Omni-Channel-Shopper sind wertvoller und loyaler
Die Grenzen sind durchaus fliessend: Multi-Channel, Cross-Channel oder Omni-Channel sind Marketingkonzepte, die verschiedene Verkaufskanäle zusammenführen sollen – zum Vorteil der Händler und der Kunden.
Der Trend im Detailhandel geht klar in Richtung Omni-Channel. Das ist kein Zufall, denn Omni-Channel-Strategien machen es möglich, dass sich auch traditionelle Ladengeschäfte erfolgreich am digitalen Handelsboom beteiligen können. Studien zeigen, dass es sich vor allem für stationäre Händler lohnt, Omni-Channel-Kunden zu gewinnen.
Seit der Onlinehandel seinen scheinbar unaufhaltsamen Siegeszug begonnen hat, musste der traditionelle Detailhandel viele Einbussen in Kauf nehmen – um es mild zu formulieren. Experten nehmen diesbezüglich kein Blatt vor den Mund und warnen davor, dass der Onlinehandel die von Verkaufsläden geprägten Stadtzentren, die Einkaufsgewohnheiten der Konsumenten und die Jobs von Millionen Angestellten unwiederbringlich und in rasantem Tempo wandeln werde. Die Rechnung ist schnell gemacht: Die Wachstumsraten des traditionellen Handels liegen im unteren einstelligen Bereich, Onlineshopping hingegen wird auch dieses Jahr wieder mehr als 10 Prozent zulegen. Das ist besonders schwierig für Ladengeschäfte mit hohen Infrastruktur- und Personalkosten – verlagern sich nur ein paar Umsatzprozente ins Internet, wird es schwierig, Gewinne zu machen. Es sei denn, diese Internetumsätze fliessen in die eigene Kasse.
Multi-Channel-Verkauf hat das in vielen Fällen ermöglicht, und Omni-Channel-Retailing geht noch weiter: Kunden haben nicht mehr nur die Möglichkeit, im Laden oder im Onlineshop einzukaufen, sondern können sämtliche Kanäle quer durch die gesamte Verkaufsinfrastruktur für ein erfolgreiches Einkaufserlebnis nutzen. Das führt im besten Fall dazu, dass die Grenzen zwischen stationären und Onlinekanälen verschwinden.
Kein Parkplatz – kein Ladenbesuch
Studien zeigen, dass im Omni-Channel-Handel ein grosser Teil des Umsatzes im stationären Laden ausgelöst wird. Zwar beginnen viele Konsumenten ihre Suche nach einem Produkt im Internet – obwohl sie eigentlich lieber stationär einkaufen. Zu einem späteren Zeitpunkt finden sie sich dann aber in einem Ladengeschäft wieder, wo sie das gewünschte Produkt nicht nur anschauen, sondern auch anfassen können – schliesslich ist der Mensch ein haptisches Wesen. Gekauft wird dann oft direkt im Laden – auch mit einem mobilen Gerät.
Auch die ganz Grossen im Onlinehandel scheinen sich bewusst zu sein, dass es ein Vorteil ist, im Rahmen einer Omni-Channel-Strategie stationäre Läden zu haben. Amazon etwa hat im letzten Jahr bekannt gegeben, dass nach Seattle zusätzliche Läden eröffnet werden sollen; auch andere Internethändler folgen diesem Beispiel. Dafür gibt es gute Gründe.
Zwar wollen die meisten Detailhändler ihre Kunden dazu bringen, nicht nur im Laden, sondern auch online einzukaufen. Dafür haben sie schliesslich eine teure Infrastruktur aufgebaut, die ihre Shopping-Apps und -Websites unterstützt. Experten, wie etwa Marketingprofessor Xueming Luo an der amerikanischen Temple University, sehen das allerdings etwas anders. Gemäss Luo sind Kunden, die im Laden einkaufen, mehr wert als Onlineshopper, unter anderem weil sie mehr Geld für Impulskäufe ausgeben, mehr fühl- und erfahrbare Güter wie Modeprodukte kaufen, und weil sie weniger Preise vergleichen – ganz einfach, weil das im Laden schwieriger ist als online. Die gewinnbringende Omni-Channel-Strategie bestehe darin, Onlineshopper in den Laden zu locken, wo sie durch die Umgebung dazu veranlasst werden, mehr Geld auszugeben, sagt der Professor. So versuchen denn gewisse Warenhäuser, wie etwa Walmart, die Kunden in ihre Läden zu bringen, indem sie ihnen den Gratisversand anbieten – solange die Ware im Laden abgeholt wird. Auch Coupons für Onlinekunden, die nur im Laden eingelöst werden können, kommen zum Einsatz. Oft ist der Nutzen beschränkt, wie ein Blick in die Kommentarspalten der Massenmedien zeigt, die zu diesem Thema berichten: "Da es in fast keiner Innenstadt mehr möglich ist, einen Parkplatz zu bekommen, fährt man eben nicht mehr rein, sondern bestellt und lässt liefern. Gleiches gilt inzwischen auch für den Lebensmitteleinzelhandel. Ohne Auto bekomm ich den ganzen Einkauf nicht nach Hause, nur: Parken geht nicht mehr. Also: liefern lassen", schreibt zum Beispiel Fabian L. in der "Welt".
