Provider Day 2016

Urheberrechtsgesetz und Büpf belasten die IT-Branche

Uhr | Aktualisiert
von David Klier

Am Mittwoch hat der Verband Simsa zur Diskussionsrunde nach Zürich geladen. Das Urheberrechtsgesetz und das Büpf standen auf der Agenda. Der Tenor: Beide Revisionen sind inakzeptabel.

Die Vernehmlassungsphase für das neue Urheberrechtsgesetz ist vorbei. Seit 31. März. Es dürfte aber noch eine Weile dauern, bis es vonseiten des Bundes Neuigkeiten gibt. Zum Ende der Frist gingen über 1300 Vernehmlassungen ein, wie Rolf Auf der Maur am Simsa Provider Day diesen Mittwoch sagte.

Auf der Maur ist Vizepräsident des Verbandes und Partner der Anwaltskanzlei Vischer. Im Zunfthaus zur Saffran im Zürcher Niederdorf referierte er vor etwa 25 Vertretern aus der Branche. Er lobte den Code of Conduct des Verbandes und kritisierte das neue Urheberrechtsgesetz.

Wen betrifft das? Die Provider. Doch wer sind die Provider? Laut Auf der Maur gibt es eigentlich nur zwei Arten. Die Access-Provider und die Hosting-Provider.

Gesetzesentwurf führt neuen Begriff für Provider ein

Die Access-Provider bieten Zugang zum Internet. In der Schweiz gebe es 4 grosse und etwa 400 kleine.

Die Hosting-Provider stellen Speicherplatz für Onlineplattformen bereit. Derzeit gebe es schweizweit etwa 120 solcher Anbieter. Und: Sie sind selbstreguliert unter dem Code of Conduct, wie Auf der Maur betonte.

Mit der Revision des Urheberrechtsgesetzes sei nun ein weiterer Begriff aufgetaucht. "Anbieter abgeleiteter Kommunikationsdienste." Der Begriff entstamme dem Büpf. Laut Auf der Maur ist der Begriff zu schwammig und hat im Urheberrecht nichts zu suchen.

Der schwammige Begriff steht vielleicht sinnbildlich für die ganze Revision des Gesetzes. Denn bei der Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs lief von Anfang an so einiges schief, wenn man Auf der Maur und seinem Nachredner Simon Osterwalder Glauben schenken darf. 

Hosting-Provider waren in der "Agur 12" nicht dabei

Bevor der Gesetzesentwurf zu Papier gebracht wurde, setzte Bundesrätin Simonetta Sommaruga 2012 eine Arbeitsgruppe ein - die "Agur 12". Hosting-Provider seien in dieser Gruppe nicht vertreten gewesen, sagte Auf der Maur im Zunfthaus. "Das hat zu einigen Fehlannahmen geführt."

Die Access-Provider waren aber auch nicht von Anfang an dabei. Erst in der Schlussphase durften sie mitreden. Man kam damals zu einem Kompromiss. Dieser Kompromiss schaffte es aber nicht in den Gesetzesentwurf. Denn als die Arbeit der "Agur 12" beendet war, kam der Bund offenbar auf die Idee, den Entwurf anders zu gestalten als mit der Arbeitsgruppe besprochen.

Etwa bei der Stay-Down-Verpflichtung. Die "Agur 12" einigte sich darauf, dass eine Stay-Down-Verpflichtung nur für Hoster gelten solle, deren Geschäftsmodell eindeutig auf Piraterie ausgerichtet sei.

Simsa könnte Selbstregulierungsorganisation sein

Im Gesetzesentwurf steht aber, dass die Stay-Down-Verpflichtung für alle Hosting-Provider gelten soll, die nicht einer Selbstregulierungsorganisation angeschlossen sind.

Der Simsa-Verband könnte so eine Organisation sein, sagte Auf der Maur. Doch dann kämen auf die Simsa-Mitglieder deutlich höhere Kosten zu. Der Verband sei mit dem heutigen Budget nicht in der Lage, eine derartige Rolle zu übernehmen.

Simon Osterwalder, Geschäftsführer von Suisse Digital, sieht das offenbar ähnlich. Im Zunfthaus sprach er von einem ganz neuen Phänomen, das da nun aufgetaucht sei. "Man reguliert, weil man nicht regulieren will", sagte er.

Er befand die Arbeitgruppe Sommarugas für eine gute Sache. Als Geschäftsführer von Suisse Digital habe er dann auf eine Einladung gewartet. Vergebens. "Die Einladung kam nie", sagte er. "Die Leute, die seit sieben Jahren über das Thema diskutierten, wurden von der Gruppe ausgeschlossen!"

