So erlebten Schweizer Aussteller die neue Cebit
Die Cebit 2018 ist vorbei. Vieles war an der IT-Messe in diesem Jahr anders als früher. Die Redaktion fragte bei Schweizer Ausstellern vor Ort nach, was sie sich von der Cebit erhoffen, wie sie das neue Konzept wahrnehmen und was sie vom Neustart als Business-Festival halten.
Die IT-Messe Cebit hat 2018 einen Neustart versucht. Späterer Termin, mehr Festival, andere Struktur - vieles war für die Besucher in Hannover dieses Jahr neu. Doch wie haben die Aussteller an ihren Ständen die Messe erlebt? Die Redaktion schaute bei Schweizer Firmen vorbei und hielt Eindrücke und Meinungen fest.
Kontakt zu Kunden, Arbeitskräften und Mitbewerbern
Full Speed Systems (FSS) aus Sursee ist zum ersten Mal in Hannover mit dabei. Das Unternehmen bietet KMUs verschiedene Dienstleistungen auf Basis von Oracle-Produkten an. Da es dabei um ERP wie auch As-a-Service-Lösungen geht, hat sich die Firma für zwei separate Stände an der Cebit entschieden, wie Gründer und CEO Urs Liechti sagt. So könne man das Angebot jeweils in den Vordergrund stellen.
Urs Liechti und Anja Brun zeigen das ERP-Angebot von Full Speed Systems. (Source: Netzmedien)
FSS sei an die Cebit gekommen, um neue Kunden zu finden, mit den bestehenden in Kontakt zu treten und sich nach Mitarbeitern für die vor kurzem eröffnete Filiale in Berlin umzusehen, sagt Liechti. Ausserdem sei es wichtig, die Konkurrenz vor Ort kennenzulernen und so die eigene Position zu reflektieren.
Die Frage stelle sich natürlich schon: "Gibt es noch Messen in Zukunft oder sind sie durch das Internet überflüssig geworden?". Liechti ist optimistisch. Gerade für eine Firma wie FSS, die im Oracle-Umfeld arbeitet, sei Sichtbarkeit wertvoll.
Das neue Konzept der Cebit sieht Liechti mit gemischten Gefühlen. Der Umbau, um die Messe für eine jüngere Generation attraktiver zu machen, sei grundsätzlich gut und ziehe vielleicht Leute an. Was die stärkere Ausrichtung auf Endkunden für die B2B-Aussteller bedeutet, müsse sich aber noch zeigen.
Per Datenhandschuh in virtuelle Welten
In Halle 26, wo sich Hersteller von Drohnen, Virtual Reality (VR) und Roboter tummeln, steht der Stand von Sensoryx. Die Zürcher Firma stellt einen Handschuh her, dessen Sensoren für die Navigation in VR-Umgebungen dienen. Der User sieht ein virtuelles Abbild seiner Hände und kann so mit Gegenständen interagieren. Dies lässt sich in einer Demo am Stand ausprobieren.
Fabian Wenner und Rolf Adelsberger am Stand von Sensoryx. (Source: Netzmedien)
Auch Sensoryx ist zum ersten Mal an der Cebit. Sie seien allerdings schon an der Consumer Electronics Show in Las Vegas gewesen, sagte CEO Rolf Adelsberger. Im Vergleich dazu sei die Messe in Hannover "echter", weniger aufgeregt. Allerdings sei sie nicht unbedingt ein VR-Treff. Adelsberger habe die Cebit aber schon privat besucht. Es sei eigentlich nicht viel anders als früher, sagt er.
Sensoryx komme an die Cebit, um potentielle Kunden zu treffen, Networking zu betreiben und auch, um sich mit der Konkurrenz auszutauschen und Inspiration zu holen. Ein weiteres Ziel sei, die aktuelle Crowdfunding-Kampagne auf "indiegogo.com" zu propagieren. Diese sei ein gutes Mittel, um Bekanntheit zu erlangen. Das internationale Interesse am VR-Handschuh sei gross, in der Schweiz gebe es allerdings noch Berührungsängste, sagt Adelsberger.