Omni-Channel-Kunden sind wertvoller
Der Marketingchef einer grossen internationalen Möbelfirma erklärte kürzlich, weshalb sich sein Unternehmen immer mehr im Omni-Channel-Bereich bewegt. Man habe heute die traditionellen Läden, den Onlineshop, und man sei gerade dabei, Click and Collect einzuführen, also die Möglichkeit, online zu bestellen und die Waren im Laden abzuholen. Es gebe Pick-up-Points sowie Bestell- und Abholstationen, die weitere Dienstleistungen böten. "Wir fügen die verschiedenen Kanäle zusammen. Das ist das, was wir und Omni-Channel-Anbieter unter Omni-Channel verstehen: Die Kunden haben die Wahlmöglichkeit zwischen den verschiedenen Kanälen." Diese Argumentationskette geht davon aus, dass es sich für ein Unternehmen finanziell lohnt, den traditionellen Läden digitale Kanäle hinzuzufügen und die Verschmelzung des Einkaufserlebnisses auf diesen Kanälen zu ermöglichen. Dass dem tatsächlich so ist, hat kürzlich eine Gruppe von Forschern in der Harvard Business Review dargelegt.
Untersucht wurden die Einkaufsgewohnheiten von 46 000 Kunden, die während 14 Monaten vom Juni 2015 bis August 2016 bei einem grossen Detailhändler eingekauft hatten. Eines der Ergebnisse: Je mehr Kanäle die Kunden nutzen, desto wertvoller sind sie für den Händler. Gemeint sind Kunden, die alle möglichen Kanäle in verschiedensten Kombinationen, an verschiedensten Orten nutzen – von Smartphone-Apps für den Preisvergleich oder den Coupon-Download bis zu interaktiven Katalogen im Laden. Sie kauften online und holten im Laden ab und kauften im Laden und liessen sich beliefern – und umgekehrt. Solche Kunden gaben bei jedem Einkauf im Laden 4 Prozent mehr aus als Kunden, die nur einen Kanal nutzten. Online waren es sogar 10 Prozent mehr.
Ein weiteres Resultat der Studie unterstreicht die Ergebnisse, die vom Team Luo an der Temple University kommuniziert wurden: Omni-Channel-Kunden, die sich vor ihrem Einkauf im Internet über die gewünschten Produkte schlaumachten, gaben im Laden 13 Prozent mehr Geld aus als solche, die sich nicht vorab informierten. Das von Ladengeschäften oft beklagte Showrooming (sich im Laden beraten lassen, dann online einkaufen) hat also im Omni-Channel-Zeitalter ein Gegenstück gefunden: Es heisst Webrooming und ist gemäss einer weltweiten Untersuchung des Marktforschers Nielsen sogar weiter verbreitet als Showrooming. Und es gibt noch mehr positive Nachrichten über Omni-Channel-Shopper. Diese kaufen nicht nur mehr, sondern sind auch loyalere Kunden, wie die Forscher in der Harvard Business Review darlegen. Sie kommen immer wieder in den Laden zurück und geben auch eher Empfehlungen an ihre Freunde und Familie ab, als Kunden, die nur einen einzigen Shopping-Kanal nutzen.
Händler, die ihre Omni-Channel-Angebote ausbauen, können also positiv in die Zukunft blicken – sofern sie ihren Kunden geben, was diese suchen. Produktinformationen sind dabei eines der wichtigsten Bedürfnisse der Omni-Channel-Kunden, die oft bereit sind, einen Kauf zu tätigen, wenn das Umfeld stimmt – im Ladengeschäft oder im Onlineshop am Smartphone oder PC.