Gesetzesentwurf ist unverständlich formuliert

Osterwalder gab aber nicht so schnell auf. Er fragte bei der Bundesrätin nach. Sommaruga erteilte ihm eine Absage. Leider könne er nicht bei der "Agur 12" dabei sein, soll sie ihm geschrieben haben. Osterwalder bohrte weiter und schaffte es schliesslich als Experte in die Gruppe.

Osterwalder vertritt mit Suisse Digital Access-Provider. Die seien genau wie die Hosting-Provider auf klare gesetzliche Vorgaben angewiesen. "Was das angeht, ist der Gesetzesentwurf kolossal gescheitert", sagte Osterwalder. Man verstehe die Formulierungen zum Teil gar nicht.

Der endgültige Entwurf, der im Dezember 2015 in die Vernehmlassung ging, ist gemäss Osterwalder in den entscheidenden Punkten fernab vom Entwurf der "Agur 12". Das zeige sich auch an der enormen Zahl der eingegangenen Vernehmlassungen. "Ich kann mir nicht vorstellen, wie man die über 1300 Vernehmlassungen sinnvoll bearbeiten soll", sagte er. "Es ist gewichtig Sand im Getriebe."

Selbstregulierung löst das Problem nicht

Simsa lud allerdings nicht nur Gegner ein. Lorenz Haas sprach als Geschäftsführer des Verbands der Schweizer Musiklabel.

Haas kennt und versteht die Urheber. Er war nach eigenen Angaben jahrelang selbst im Musikgeschäft tätig. Und Haas ist wie Auf der Maur und Osterwalder Jurist.

Die Selbstregulierung funktioniere, sagte er gleich zu Beginn seines Referats. Doch man müsse ein grosses Fragezeichen dahintersetzen. Denn die Simsa-Mitglieder, die sich an den Code of Conduct halten, seien kein Problem für die Rechteinhaber. Diejenigen Anbieter, die nicht dabei sind, bereiten die Probleme. Sogenannte One-Click-Hoster etwa.

Haas hatte Beispiele im Gepäck:

  • Cyando, Sitz in Wollerau, betreibt uploaded.net und ist trotz mehrerer laufender Verfahren aktiv.
  • Oboom, Sitz in Hergiswil, laut Handelsregister per Ende Februar 2015 aufgelöst.
  • Cloudzer, Sitz in Herisau, per Januar 2016 aus dem Handelsregister gelöscht.
  • Rapidshare, Sitz in Zug, nicht mehr aktiv, einen Eintrag im Handelsregister gibt es aber noch.

"Das sind Services, die für Produzenten und Künstler sehr grossen Schaden anrichten", sagte Haas. Doch wie funktionieren die Dienste genau? Haas erklärte es am Beispiel von uploaded.net.

Der Inhaber eines Musikstücks lädt selbiges bei Uploaded hoch und generiert einen Downloadlink. Diesen Link listet er auf einer sogenannten "Warezsite".

Wer das Musikstück herunterladen will, gelangt über die Warezsite und den Link zu Uploaded. "Jetzt beginnt die illegale Monetarisierung", sagte Haas. Uploaded bietet einen kostenlosen Download, um den herum "mehr oder weniger passende Werbung" eingeblendet werde.

Piraten verdienen je nach Land 10 Euro pro 1000 Downloads

Alternativ können Nutzer für den Download bezahlen. Ein Teil des Geldes geht an den Uploader. Für 1000 Downloads bekommt er je nach Land und Dateigrösse bis zu 10 Euro.

Die Branche nehme das nicht tatenlos hin, sagte Haas. Pro Jahr würden Cyando etwa vier Millionen Take Down Notices aus Deutschland, Österreich und der Schweiz geschickt.

Cyando reagiere darauf selten in weniger als 48 Stunden. Wenn die Firma die Dateien dann entfernt, dauert es nicht lange und ein neuer Link ist online, wie Haas sagte. Cyando müsse eigentlich sicherstellen, dass der "Re-upload" beanstandeter Dateien nicht so einfach sei. Doch Cyando kennt kein "Stay Down".

Rapidshare musste nach langem Ringen aufgeben

Noch nicht, wie Haas hofft. Denn es gebe auch Fälle, in denen die Urheber erfolgreich waren. Prominentestes Beispiel aus Haas’ Liste ist Rapidshare. Der gleichnamige Dienst der Firma startete im Jahr 2004.

In der Hochphase beschäftigte die Zuger Firma 60 Mitarbeiter und machte über 60 Millionen Franken Umsatz. 2008 schaffte es die Website sogar auf Platz 10 des Alexa-Rankings. Sie gehörte also zu den zehn wichtigsten Websites der Welt.

