"Wir versprechen nichts"
Der Markt für Colocation durchläuft eine Konsolidierungsphase. Dennoch plant die SAK ein RZ-Projekt für die Ostschweiz. Lukas Mäder, stv. Vorsitzender der Geschäftsleitung, erklärt im Interview, weshalb das Projekt gelingen könnte.
Die St.Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke (SAK) planen mit der Unternehmensberatung OBT ein Datacenter-Projekt in der Ostschweiz. Geplant sind 900 Quadratmeter Nutzfläche und Infrastruktur für 320 Racks. Branchenexperten räumen dem Projekt gute bis sehr gute Chancen ein. Auf der anderen Seite setzt eine Konsolidierungswelle im Colocation-Geschäft den Markt insgesamt unter Druck. Das Rechenzentrum Ostschweiz wäre auch nicht das erste Datacenter-Projekt, dessen Baugrund von Baggern unberührt bliebe. Mit Deepgreen scheiterte vor wenigen Jahren, in der Goldgräberphase des Schweizer RZ-Booms, ein innovatives RZ-Projekt in der Ostschweiz.
Die SAK sind dennoch überzeugt von ihrem Projekt und das aus mehreren Gründen, wie Lukas Mäder, stv. Vorsitzender der Geschäftsleitung der SAK, erklärt.
Weshalb braucht es in der Ostschweiz ein neues Rechenzentrum?
Lukas Mäder: Auf unsere Frage "Braucht die Ostschweiz ein Rechenzentrum?" haben wir von Gesprächspartnern unter anderem folgende Antworten erhalten: Ein Rechenzentrum Ostschweiz ist positiv für die Wirtschaftsregion, erzeugt das Gefühl von Nähe und sorgt für eine Datenhaltung in der Schweiz. Andere antworteten etwa so: "Lokal ist heutzutage Trumpf, und warum nicht auch diese Leistung aus der Region beziehen?"
Was meinen Sie damit?
Unsere Kunden und Gesprächspartner finden es super, endlich nicht mehr nach Zürich fahren zu müssen, um ein paar Disks zu wechseln, erachten die Ostschweiz als guten Standort im Vierländereck (CH, LIE, A, D) und finden, dass es schon lange ein Rechenzentrum in unserer Region geben sollte. Sie werten es als gute Idee insbesondere für KMUs in Industriebranchen.
Und was ist Ihre Meinung dazu?
Wir selbst erachten ein Rechenzentrum Ostschweiz als logische Folge des sich ausdehnenden Glasfasernetzes in unserem Wirtschaftsraum. Gerade für die hier ansässigen Unternehmen kann ein Angebot von Rechenzentrumsleistungen zu Zeit- und Kostenersparnissen führen. Unternehmerinnen und Unternehmer wollen die eigene Infrastruktur optimal gestalten. Gleichzeitig steht für sie der Gedanke um die Sicherheit der Daten im Zentrum der Lösungsansätze. Hier kann ein Rechenzentrum Ostschweiz zur echten Alternative werden.
Zürich ist zirka 90 Minuten mit dem Auto entfernt. Der Weg für Ihre Kunden ist also nicht so weit. Wie wollen Sie gegen die starke Konkurrenz aus dem Grossraum Zürich bestehen?
Das ist eine gute Frage. Die Antwort darauf liegt allerdings nicht in der Abgrenzung zum Wettbewerb, sondern in der Wertigkeit der eigenen Kundenbeziehungen. Wir wollen die Menschen begeistern. Begeistern können wir nur im ehrlichen Austausch mit den Beteiligten und indem wir die Erwartungen erfüllen und sie immer wieder auch übertreffen. Doch dort stehen wir noch gar nicht. Jetzt geht es erst einmal darum, mit den Interessierten an einem Rechenzentrum Ostschweiz herauszufinden, ob es uns gemeinsam gelingt, eine Basis zu schaffen, von der aus der Weg zum Rechenzentrum Ostschweiz gestartet werden kann.
Das haben bereits andere versucht. Wie sieht Ihr Plan aus, um nicht das nächste Deepgreen zu werden?
Wir besprechen und konkretisieren das Projekt vorab mit möglichen Kundinnen und Kunden, versprechen aber nichts. Wir werden genau dann an eine Realisierung denken, wenn die Ostschweizer Unternehmen genügend konkretes Interesse an diesem Vorhaben zeigen und die ersten Ankermieter feststehen. Tritt dieser Fall ein, dann wird das Rechenzentrum Ostschweiz eines von vielen Infrastrukturprojekten der SAK sein, das wir mit Stolz und Herzblut vorantreiben.
Wer sind die Investoren hinter dem Projekt?
Sofern der Startschuss zum Projekt fällt, wird die St.Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG die hundertprozentige Investorin sein. Sollte ein Rechenzentrum Ostschweiz realisiert werden, rechnen wir mit Projektkosten zwischen 15 und 20 Millionen Franken.
Finden Sie in der Ostschweiz überhaupt genügend IT-Spezialisten für die Betreuung des Rechenzentrums?
In der Wirtschaftsregion St.Gallen arbeiten rund 10'000 Personen in zirka 400 Firmen in der ICT-Branche. St.Gallen ist somit eines der wichtigsten ICT-Zentren der Schweiz. Auch als Lebensraum hat die Region einiges zu bieten. Wir gehen also nicht davon aus, dass die Realisierung des Projekts aufgrund eines Mangels an Spezialisten gefährdet wäre.
Wo genau soll das Rechenzentrum gebaut werden?
Sofern die Evaluation des Marktes positiv ausfällt, kann das Rechenzentrum Ostschweiz in Gais, direkt neben dem bestehenden Unterwerk Gais, gebaut werden. Das Rechenzentrum ist somit aus allen Ostschweizer Gebieten gut erreichbar.
