Jahresthema Best of Swiss Apps

Virtual Reality in der Schweiz – eine Momentaufnahme

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von Sandro Morghen, Senior Experience Designer bei Nexum Schweiz

Kaum ein Tag vergeht, ohne dass uns Techblogs und Newsportale mit Informationen über Neuerungen zur­ ­-Virtual(VR)- und Augmented-Reality(AR)-Technologie versorgen. Doch wo steht der Metatrend Virtual Reality heute in der Schweiz? Anlässlich des Jahresthemas VR/AR am diesjährigen «Best of Swiss Apps Award» gehen wir dieser Frage nach.

Wer auf Google News den Begriff «Virtual Reality» eintippt, stösst auf eine bunte Auswahl von Meldungen zu innovativen VR-Anwendungen aus aller Welt. So liest man, dass Virtual Reality zum realitätsnahen Training von Logistikmitarbeitern, Astronauten oder gar angehenden Poulet-Bratern eingesetzt werden soll. Oder man erfährt, wie Forscher via VR-Steuerung Bomben entschärfen wollen, wie 360-Grad-Videos die Sensibilisierung zu ökologischen oder sozialen Themen erhöhen sollen oder warum hyperimmersive Onlineshopping-Touren in der virtuellen Realität demnächst unser Einkaufserlebnis verändern könnten.

Bewegung im Schweizer Markt

Coop, Ringier, Homegate, Zurich Insurance, Helsana, Geberit, Migros, Cailler, Comella – sie alle haben eines gemeinsam: Sie gehören zu denjenigen Schweizer Firmen, die in der jüngeren Vergangenheit den Schritt in die virtuelle Realität gewagt haben. Denn nicht nur auf dem internationalen Parkett dominieren VR und AR die Tech-Schlagzeilen, auch hierzulande ist das Phänomen dabei, allmählich Fuss zu fassen. Und mancher Digital Manager kommt um die Frage, wie die Technologien schlüssig in eine Digitalstrategie integriert werden sollen, nicht mehr herum.

Der VR-Boom der letzten zwei Jahre kam nicht mit einem grossen Knall, er hat sich langsam angekündigt – er kam gewissermassen durch die Hintertür. Den Anfang machte 2015 eine banale Kartonbrille von Google, die Google Cardboard. Dank ihr lässt sich jedes Smartphone mit ein paar Handgriffen in eine valable Virtual-Reality-Brille verwandeln. «Blick Online» erkannte das kreative Potenzial mit fast disruptiver Weitsicht und ist früh auf den VR-Zug aufgesprungen. Der Plattform ist es gelungen, ein breites Publikum für VR-Content in Form von 360-Grad-Videos zu begeistern; und vor etwas mehr als einem Jahr dann der Coup: Ein Clip aus der «BlickVR»-Schmiede war für kurze Zeit das meistgesehenste 360-Grad-Video auf Youtube. Mittlerweile gehört Virtual Reality zum festen Bestandteil des «Blick»-Digitalangebots.

Lange waren 360-Grad-Videos die bevorzugte Form, wie Unternehmen VR für sich nutzten. Doch im Laufe der letzten Monate war zu beobachten, wie Schweizer Brands vermehrt auf interaktive VR-Erlebnisse setzen. So schuf die Migros diesen Frühling mit der «Migrosmania»-Promotion eine interaktive Erlebniswelt für Kinder mit Elementen der virtuellen Realität. Comella lancierte jüngst ein VR-Multiplayer-Spiel, das die Schokodrink-Marke, eingebettet in Live-Events, auf völlig neue Weise inszenierte. Interessant ist, dass auch andere Brands ihre VR-Aktionen gerne mit Live-Action verbinden.

Mobile-VR auf dem Vormarsch

Die Kombination von VR-Erlebnissen mit Elementen der Live-Kommunikation macht nicht ohne Grund Schule. Da die Verbreitung von VR-Highend-Geräten wie der Oculus Rift oder der HTC Vive – für qualitativ hochwertige Erlebnisse unabdingbar – noch überschaubar ist, greifen manche Unternehmen auf Live-Events an Bahnhöfen oder am POS zurück und stellen so sicher, dass die geschaffenen Erlebnisse auch wirklich beim Konsumenten in optimaler Form ankommen.