Doch schon ein Jahr vorher bekam Rapidshare Gegenwind. Ab 2007 kam es laut Haas zu mehreren Prozessen in Deutschland. Die zogen sich bis 2013 hin. Innerhalb von sechs Monaten brach der Dienst dann fast komplett zusammen. Im März 2015 war endgültig Schluss.

Haas fordert Stay-Down-Pflicht

Eine Stay-Down-Verpflichtung könne also funktionieren, sagte Haas. Es brauche sie sogar. Der Code of Conduct sei zwar eine gute Sache. Aber er löse das Problem nicht. Den Anbietern sei es schliesslich selbst überlassen, ob sie sich an die Empfehlungen des Codes halten. Ausserdem seien etwa Cloud-Dienste für das Speichern, Verarbeiten und den Zugriff auf Inhalte für Dritte nicht im Code erfasst.

"Wir wollen eine Verpflichtung für die Schwarzen Schafe, die beim Code of Conduct nicht mitmachen", sagte Haas. Ohne die Revision des Urheberechtsgesetzes seien Schweizer Produktionsfirmen extrem benachteiligt gegenüber Firmen im Ausland.

Das Büpf-Referendum ist noch nicht am Ende

Der Simsa Provider Day 2016 bot abgesehen vom Diskurs über das Urheberrechtsgesetz auch den Gegnern der Büpf-Revision eine Plattform. Das Thema leitete allerdings der Vischer-Anwalt Thomas Steiner ein.

Das bestehende Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, wie das Büpf in voller Länge heisst, sei seit dem 1. Januar 2002 in Kraft. Es definiere den Organisationsablauf von richterlich genehmigten Überwachungsvorgängen, sagte Steiner. Dabei gehe es nicht um nachrichtendienstliche Tätigkeiten.

Das Büpf sei ein Instrument der Strafverfolgung. Und beim Büpf gehe es auch um die Suche von Vermissten.

Bislang fallen nur Telekommunikations- und Internet-Access-Provider unter das Gesetz. Sie müssen im Falle einer genehmigten Überwachung mit den Behörden zusammenarbeiten. Gemäss Steiner gibt es heute aber neue, innovative Kommunikationsmittel, die man mit den gegebenen Möglichkeiten nicht überwachen könne, sagte er und machte Platz für den Swico-Geschäftsführer Jean-Marc Hensch.

Das neue Büpf ist laut Jean-Marc Hensch ein Innovationskiller

Die Unterschriftensammlung für das Referendum läuft schleppend. Noch etwa drei Wochen bleiben dem Referendumskommitee. Und am Montag hatte Juso-Präsident Fabian Molina im Interview mit Blick.ch das Referendum bereits für gescheitert erklärt.

Das schien Hensch auf dem Magen zu liegen. "Das neue Büpf ist ein Innovationskiller", sagte Hensch. Unternehmen, die etwa eine neue Software entwickeln, die in irgendeiner Form über Kommunikationsfähigkeiten verfüge, müssten die Software dem Üpf sechs Monate vor Marktstart melden. Das sei unzumutbar und unrealistisch.

Die Einschleusung von Staatstrojaner in die Produkte von IT-Anbietern berge ausserdem enorme Risiken für die Datensicherheit.

Die Köpfe hinter der Gesetzesrevision wüssten offenbar zu wenig über IT. Das zeige sich auch beim Blick auf die Parteien, die sich für das Referendum stark machen, sagte Hensch. "Der Gap zwischen den Parteien ist nicht zwischen rechts und links, sondern zwischen Jung und Alt." Also zwischen denen, die wüssten, was IT ist und denen, die es nicht wüssten.

Auf Provider kommen "immense" Kosten zu

"Das Büpf behandelt ja nur die ganz schlimmen Delikte, oder?", fragte Hensch und zeigte dem Plenum eine lange Liste der erfassten Delikte, die unter das Büpf fallen. "Es wäre einfacher, aufzuschreiben, was nicht unter das Gesetz fällt", sagte Hensch.

Von all dem abgesehen, seien die Kosten für Provider immens. Sie müssten die nötigen Schnittstellen bereitstellen, damit die Behörden ihre Überwachungen durchführen könnten. Gemäss Artikel 30 im Entwurf des neuen Büpf muss die anordnende Behörde dem "Dienst" zwar eine Gebühr entrichten. Aber erstens setzt der Bundesrat die Höhe dieser Gebühr fest und zweitens würden die Investitionen der Provider niemals durch das Gesetz gedeckt, sagte Hensch.

Hensch forderte die anwesenden Provider auf, das Referendum zu unterstützen. "Wir sind erst bei der Hälfte", sagte er. "Wenn wir diesen Wahnsinn stoppen wollen, brauchen wir Ihre Unterschrift!"

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