IBM zeigt seinen KI-Tausendsassa Watson
IBM hat zum Watson Summit nach Luzern geladen. Im KKL standen die Anwendungsfelder der künstlichen Intelligenz im Zentrum. Aber auch die Perspektiven von Wissenschaft und Politik auf das Thema kamen nicht zu kurz.
Kein Thema scheint IBM im Moment so zu bewegen wie die künstliche Intelligenz (KI). Es grenzt schon an Seltenheit, wenn in den letzten Monaten vom IT-Pionier aus den USA nicht in Zusammenhang mit Watson die Rede war. Unter diesem Namen nämlich, benannt nach dem ersten IBM-Präsidenten Thomas J. Watson, fasst das Unternehmen sein Angebot an Cognitive Computing, Machine Learning und ähnlichen Technologien zusammen.
Doch welchen Nutzen bietet Watson den IBM-Kunden? Diese Frage versuchte das Unternehmen am gestrigen Watson Summit im Luzerner KKL zu beantworten. Nach dem Europa Forum und dem SwissICT Symposium beherbergte das Haus am Vierwaldstättersee damit bereits die dritte IT-Grossveranstaltung in dieser Woche.
Zahlreiche Aussteller, eine Reihe von Referenten und rund 500 Gäste waren eingeladen, wie IBM sagte. Zum Auftakt umriss Thomas Landolt, Country General Manager von IBM Schweiz, wo sein Unternehmen die primären Anwendungsfelder von Watson sieht.
Sinn in der Datenflut
Die Menge an Daten wachse momentan so rasant, dass es immer schwerer falle, auf deren Grundlage Entscheidungen zu treffen, sagte Landolt. Watson könne hier helfen, indem die KI ungenutzt angesammelte Daten sinnvoll verarbeite. Dabei habe sich IBM klare Regeln gegeben.
Thomas Landolt, Country General Manager von IBM Schweiz, begrüsste das Publikum. (Source: Netzmedien)
Was Watson mit Daten macht und wie seine "Insights" zustande kommen, soll immer nachvollziehbar und transparent bleiben, versprach der Schweiz-Chef von IBM. Zudem sei Watson zwar ein Cloud-Angebot, die Daten und die daraus erstellten Ergebnisse sollen aber grundsätzlich unter Kontrolle des Kunden bleiben. Auch für Datenschutz und Compliance sei gesorgt.
Digitalisierung mit Augenmass
Thomas Landolts Begrüssung tönte es schon an: Das Thema KI weckt nicht nur Hoffnungen, sondern auch Ängste. Um dieses Problem drehte sich das anschliessende Referat von Stephan Sigrist, dem Gründer und Chef des Think-Tanks W.I.R.E.
Digitale Technologien wie Watson versprechen Effizienzgewinne und neue Geschäftsmodelle, wie Sigrist sagte. Doch nicht alles, was technisch möglich sei, könne auch als wünschbar bezeichnet werden. Eine Abwägung zwischen Nutzen und Gefahren sei deshalb wichtig.
Stephan Sigrist von W.I.R.E. gab Auskünfte zur KI-Theorie. (Source: Netzmedien)
Die Digitalisierung komme momentan schnell und mit hoher Komplexität. Das führe zu polarisierten Haltungen zwischen Euphorie und Untergangsfantasien. Sigrist plädierte für einen Mittelweg. Das Thema Digitalisierung sollte seiner Meinung nach nüchtern betrachtet werden – "offen, aber mit kritischem Blick".
Im Zentrum müssten stets die Frage des Nutzens und die konkreten Anwendungen stehen. Für den Einzelnen, für ein Unternehmen und für die Gesellschaft. Schliesslich, so gab sich Sigrist überzeugt, setzen sich technologische Innovationen durch, weil sie einen Nutzen stiften, nicht bloss, weil sie neu seien.
Das Mensch-Maschine-Tandem
Im Fall von KI machte der W.I.R.E.-Chef verschiedene Beispiele, in denen die Technologie einen Mehrwert biete. Von der Verbrechensvorbeugung, über den virtuellen Freund für Singles und den KI-Bierbrauer bis hin zum Chatbot, der automatisch auf Scam-Mails antwortet und den Cyber-Verbrechern so das Geschäft vermiesen will.
Allerdings seien KIs immer noch klare Grenzen gesetzt, gab Sigrist zu bedenken. Die Technologie zeige innerhalb definierter Systeme ihre Stärken, in der Härte und Komplexität des Alltags fände sie sich aber oft nicht zurecht. Gerade an der Informationsflut, die auch dem Mensch zu schaffen mache, scheiterten Watson und seine Kollegen.
