Sind Uber-Fahrer selbstständig oder angestellt?
Die Sharing Economy wirft viele arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Fragen auf. Am Beispiel von Uber zeigte Thomas Rihm, wie die Situation in der Schweiz aussieht. Seiner Meinung nach sind Uber-Fahrer selbstständig. In der Diskussionsrunde gab es aber auch andere Ansichten.
An der "Vortragsreihe am Mittag" des Europainstituts der Universität Zürich ging es am Freitag dem 11. August darum, ob Uber-Fahrer selbstständig oder angestellt sind. Unter dem Titel: "Entgrenztes Arbeiten – arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Herausforderungen der Sharing Economy", informierte Rechtsanwalt Thomas Rihm die Gäste über die rechtliche Lage in der Schweiz. Er ist Rechtsanwalt bei Rihm Rechtsanwälte und verfügt auch über Erfahrungen im US-Recht.
Viele offene Fragen bei der Sharing Economy
Laut dem Seco hat die Sharing Economy einen Anteil am BIP der Schweiz von weniger als 1 Prozent. Obwohl die Sharing Econonmy damit als Wirtschaftszweig so gut wie irrelevant ist, werden die mit ihr verbunden arbeits- und sozialrechtlichen Fragen sehr intensiv diskutiert.
Unklarheit besteht vor allem in den Bereichen, wo "Arbeit des Personals den Löwenanteil der Wertschöpfung ausmacht", sagt Rihm. Also eher bei der Vermittlung von Fahrdiensten durch Uber oder einem Online-Kurierdienst, als bei der Zimmervermittlung über Airbnb, sagte Rihm.
Die zentrale Frage bei Uber ist, ob die Uber-Fahrer selbstständig oder angestellt bei Uber sind. Wenn sie Arbeitnehmer wären, hätte Uber zahlreiche Rechte zu erfüllen. So gebe es Vorgaben bei den Arbeitszeiten, der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, aber auch bei den Sozialversicherungen.
Was Arbeitnehmer ausmacht
Die Schweizer Arbeitsgerichte haben eine enge Definition von Arbeitnehmern, betonte Rihm. So müssten diese in einer Organisation unterstellt sein und Weisungen entgegennehmen. Der Arbeitgeber habe umfassende Kontrollmöglichkeiten und könne einen gewissen Zwang ausüben.
Weiterhin habe der Arbeitnehmer das Recht, dass er eine Arbeit erbringen kann. Eine Ausnahme wäre nur die Arbeit auf Abruf. Zudem müsse der Arbeitgeber die wesentlichen Materialien für die Erbringung der Leistung bereitstellen. Der Arbeitnehmer befinde sich auch in einer Abhängigkeit zum Arbeitgeber, da er seine Arbeitleistung nicht jedem beliebigen Arbeitgeber anbieten kann.
Rihm prüfte im Anschluss, ob diese Kriterien auch alle auf Uber-Fahrer zutreffen. Er setzte sich dabei kritisch mit einem Gutachten von Gewerkschaftsseite auseinander, welche Uber-Fahrer als Arbeitnehmer einstufte.
Uber-Fahrer sind eher keine Angestellten
Für Rihm ist die Sache relativ klar: Uber-Fahrer sind kein Angestellten im Sinne des Gesetzes. Sie hätten keine Pflichten gegenüber Uber, eine Leistung zu erbringen, etwa ein Minimum an Fahrten in einer Zeit. Erst wenn eine Fahrt gebucht wurde, müssten sie diese auch ausführen. Gleichzeitig hat ein Uber-Fahrer auch keinen Anspruch auf ein Minimum an Fahrten, wie Rihm betonte.
Ferner würden Uber-Fahrer nicht in die Organisation von Uber integriert. Sie könnten jederzeit wechseln und ihre Dienste auch einem Konkurrenten von Uber anbieten. Es gebe keine Exklusivitätsklausel. Weiterhin stellt der Fahrer selber den überwiegenden Teil der Investitionen, vor allem durch sein Auto. Er treffe auch die Unternehmerische Entscheidung, ob er eine Fahrt annimmt oder nicht.
Ähnliche Regeln wie bei Uber gebe es in vielen verschiedenen Brachen. Als Beispiel nannte er Gärtner oder kleinbetriebliche Distributoren, die in einem ähnlichen Vertragsverhälnis zum Kunden stünden. Von diesen würde auch keiner sagen, dass sie Angestellte sind, hob Rihm hervor.
Ziemlich genau beschreibe das Maklerrecht (Mäklerrecht) das Vertragsverhältnis zwischen Uber und seinen Fahrern. Uber kassiere eine Provision bei einer Fahrtvermittlung. Diese liegt bei 20 Prozent. Einziger Unterschied ist, dass Uber das Geld von Kunden einkassiert und dann an den Fahrer verteilt. Üblicherweise müsste der Fahrer die Provision abführen. Für Rihm sind Uber-Fahrer daher selbsständig erwerbend, auch wenn "diese Einschätzung vielen in der Schweiz nicht schmecken mag", wie Rihm zusammenfasste.
Diskussion doch nicht so eindeutig
Bei der anschliessenden Debatte unter den anwesenden Juristen zeigte sich jedoch ein weniger klares Bild. So verglich ein Zuhörer Uber mit einer Taxihotline. Das Bundesgericht hatte geurteilt, dass Taxifahrer bei der Vermittlung von Diensten über die Hotlines unselbstständige Angestellte sind. Also müssten auch Sozialabgaben von der Hotline abgeführt werden. Für ihn funktioniert Uber ganz ähnlich und der Fall könnte vor Gericht auch so beurteilt werden. Rihm ordnete das Urteil in seiner Antwort ein. Das Bundesgereicht habe nur im Spezialfall entschieden nicht allgemein. Ein Urteil zu Uber gibt es daher noch nicht.
Eine Zuhörerin war mit ihrem Urteil viel schonungsloser. Sie fühlte sich an frühkapitalistische Zustände erinnert, als Arbeiter ihre Schaufel noch selber kaufen musste und nicht versichert waren. Parallelen sieht sie bei Uber. Ausserdem fand sie die Maklergebühr viel zu hoch. Diese liege in der Regel bei wenigen Prozent und Uber verlange gleich 20 Prozent. Auch wenn es schwierig ist, eine solche App zu programmieren, so rechtfertige ihrer Meinung nach dies nicht die Höhe der Provision.
Ein weiterer Gast führte noch an, dass es neben dem Arbeitsrecht auch eine Frage des Sozialrechtes sei. Denn ein Sozialamt würde kaum eine Selbstständigkeit akzeptieren, wenn ein Fahrer nur für Uber fährt.
Die Diskussion unter den Juristen scheint also noch nicht abgeschlossen zu sein, auch wenn dies der Vortrag von Rihm zunächst erahnen liess. Auch nach den Ausführungen blieben noch viele Fragen offen und die Gäste gingen mit vielen neuen Ideen in den Nachmittag.