Weiter entwickelt ist der Markt der sogenannten Mobile-VR-Lösungen. Damit sind Systeme gemeint, bei denen der Eintritt in die virtuelle Realität über VR-Brillen erfolgt, die mit einem Smartphone bestückt werden müssen und ohne eigene Elektronik auskommen. Die prominentesten Vertreter dieser Kategorie: Google Cardboard, Samsung Gear VR sowie Google Daydream. Schätzungen zufolge sollen bis Ende 2018 weltweit an die 10 Millionen Mobile-VR-Brillen über die Ladentische gehen.

Im Vergleich dazu fallen die bisherigen Verkaufszahlen der Hersteller HTC, Oculus oder Microsoft deutlich bescheidener aus. Experten gehen von einigen hunderttausend verkaufter Exemplare aus. Zufrieden mit dem Verkauf ihrer Playstation-VR-Brille hingegen ist Sony – rund 1 500 000 Stück sollen seit dem Start im vergangenen Herbst abgesetzt worden sein.

Der Ruf nach Reichweitenzahlen wird lauter

Diese Zahlen beziehen sich indes auf den weltweiten Absatz, denn länderspezifische Verkaufszahlen werden von den Herstellern selten genannt. Inwieweit sich hieraus die Verbreitung von VR-Brillen in der Schweiz herauslesen lässt, ist nur schwer abzuschätzen. Fest steht: Während im B2B- und Livecom-Bereich die Verbreitung von VR-Geräten von sekundärer Bedeutung ist, werden Werbetreibende in Zukunft wohl genauer hinschauen, wenn es um konkrete Reichweitenzahlen für Virtual-Reality-Kampagnen geht, die sich gezielt an Konsumenten mit eigener VR-Brille richten. Trotz ungeklärter Reichweitenfrage: Die Experimentierfreude ist bei Schweizer Marken intakt – und damit auch die Bereitschaft, zumindest mittelfristig in den VR-Kanal zu investieren.

VR-Agenturenlandschaft wächst

Parallel zum steigenden Interesse der Firmen an VR-Inhalten sind auch immer mehr spezialisierte Agenturen im Markt aufgetaucht. Und vieles spricht dafür, dass das Wachstum in der VR-Agenturenlandschaft auch in Zukunft anhalten wird. Einziger Wermutstropfen: Viele Dienstleister, die auf den VR-Trend aufspringen wollen, müssen umdenken, denn die Entwicklung von VR-Inhalten bringt neue Herausforderungen mit sich.

Veränderte Anforderungen an Entwickler

Während UX-Designer «traditioneller» Apps oder Websites lediglich eine zweidimensionale Fläche mit Leben füllen müssen, kommt bei der Kreation von VR-Anwendungen der 360-Grad-Rundumblick dazu, der mit verschiedensten Interaktionen und Funktionen angereichert wird. Weiter müssen auch Faktoren wie Bewegung, Physik, Lichteinfall oder die Ausnutzung der sensorischen Eigenschaften der verschiedenen Geräte berücksichtigt und zu einem harmonischen Ganzen zusammengefügt werden. Das dafür notwendige Skillset lässt sich aber kaum noch in einer einzigen Person vereinen. Das führt dazu, dass die interdisziplinäre Kollaboration zwischen UX-Spezialisten, Programmierern, Designern, aber auch themenspezifischen Experten eine viel wichtigere Rolle einnimmt – und zwar in einem Masse, das man so eigentlich nur aus der Game-Entwicklung kennt.

Gekommen, um zu bleiben?

Sind VR- und AR-Technologien gekommen, um zu bleiben? Die Zukunft wird es zeigen. Fest steht, dass die Schweiz auf alle Fälle schon heute ein spannender VR-Hotspot ist und sich auch hierzulande eine lebendige VR-Community entwickeln konnte, die bereits vielversprechende und auch Award-würdige Kreationen hervorgebracht hat.

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