Inwieweit haben Sie das Projekt mit der lokalen Politik und den Bürgern vor Ort abgesprochen?
Das Projekt ist mit der Gemeinde und den Anwohnern in Gais besprochen. Beim Vorstellen des Projekts haben wir eine grosse Akzeptanz gespürt. Jetzt steigt natürlich die Spannung, ob es zur Realisierung kommt.
Wenn es wie gewünscht klappt: Wer wird das Datacenter für Sie planen und wer wird es bauen?
Das steht noch nicht fest.
Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee für dieses Rechenzentrum?
Die SAK baut und betreibt mit SAKnet ein engmaschiges FTTH-Netz in der Ostschweiz. Gleichzeitig verfügen wir über das Wissen, die Erfahrung und die Finanzen, sicher und langfristig Infrastrukturen zu betreiben. Diese Kompetenzen, gepaart mit dem eigenen FTTH-Netz, führten zu unserer Idee eines Rechenzentrums Ostschweiz. Konkreter wurde die Idee durch den Austausch im eigenen Netzwerk und etliche Gespräche unter anderem auch mit unserem Wegbegleiter OBT. Schnell wurde klar, dass die hier ansässigen Unternehmer die eigentlichen Taktgeber für ein solches Vorhaben sind. Deshalb stellen wir zum jetzigen Zeitpunkt die offene Frage, ob es ein Rechenzentrum Ostschweiz braucht.
Und wie lautet die vorläufige Antwort?
Wir sind überwältigt von der Resonanz, die wir in den letzten Wochen erfahren durften und freuen uns auf den persönlichen Austausch mit all den interessierten Menschen.
Gibt es spezielle Konzepte, die das Projekt von anderen abhebt, etwa eine besonders umweltschonende Kühlung?
Die SAK ist bekannt für ihre Weitsicht und Zuverlässigkeit. Entsprechend soll auch das Rechenzentrum Ostschweiz, sofern es realisiert wird, den höchsten Anforderungen an Sicherheit, Energieeffizienz und Ökologie entsprechen. Verschiedene Massnahmen werden dazu beitragen, einen PUE-Wert von unter 1,2 zu erreichen. Dazu gehören der Bau einer eigenen Solaranlage, die Multi-Free-Cooling-Methode, bei der die IT-Räume mit Aussenluft gekühlt werden, und der Einsatz eines neu entwickelten, nicht toxischen Kühlmittels. Das Treibhauspotenzial beziehungsweise das CO2-Äquivalent dieses Kühlmittels beträgt lediglich 0,8. Damit ist es theoretisch umweltfreundlicher als das Atmen. Ökologisch bedeutet diese Art der Kühlung also einen grossen Fortschritt.
Wie hoch wird die Energiedichte sein pro Rack und pro Quadratmeter?
Die Kunden definieren mit ihren Bedürfnissen die Energiedichte. Standardmässig sind Racks mit niedriger Energiedichte bis 2 kW pro Rack bis hin zu hoher Energiedichte bis 8 kW pro Rack geplant. Zusätzlich sind sogenannte White Spaces geplant. Hier reicht die Energiedichte bis zu 2 kW pro Quadratmeter.
Mit welchen Carriern werden Sie kooperieren?
Das Rechenzentrum Ostschweiz wird an das Glasfasernetz der SAK angebunden. SAK ist daher als Carrier gesetzt. Wir bieten aber auch allen anderen Carriern Zugang zum Rechenzentrum Ostschweiz.
Was für Kunden suchen Sie konkret für Ihr Projekt?
Wir wenden uns an regionale und nationale Unternehmen, die ein sicheres, umweltfreundliches und energieeffizientes Datacenter als Erst- oder Zweitstandort suchen. Mit "Fiber to the Rack" werden wir den Bedürfnissen der KMUs in der Region gerecht und bieten ein Produkt für einfaches und kosteneffizientes Outsourcing in das sichere Rechenzentrum Ostschweiz an.
Was ist "Fiber to the Rack" genau?
"Fiber to the Rack" beinhaltet ein IT-Rack im Rechenzentrum Ostschweiz, eine Glasfaseranbindung zum Firmenstandort und einen leistungsstarken Internetanschluss. Das umfassende Angebot aus einer Hand bildet somit eine sichere, einfache und kosteneffiziente Lösung für Daten und Rechner, speziell für KMUs in der Ostschweiz.
Gibt es bereits Ankerkunden?
Derzeit können wir noch keinen Ankerkunden kommunizieren. Unser Foundingpartner OBT unterstützt die aktuell laufenden Aktivitäten zum Rechenzentrum Ostschweiz. Das Unternehmen plant, aus dem Rechenzentrum Ostschweiz Dienste anzubieten und denkt an Dienstleistungen vom Serverhousing über Desaster Recovery bis zu IT-Gesamtlösungen.
Was werden nun Ihre nächsten Schritte sein?
Wir wollen uns mit Interessierten direkt austauschen. Dafür gehen wir gemeinsam mit unserem Foundingpartner OBT auf Roadshow. Am 24. Juni werden wir in St.Gallen, am 29. Juni in Bad Ragaz und am 30. Juni in Wattwil vor Ort sein. Anmelden kann man sich auf der Website Rechenzentrum-Ostschweiz.ch. Dort kann auch unter dem Motto "alles Käse oder prüfenswert" online abgestimmt werden, ob so ein Projekt sinnvoll ist. Den Entscheid für oder gegen die Realisierung des Rechenzentrums Ostschweiz werden wir im September treffen. Sollte genügend Interesse seitens der Ostschweizer Wirtschaft an einem Rechenzentrum bestehen, planen die SAK und OBT die Realisierung des Projekts. 2017 soll der Bau abgeschlossen sein.