Die Zeit bis zur EPD-Einführung ist knapp bemessen
Am "Swiss eHealth Forum" in Bern drehte sich alles um die Umsetzung des Gesetzes zum elektronischen Patientendossier. Namhafte Referenten zeigten den Stand der Dinge auf. Alle Redner waren sich einig, dass die Zeit für die Umsetzung eng bemessen sei.
Am Donnerstag hat das "Swiss eHealth Forum" der Infosocietydays in Bern begonnen. Die diesjährige Veranstaltung steht unter dem Motto "Das EPDG – eine Auftragsanalyse für die Akteure". Dabei ging es primär um die Umsetzung des Gesetzes zum elektronischen Patientendossier (EPDG). In den Eröffnungsvorträgen am ersten Tag der zweitätigen Veranstaltung wurden die Referenten aber noch nicht konkret. Vielmehr gab es eine Zusammenfassung des Erreichten, einen Blick auf die nächsten Projekte und Werbung für die Vorteile des elektronischen Patientendossiers (EPD). Erst die Podiumsdiskussion erdete das Thema mit vielen Praxisbeispielen.
Den Event eröffnete Stefan Beyeler, CIO des Spitals Emmental und Präsident der Vereinigung Gesundheits-Informatik Schweiz, mit einer kurzen Bildergeschichte. Anhand der Comic-Figur "Max, der E-Health-Elefant" zeigte er, wie kompliziert der Prozess der Einführung des EPDs ist. In seiner Geschichte berichtete er von vielen Elefantentreibern, die möglichst viele andere E-Health-Elefanten in ihre Herde aufnehmen und sie in die von ihnen bevorzugte Richtung treiben wollen. So langsam nähere sich Max, der E-Health-Elefant, aber dem Ziel, das Beyeler als das digitale Gesundheitswesen zusammenfasste. Die Zuhörer waren sehr erheitert von den vielen Metaphern in Beyelers Rede. Viele der Anwesenden erkannten sich in der Geschichte von Beyeler wieder und belohnten den Vortrag mit viel Applaus.
Gesetz bisher eine Erfolgsgeschichte
Ernster wurde es im nächsten Referat von Stefan Spycher. Er ist Leiter des Direktionsbereichs Gesundheitspolitik im Bundesamt für Gesundheit. Für seinen Vortrag wählte er den nach eigenen Angaben etwas provokanten Titel: "Das EPDG tritt bald in Kraft. Und jetzt?" Denn bisher ist das Gesetz noch nicht in Kraft, aber seinen Ausführungen zufolge wird es nicht mehr lange dauern.
Der Weg zum Gesetz sei für ihn ein Paradebeispiel, wie gut die Kantone und die Stakeholder zusammengearbeitet hätten, um zum Ziel zu kommen. "Das EPD ist ein gemeinsames Projekt, bei dem jeder seine Kompetenzen einbringen kann und muss", sagte er.
Dennoch verschwieg er nicht, dass es noch viel zu tun gibt. Anhand einer internationalen Studie zu E-Health zeigte Spycher auf, dass die Schweiz noch viel aufzuholen habe. Vor allem bei der Digitalisierung von Prozessen und auch im Aufbau von Gesundheitskompetenz bei den Bürgern gebe es noch einiges zu tun. Betrachte man aber die föderalen Besonderheiten, so sei die Schweiz doch "gut unterwegs", betonte er. Spycher zeigte sich zutiefst überzeugt, dass der nun eingeschlagene Weg der richtige für die Schweiz sei.
Zunächst Infrastrukturen, dann erst B2B aufbauen
Jürgen Holm machte im Anschluss eine SWOT-Analyse zum EPD. Er ist Professor an der Berner Fachhochschule für Technik und Informatik sowie Leiter des Instituts für Medical Informatics. Kurz zusammengefasst identifizierte er die Stärken des EPD in der politischen Verankerung. Die Schwäche sieht er in der Finanzierung, die Chancen in der Digitalisierung und die Risiken im Persönlichkeitsschutz.
