Swiss Digital Finance Conference 2017

Schweizer Fintech-Firmen setzen auf Ausdauer

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An der Swiss Digital Finance Conference 2017 haben rund 120 Teilnehmer über die Zukunft des Schweizer Finanzplatzes diskutiert. Im Raum standen die Fragen, wie viel Regulierung Digital Finance erträgt, und wie die Schweiz ihre Vorreiterrolle in der Finanzwelt zurückgewinnen kann.

Oliver T. Bussmann, Gründer und Managing Partner von Bussmann Advisory, hat an der Swiss Digital Finance Conference 2017 die Keynote gehalten (Quelle: Netzmedien).
Oliver T. Bussmann, Gründer und Managing Partner von Bussmann Advisory, hat an der Swiss Digital Finance Conference 2017 die Keynote gehalten (Quelle: Netzmedien).

Die Digitalisierung der Bankenwelt scheint an Fahrt aufzunehmen. Die Anzahl Fintech-Unternehmen stieg in der Schweiz auf 197, wie aus einer Marktübersicht von E-Foresight hervorgeht. Banken begreifen Fintech längst nicht mehr nur als Konkurrenz, sondern auch als strategische Chance. Finanzintermediäre könnten in Zukunft mehr Ressourcen für Innovationen aufwenden, indem sie Compliance-Prozesse oder Risikomanagement an Legaltech- und Regtech-Firmen auslagern, die nun auf den Markt drängen.

Die Bewegung am Fintech-Markt täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass sich die digitale Transformation der Finanzbranche noch im Anfangsstadium befindet. Schweizer Fintech-Unternehmen spielen hierzulande wie auch global noch eine marginale Rolle, wie Georges Grivas zu Beginn der fünften Swiss Digital Finance Conference an der Hochschule Luzern sagte. Grivas ist Professor für Digital Business Management und Business Intelligence an der Hochschule.

Investoren hätten im vergangenen Jahr 50 Millionen Franken in Schweizer Fintech-Projekte investiert. Dies seien bloss 0,3 Prozent des globalen Volumens und gegenüber 2015 ein Rückschritt, sagte Grivas. Die Bankenbranche gerate folglich unter Zugzwang und müsse mehr in neue Technologien investieren. Seiner Ansicht nach ist die grösste Herausforderung für den Finanzplatz Schweiz allerdings "nicht die Technologie, sondern die Transformation zu einer digitalen Kultur".

Symbiose statt Konkurrenz

Innovationstreiber wie etwa Crowdfunding und maschinelles Lernen verändern sämtliche Aufgaben einer Bank, vom Zahlungsverkehr über das Kreditwesen bis hin zur Vermögensverwaltung. Von diesen Veränderungen könnten Banken und Fintech-Unternehmen gemeinsam profitieren, erklärte Oliver T. Bussmann, Gründer und Managing Partner von Bussmann Advisory.

Start-ups greifen gemäss Bussmann nie Universalbanken an, sondern höchstens Teilbereiche deren Geschäftsmodelle. Banken würden nach wie vor den Brand und die Kundenschnittstelle verantworten. Sie werden jedoch häufiger Partnerschaften mit Serviceanbietern eingehen und deren digitale Plattformen verwenden. Neue Anbieter werden somit Teil der Wertschöpfungskette. Banken müssten dies frühzeitig erkennen, eine Agenda erarbeiten und Initiativen ergreifen. "Wenn eine Technologie abgeht, muss man in der Lage sein, zu investieren", sagte Bussmann.

Von "Mobile first" zu "AI first"

Mobile Banking werde auch in Zukunft noch eine starke Rolle spielen, sagte Georges Grivas. Er beobachte allerdings eine Verlagerung des Fokus von Mobile zu Artificial Intelligence (AI). Dies sei kein Hype, sondern ein langfristiger Trend.

Als Beispiele für die Anwendung von künstlicher Intelligenz und Big Data für die Finanzbranche nannte Grivas beispielhaft Stimmen- und Texterkennungssoftware, Analytical Banking und Robo Advisors. Im Bereich der virtuellen Realität (VR) erwartet er Anwendungen wie etwa VR-Banking, Virtual Financial Portfolios und Augmented Reality Trading.

Blockchain soll Tranzparenz schaffen

Ein weiteres Trendthema sei nach wie vor die Blockchain-Technologie. Grivas misst ihr eine ähnliche Bedeutung bei, wie dem Internet vor 20 Jahren. In den vergangenen drei Jahren wurden gemäss Oliver Bussmann über 2500 Patente im Zusammenhang mit Blockchain-Technologien angemeldet. Als Anwendungsgebiete für den Finanzsektor nannte er den Handel (Blockchain-based Trading), Compliance und Smart Contracts.

