässt, erklärten die Entwickler der elektronischen medizinischen Assistentin, kurz: Ema. Das Electronic Medical Record System (EMR) bietet Medizinern eine Software-Anwendung für PCs oder Tablets. Im Zentrum der Bedienoberfläche blickt ein 3D-Modell eines Menschen den Arzt an. Dieser kann wiederum mithilfe des Modells Diagnosen für einen echten Patienten stellen. Hierbei hilft ihm eine Datenbank, aus der Ema ihre Daten bezieht.
Diese werden permanent mit wissenschaftlichen Arbeiten und Richtlinien zu verschiedenen medizinischen Fragestellungen angereichert. Systeme von Watson sorgen im Hintergrund für die Aufbereitung der Informationen und geben Tipps für die Diagnose und Therapie. Unterstützt wird Ema derzeit etwa von rund 3000 Hautärzten, die mit Ema in den USA bereits arbeiten, was laut den "Eltern" von Ema einem Viertel aller Hautärzte der USA entspricht. Und je mehr Ärzte Ema nutzen, desto grösser werden die Datensätze und in Folge auch die therapeutischen Möglichkeiten. Es sei eine spannende Zeit für IT for Health, betonten die Entwickler während ihrer Präsentation.