Die Zertifizierung des EPD wird eine der zentralen Herausforderungen sein, wie er sagte. In drei Jahren müssten sich alle Spitäler einer zertifizierten Gemeinschaft anschliessen. Bis die erste zertifiziert sei, sei es aber noch ein weiter Weg. Jetzt gelte es, die Gemeinschaften aufzubauen. Die Hersteller müssten jetzt die Referenzinfrastrukturen aufbauen, damit sie getestet werden könnten.
Zum Schluss gab Holm den Zuhörern noch die Botschaft mit, dass sie sich zunächst mit dem Aufbau der E-Health-Infrastruktur beschäftigen sollten. Die B2B-Prozesse und deren Integration kämen erst an zweiter Stelle. Viele Spitäler konzentrieren sich seinen Erfahrungen nach zunächst auf den B2B-Bereich, ohne diesen in eine E-Health-Strategie zu integrieren. Dies sei der falsche Weg, betonte er.
Logo für zertifizierte Anbieter vorgestellt.
Auch Adrian Schmid, Leiter "eHealth Suisse", betonte die Schwierigkeit der Zertifizierung. Er stellte das offizielle EPD-Logo vor, das in Zukunft zertifizierte Anbieter auszeichnen soll. Noch sei aber unklar, wer die Zertifizierung überhaupt ausstellen werde. Es gebe noch keine Institution dafür, und eventuell werde es auch mehrere geben.
Das Ziel von "eHealth Suisse" sei es, dass bis Mitte 2018 mindestens zwei Stammgemeinschaften zertifiziert seien. Im Prozess der Zertifizierung müssten die Stammgemeinschaften eng begleitet werden. Vor allem viel Organisationsarbeit müsse geleistet werden, sagte Schmid. Dies sei eine Erkenntnis, welche die Schweiz von der Einführung der "elektronischen Gesundheitsakte" (Elga) in Österreich habe gewinnen können.
Lösungen müssen auf Ärzte abgestimmt sein
Den Vormittag krönte ein Podium mit Vertretern von Apotheken, Spitälern, Verwaltung, Patienten und Ärzten. Vor allem vonseiten der Ärzte gab es interessante Einblicke in das EPD. Franz Marty, Facharzt Allgemeinmedizin des Medizinischen Zentrums Gleis D, vertrat die Ärzte am Podium. Er sprang kurzfristig für einen erkrankten Referenten ein.
Marty betonte vor allem die Angst der Ärzte, dass das EPD sie mit noch mehr Technik belasten könnte. Schon heute würde er an einem Arbeitstag mehr als 2400 Mal mit der Maus klicken und dafür jedes Mal ein Eingabefenster suchen müssen. Dies sei sehr anstrengend, und die Komplexität für die Ärzte nehme immer mehr zu. Daher könne er die Ängste der Ärzte gut verstehen und warum sie sich zunächst gegen das EPD stellten.
Überzeugen lassen sie sich seiner Ansicht nach nur mit einfachen, leicht zu bedienenden und in der Nutzerführung auf sie abgestimmte Lösungen. Zudem müssten die Systeme so gestaltet sein, dass die Ärzte gar nicht mitbekämen, dass sie sich im EPD bewegten. Erst dann "komme die Sache zum Fliegen", sagte er. Auch sollte der Mehrwert für die Ärzte leicht ersichtlich sein, dann liessen sie sich auch vom EPD überzeugen.
Knapper Zeitrahmen
Auch Elke Albrecht, CIO der Solothurner Spitäler, betonte die Rolle der Mehrwertdienste. Ihrer Meinung nach sind diese zentral für den Erfolg. Die Solothurner Spitäler wollen sich daher zunächst auf die Mehrwertdienste konzentrieren und sich dann erst einer Stammgemeinschaft anschliessen.
Die grösste Herausforderung sieht sie im knappen Zeitrahmen. "Die Uhr tickt und der Druck nimmt zu", sagte sie. Dabei komme der Druck nicht nur vonseiten des Gesetzes, sondern auch die Leistungserbringer forderten vom Spital zunehmend, ihnen eine Plattform zur Verfügung zu stellen. Mit den Worten: "Je rascher wir uns dem Jahr 2020 nähern, desto grösser wird der Druck werden", brachte sie ihre Einschätzung auf den Punkt.