Die Blockchain werde ein wichtiges Instrument, um Vertrauen in den Zahlungsverkehr und in das Vertragswesen zu bringen, erklärte Antoine Verdon, Mitgründer von Legal Technology Switzerland. Mit Smart Contracts werde sich aus rechtlicher Sicht vieles verändern. Für Juristen werde im Fall von Konflikten kaum noch Interpretationsspielraum bestehen. Denn mit Smart Contracts treten die Bedingungen, welche die Vertragspartner im Vorfeld festlegen, automatisch ein. Auf diese Weise werde das Vertragsmanagement transparenter, sagte Verdon.

Auch Luka Müller von MME Legal sprach vom Potenzial der Blockchain. Sie schaffe eine "neue Form von digitalem Eigentum" und ermögliche zudem den sicheren und transparenten Transfer dieses Eigentums. Die Verwaltung von Zugängen zu diesem "Crypto-Eigentum" werde indes zur Krux. Auch eine exakte Definition dieses Eigentums müssten Regulatoren noch liefern. Trotz vieler Unklarheiten konnte Müller seine Zuhörer von den Möglichkeiten neuer Geschäftsmodelle am Sekundärmarkt überzeugen.

Robo Advisors für Banken und Endkunden

Das Potenzial von Robo Advisors in der Vermögensverwaltung wurde unterschiedlich beurteilt. Oliver Bussmann meinte, dass Robo Advisors in Zukunft wichtiger würden und sich Banken durchaus darauf einstellen müssten. Er zeigte jedoch Vorbehalte zu ihrer Verwendung in der Beratung. Das klassische Vermögensverwaltungsgeschäft sei sehr stark auf Kundenvertrauen angewiesen. Robo Advisors müssten in dieser Hinsicht noch einen hohen Aufwand für die Brand-Awareness betreiben und sich Vertrauen erst erarbeiten. Ausserdem könnten Vermögensverwalter aufgrund ihrer Erfahrung Märkte besser abschätzen. Robo Advisors seien daher zumindest heute noch nicht für High-Net-Worth-Individuals geeignet, folgerte Bussmann.

Felix Niederer, Gründer und CEO von Truewealth, relativierte die Einschätzung Bussmanns. Mit seiner Firma bietet er einen Robo Advisor für Banken wie auch für Endkunden an. Laut Niederer erwarten über 86 Prozent der Kunden im Bereich der Vermögensverwaltung auch einen digitalen Banking-Kanal. Robo-Advisor-Kunden seien allerdings wesentlich jünger als der durchschnittliche Wealth-Management-Kunde, der über 60 Jahre alt sei. Die grösste Altersgruppe seiner Firma sie jene der 30- bis 39-Jährigen. Das durchschnittliche Portfolio-Volumen der Kunden von Truewealth sei mit 50'000 Franken zwar wesentlich tiefer als in der traditionellen Vermögensverwaltung. Doch auch High-Net-Worth-Individuals mit einem investierten Vermögen von über einer Million Franken zählen zu seinen Kunden.

Für Bussmann sind die heutigen Robo Advisors noch nicht an den Punkt gelangt, wo sie das klassische Wealth Management ersetzen könnten. Banken sollten jedoch damit rechnen, dass Robo Advisors und ähnliche Technologien in Zukunft eine wichtige Rolle im Banking spielen werden. Die Umsetzung neuer Technologien bedinge allerdings eine klare Gesetzgebung.

Regulation als Standortvorteil

Mit den neuen Regulierungen habe sich das Umfeld für Fintech-Unternehmen verbessert, meinte Bussmann. Er zeigte sich überzeugt, dass sich die europäische Fintech-Landschaft mit der neuen EU-Richtlinie PSD2 verändern werde. Die Richtlinie soll Anfang 2018 in Kraft treten und den Markt für Drittanbieter öffnen, erklärte der Referent. Nun stelle sich die Frage, ob diese Direktive auch in der Schweiz übernommen werde.

Urs Häusler, CEO von Dealmarket und Vorstandsmitglied von Swiss Finance Startups, warb für eine wirtschaftsliberale Gesetzgebung. "Der Schweizer Fintech-Markt wächst nicht wegen, sondern trotz der aktuellen Politik", meinte der Unternehmer. Seiner Prognose zufolge werde der Schweizer Finanzsektor in den nächsten 15 Jahren von anderen Finanzplätzen überholt. Er gab zu bedenken, dass Talente ins Ausland abwandern könnten, sofern die Politik nicht noch die Stellschrauben drehe.

Auf dem Weg zum digitalen Finanzplatz

Das Fintech-Modell soll laut Häusler keine Sonderfallregulation sein, sondern den Weg in Richtung eines digitalen Finanzplatzes weisen. Zu diesem Zweck nannte er vier Punkte, um den Schweizer Finanzplatz und insbesondere hiesige Fintech-Unternehmen zu fördern.