KI brauche deshalb Hilfe, um über den digitalen Tellerrand hinauszudenken. Das Ziel laute: Zusammenarbeit von Mensch und Maschine "Wir brauchen die menschliche Intelligenz, um das Potenzial der künstlichen zu fördern", sagte Sigrist. "Wir müssen lernen, mit KI umzugehen und sie in den Alltag einzubringen."
Unternehmen gab Sigrist zum Abschluss seines kurzweiligen Referats den Rat, Mut für Neues zu zeigen, dabei aber die Bedürfnisse der Kunden und den Nutzen für die Allgemeinheit nicht aus den Augen zu verlieren.
Selbstregulierung statt mehr Gesetze
Wie die Politik mit diesen Herausforderungen umgehen soll, darüber diskutierten im Anschluss Stephan Sigrist, Thomas Landolt und Franz Grüter, SVP-Nationalrat und Vizepäsident von ICTSwitzerland.
Auf disruptive Ideen mit Verboten zu reagieren sei falsch. Denn so werde Innovation abgewürgt, sagte Grüter. Als Beispiel führte er das revidierte Geldspielgesetz an: "Wir haben Netzsperren eingeführt, ich kann es nicht fassen!"
Das Podium mit Stephan Sigrist, Franz Grüter und Thomas Landolt. (Source: Netzmedien)
Beim Datenschutz gab es verschiedene Meinungen. Sigrist forderte einen "Daten-Marktplatz" auf dem der Einzelne entscheiden könne, wem er seine Daten gibt. Landolt warnte vor zu vielen Regeln. Wichtiger sei Aufklärung und Kontrolle darüber, was mit den persönlichen Informationen passiere. Grüter sah im Datenschutz einen ständigen Balanceakt zwischen Konsumenteninteressen, Bürokratie und unternehmerischer Freiheit.
Einig waren sich alle Teilnehmer des Podiums, dass bei der Bildung Nachholbedarf herrsche. Mit Weiterbildung und Umschulung könne man das Verschwinden einiger Berufe abfedern und neue Chancen schaffen. Kritisch kommentierte Landolt die Ansicht, ab einem gewissen Alter seien Arbeitskräfte nicht mehr fähig zur Weiterbildung. "Wir sind in einem Jugendlichkeitswahn in der IT-Branche", meinte der Chef von IBM Schweiz.
Watson im Einsatz
Der zweite Teil des Watson Summit 2017 war den Business Cases gewidmet. Thomas Krähenmann vom Haushaltsgerätehersteller V-Zug zeigte, wie die KI aus der Cloud die Geräusche von Geschirrspülern analysiert und so bei der Qualitätssicherung mithilft.
Dirk Grasmück und Michel Neuhaus von der UBS stellten Wege vor, wie die Bank mittels Data Mining in Kundendaten ihre Angebote auf die Bedürfnisse der Nutzer zuzuschneiden versucht. Das sei im heutigen Finanzgeschäft, wo die Bereitschaft zum Bankwechsel zusammen mit den Erwartungen stiegen, zentral. Auch bei der automatischen Verarbeitung von Dokumenten könne KI gute Dienste leisten.
Milliarden Bytes und Franken
Was der Cybersecurity eines Anbieters von Finanz-Infrastruktur schlaflose Nächte bereitet, erzählte Robert Bornträger, Division CEO Global IT von Six. Das Unternehmen verarbeite jeden Tag eine Summe im Interbanken-Zahlungsverkehr, die dem Schweizer Jahres-BIP von rund 600 Milliarden Franken entspreche und betreibe die "schnellste Börse der Welt" mit einem enormen Datenaufkommen.
Für den Schweizer Finanzplatz sei unerlässlich, dass Six einen guten Job mache, sagte Bornträger. Diese Aufgabe sei in letzter Zeit nicht einfacher geworden. Die Zahl der Cyberattacken und Schwachstellen steige rascher an denn je. Gleichzeitig brauche die Behebung eines Exploits mehrere Wochen.
Robert Bornträger, Division CEO Global IT bei Six, gab Einblicke in die Cybersecurity des Schweizer Finanzdienstleisters. (Source: Netzmedien)
Six habe deshalb sein "Cyber Risk Assessment" in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich und IBM neu aufgestellt. Zudem engagiere sich das Unternehmen in der Ausbildung von Fachkräften, um so dem Mangel an Know-How im Cybersecurity-Bereich entgegenzuwirken.
Auch bei Six komme Watson zum Einsatz, etwa bei der Prüfung von Transaktionen auf ihre Integrität. Diese Erkennung von Fake Transactions sei eines der aktuell wichtigsten Themen in der Finanzsicherheit. "Ich kann mein Geschäft nicht weiterführen, wenn ich den Transaktionen nicht trauen kann", sagte Bornträger.