Vom Kanton auf die nationale Bühne
Dank «eUmzug ZH» können die Zürcher ihre Umzugsmeldung über das Internet abgeben und sich den Gang auf die Einwohnerkontrolle sparen. Lukas Weibel von der Stabstelle E-Government der Staatskanzlei des Kantons Zürich erklärt, wie damit Pionierarbeit für die ganze Schweiz geleistet wurde.
Warum ist die Meldung eines Umzugs über das Internet sinnvoll?
Lukas Weibel: Jedes Jahr werden den Schweizer Gemeinden etwa 700 000 Umzüge gemeldet. Wer umzieht, musste sich bisher abmelden und am neuen Ort am Schalter wieder anmelden. Vor allem für berufstätige Personen ist das oft umständlich. Hinzu kommt, dass jeder Umzug ein Vielfaches an Mutationsmeldungen etwa an das Steueramt oder an das Militär nach sich zieht. Auch für die Einwohnerkontrollbehörden bedeutet das einen hohen administrativen Aufwand.
Da liegt eine Onlinelösung wirklich nahe.
In der Tat. Die Umzugsmeldung über das Internet wurde von der Bevölkerung in Umfragen besonders häufig als elektronische Behördendienstleistung gewünscht. Der sogenannte «eUmzug» war deshalb seit 2008 im Katalog der priorisierten Vorhaben der Organisation E-Government Schweiz enthalten. Unter der Federführung des Verbands Schweizer Einwohnerdienste (VSED) wurden bis 2013 zunächst ein Fach- und später ein Lösungskonzept erarbeitet. Danach kam das Projekt aber nicht richtig aus den Startlöchern, weil ausser den Kantonen und Gemeinden auch zahlreiche weitere Akteure wie Softwarehersteller mitmachen müssen.
Also hat der Kanton Zürich einfach vorwärtsgemacht?
Die Stabstelle E-Government und das Gemeindeamt griffen die Idee 2014 auf und erstellten eine Machbarkeitsstudie. Für uns war das ein logischer Schritt, denn auch bei den Zürcher Gemeinden stand der elektronische Umzug weit oben auf der Prioritätenliste. 2015 finalisierten wir unser Konzept für eine Pilotanwendung von «eUmzug CH» und nahmen die Realisierung in Angriff. Anfang April 2016 konnten wir «eUmzug ZH» erfolgreich lancieren. Inzwischen haben sich 161 von 168 Zürcher Gemeinden für eine Teilnahme angemeldet, die zusammen über 1,4 Millionen Einwohner des Kantons abdecken. Bis zum heutigen Tag wurden schon mehr als 3000 Umzüge über «eUmzug ZH» gemeldet.
Wie hat der Kanton Zürich das so schnell geschafft?
Ein Faktor war, dass wir mit «ZHservices» bereits über eine etablierte Transaktionsplattform verfügen. Die E-Government-Basisinfrastruktur enthält eine Auswahl von generischen Diensten wie etwa Onlineformulare, Authentisierung, Verschlüsselung, PDF-Generierung, Notifikationen oder seit Neuestem auch eine Online-Bezahlfunktion. Diese modularen Bausteine lassen sich je nach Bedarf für die Entwicklung von neuen Onlinediensten verwenden. So konnten wir uns bei der Entwicklung von «eUmzug ZH» voll und ganz auf den eigentlichen Fachprozess konzentrieren, weil viele wichtige Dienste bereits von «ZHservices» zur Verfügung gestellt und nicht neu entwickelt werden müssen. Das spart Zeit, aber auch Kosten.
Worin bestanden im Projekt die grössten Herausforderungen?
Beim elektronischen Umzug sind sehr viele unterschiedliche Akteure beteiligt. Natürlich müssen die Gemeinden mitmachen. In der Schweiz gibt es aber auch rund 40 Anbieter von Einwohnerkontrollsoftware. Um eine medienbruchfreie Verarbeitung zu ermöglichen, müssen deren Lösungen in der Lage sein, elektronische Umzugsmeldungen zu empfangen, zu verarbeiten und zu verschicken. Ein zentraler Erfolgsfaktor war, dass wir ausser den Gemeinden auch alle Softwarehersteller der Zürcher Gemeinden von Anfang an für das Projekt gewinnen konnten. Wichtig war zudem, dass uns für Konzeption und Entwicklung ein erfahrener Realisierungspartner zur Seite stand.
Wie sind Sie konkret vorgegangen?
Zuerst haben wir alle Datenflüsse eingehend analysiert. Danach wurden in der Zusammenarbeit mit der Fachgruppe Meldewesen des Vereins eCH sämtliche Meldungen standardisiert. Dafür mussten wir alle notwendigen Partner wie Fachspezialisten, Schnittstellenspezialisten sowie auch die Anbieter von Einwohnerkontrollsoftware in das Projekt einbinden. Als Nächstes implementierten wir den sicheren Datentransport über die Datentransportplattform des Bundesamts für Statistik (Sedex), banden alle Partner an die Plattform an und bauten die dafür nötige Sicherheitsinfrastruktur auf. Den Abschluss bildete ein intensiver Testprozess.
Für die beteiligten Softwarehersteller bedeutete das sicher einen grossen Aufwand.
Die Anbieter von Einwohnerkontrollsoftware, die bei «eUmzug ZH» mitmachen, mussten natürlich Investitionen tätigen, um die neue Funktionalität in ihre Produkte zu integrieren. Dafür sind sie jetzt in der Lage, elektronische Umzugsmeldungen nach dem gültigen Standard in der ganzen Schweiz anzubieten und haben einen Marktvorteil.
Und wie geht es jetzt weiter mit dem elektronischen Umzug?
Das langfristige Ziel ist, dass die ganze Schweizer Bevölkerung ihre Umzugsmeldung elektronisch einreichen kann. Und dafür sieht es momentan sehr gut aus. Die Schweizerische Informatikkonferenz (SIK) hat ein strategisches Projekt zum elektronischen Umzug aufgegleist und verschiedene Kantone wie Aargau, Basel Stadt, Thurgau, Luzern und Zug haben sich zu einem Verbund zusammengeschlossen. In diesem Rahmen entsteht jetzt die Verbundslösung «eUmzug CH», die eine Weiterentwicklung unserer kantonalen Lösung darstellt.
Bremst oder begünstigt der Föderalismus in der Schweiz das E-Government?
Das föderalistische System bringt Vorteile und Nachteile mit sich. In unserem Fall war es ein Vorteil. Die Einwohnerregister sind auf der Ebene der Gemeinden angesiedelt. Wenn der Bund als nationale Instanz den elektronischen Umzug durchsetzen will, ist er wahrscheinlich viel zu weit weg von den betroffenen Akteuren. Der Föderalismus bietet aber die Möglichkeit, dass ein Kanton als Pionier vorangeht und das entsprechende Know-how im Alleingang aufbaut. In unserem Fall hat es der Kanton Zürich geschafft, Gemeinden und Softwarehersteller an den Tisch zu holen und zusammen mit weiteren Gremien wie etwa dem Verein eCH die nötige Standardisierung herbeizuführen. Für mich zeigt «eUmzug ZH» deshalb exemplarisch, wie im Föderalismus innovative E-Government-Lösungen entstehen können.