Die Regulierung der Fintech-Branche müsse erstens innovationsfreundlich sein. Zweitens sollten Steuergesetze der neuen Industrie angepasst werden und nicht umgekehrt. Drittens forderte Häusler ein offizielles Commitment vonseiten der Bundesregierung und der Kantone. Schliesslich trat er für einen kulturellen Wandel ein. Statt Schwächen zu therapieren, brauche es eine "Culture of Failure", die Kreativität und unternehmerisches Handeln fördern soll.

Häusler gab auch Empfehlungen an Politiker ab. Sie sollten etwa an wichtigen Start-up-Veranstaltungen teilnehmen und Start-ups in politische Prozesse einbinden. Er forderte Politiker auch dazu auf, administrative Hürden wie etwa die Arbeitszeiterfassung aufzuheben und durch flexiblere Regelungen zu ersetzen.

Heutiges Bankengesetz bremst Fintech

In puncto Rahmenbedingungen belegte die Schweiz im vergangenen Jahr den fünften Platz hinter Singapur, Amsterdam, New York und San Francisco, wie aus einer Studie der Luzerner Fachhochschule hervorgeht. Mit den neuen regulatorischen Vorgaben sei die Schweiz auf Platz zwei vorgerückt, wie Martin Godel sagte. Godel ist stellvertretender Leiter Standortförderung und Leiter KMU-Politik des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco. Er präsentierte die Vernehmlassungsvorlage des Bundesrats zur neuen Fintech-Regulierung. Er zeigte sich überzeugt, dass die Revision die Markteintrittshürden für Fintech-Unternehmen verringere und die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes stärke.

Das heutige Bankengesetz sei eine Markteintrittsbarriere für Fintech-Firmen, erklärte Godel. "In der Schweiz brauchen sie sofort eine Banklizenz", gab er zu verstehen. Die Vorschläge des Bundesrats sollen diese Hürden beseitigen.

Neue Regeln sollen Investitionen fördern

Der Bankengesetzgebung und der Finma sollen in Zukunft nur noch jene Finanzintermediäre unterstehen, die Gelder länger als 60 Tage halten, statt wie bis heute nur sieben Tage. Auch die sogenannte 20er-Regel solle wegfallen. Diese besagt, dass Finanzintermediäre, die Gelder von mehr als 20 Personen halten, eine Banklizenz benötigen. Stattdessen sollen Fintech-Firmen, die eine Summe von unter einer Million halten, keine Bankenlizenz mehr benötigen. Schliesslich will der Bundesrat eine Fintech-Lizenz einführen. Diese funktioniere de facto wie eine "Banklizenz light". Im Gegensatz zu anderen Ländern soll die Fintech-Lizenz nicht auf bestimmte Geschäftsmodelle zugeschnitten sein. Sie soll technologieneutral, offen für alle Marktteilnehmer sein und eine unbegrenzte Dauer aufweisen.

Laut Godel stellt die neue Regulierung einen Standortvorteil für die Schweiz dar. "Wir wollen Start-ups fördern und nicht behindern", erklärte Godel. Die Vernehmlassung findet am 8. Mai statt. Die Schwellenwerte werden dann noch diskutiert, sagte Godel.

Die Schweiz stellt sich auf einen Marathon ein

Die Schweiz habe die politische Debatte um Fintech verschlafen, sagte Urs Häusler vom Verband Swiss Finance Startups. Er forderte die Finma auf, Fakten zu schaffen und Modelle zu lizenzieren, damit diese im Parlament schneller bearbeitet werden können. Es brauche seiner Meinung nach mehr Anreize für Investitionen respektive weniger bürokratische Hürden. Häusler plädierte für gleich lange Spiesse für Grossbanken und Start-ups.

Das gesamte System der Steuerbelastung müsse revidiert werden, damit wir international wieder aufholen können, meinte Luka Müller von MME Legal. Gemäss Martin Godel vom Seco funktioniert das schweizerische Steuersystem zwar insgesamt gut. Für schnell wachsende Unternehmen sei es jedoch tatsächlich ein belastender Faktor. Laut Godel drückt der Schuh allerdings weniger im Steuersystem. E-Business und E-Government würden hierzulande kranken, weil nach wie vor keine Standards im Bereich der elektronischen Identität existieren. Uneinigkeit herrschte bei der Frage, ob der Staat, einzelne Unternehmen oder jede Person für sich die E-ID verwalten soll.

Die Schweiz habe in der Finanzwelt eine Vorreiterrolle zurückzugewinnen, lautete der Grundtenor. Momentan sei Singapur in Sachen Fintech-Regulierung der Musterschüler, erklärte Marcel Stalder, CEO von EY Schweiz. Die Schweiz habe den Sprint verloren, sei jedoch gut für den Marathon gerüstet. Bei der Frage, wie viel Regulierung Digital Finance ertrage, lautete der Grundtenor: "So viel wie nötig und so wenig wie möglich."

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