"Die coolsten Sachen der Welt"
Rund um den Stand von Sensoryx herum haben verschiedene VR-Firmen ihre Zelte aufgeschlagen. Eine davon ist Jamaze. Die beiden Gründer Pascaline und Joel Allenspach konnten sich der Aufmerksamkeit der Besucher sicher sein. Über ihrem Stand drehte und blinkte das Hologramm "Hypervsn" des britischen Herstellers Kino-mo. Jamaze biete das Gerät als erster in der Schweiz an.
Joel und Pascaline Allenspach, die Gründer von Jamaze. (Source: Netzmedien)
Die Cebit sei ein guter Ort zum Netzwerken, für den Kundenkontakt und um Feedback zu bekommen, sagt Pascaline Allenspach. Hypervsn diene hierbei als Eye-Catcher, Jamaze wolle in Hannover aber auch andere Produkte für Showrooms oder Messen zeigen, etwa VR-Umgebungen. Wichtig sei auch, dass man sich bei den Mitbewerbern umschauen könne. Das Start-up, gut 1,5 Jahre alt, hat noch viel vor. "Ich will mal die coolsten Sachen der Welt machen", sagt Joel Allenspach.
Tor zum deutschen Markt
Schweizer Firmen haben sich über die ganze Cebit verteilt, die meisten von ihnen sind allerdings am "Swiss Pavilion" in Halle 27 zu finden. Am Stand von Beekeeper steht Jens Dreisewerd und hält Ausschau nach interessierten Besuchern. Beekeeper entwickle Lösungen für die interne Kommunikation zwischen den Mitarbeitern in Unternehmen und versuche gerade, in Deutschland zu wachsen, sagt Dreisewerd. Die Cebit sei eine gute Plattform, um mit potenziellen und aktuellen Kunden und Partnern zu sprechen.
Jens Dreisewerd ist mit Beekeeper am Swiss Pavilion präsent. (Source: Netzmedien)
Persönlich schätze er an der Cebit die Möglichkeit, den eigenen Horizont zu erweitern und mit anderen Unternehmen zu sprechen, sagt Dreisewerd. Vom neuen Konzept der Cebit zeigt er sich angetan. Der Sommer gebe der Messe einen anderen Vibe. Die Stimmung sei sehr angenehm und locker. Besonders freue er sich auf das neue Abendprogramm. Aber auch tagsüber sei der Messeauftritt für Beekeeper erfolgreich. Mehrere Besucher hätten bereits Interesse an ihrem Stand gezeigt.
Spannungsfeld zwischen Wandel und Konstanz
Einer, der den Wandel der Cebit in den vergangenen Jahren miterlebte, ist Manfred Terzer. Der CEO von Kendox, einem Hersteller von Content-Management-Lösungen aus der Ostschweiz, war bereits mehrfach mit seinem Unternehmen an der Messe. Kendox komme nach Hannover, um für seine viele Kunden aus Deutschland sichtbar zu sein und sich im Kreis der Mitbewerber präsentieren zu können. Die Cebit ist ein "Markt für Informationen", an dem man teilnehmen müsse, sagt Terzer.
Manfred Terzer, CEO von Kendox, hat den Wandel der Cebit als Aussteller miterlebt. (Source: Netzmedien)
Auch Manfred Terzer hebt den späteren Termin der Cebit als Pluspunkt hervor: "Früher haben wir mit klammen Fingern beim Schneeregen das Equipment hineingetragen." Das sei heute definitiv kein Problem mehr. Allerdings habe es in diesem Jahr unterschiedliche Meinungen zur Präsenz an der Cebit gegeben, merkt der Chef von Kendox an. Ein Grund dafür sei, dass die grossen IT-Messen generell an Bedeutung verloren hätten. Man treffe sich heute auf kleineren, branchenspezifischen Messen.
Aber auch die Neuausrichtung der Cebit sieht Terzer kritisch. Zum einen sei fraglich, ob der Fokus auf eine jüngere Community und Endkunden für die alteingesessenen Firmen von Vorteil sei. Entscheidend sei, dass die Messe auch weiterhin IT-Entscheider mit Budget nach Hannover locken könne. Dazu komme, dass die Firmen 2018 lockerer über das Messegelände verteilt seien. Früher seien die Mitbewerber von Kendox alle in der gleichen Ecke und dementsprechend dicht an dicht gestanden. Die neue thematische Durchmischung mache die Cebit schwieriger - sowohl für die Aussteller wie auch für die Besucher.
Auf der Suche nach Partnern und Ideen
Abraxas Epsilon, seit 2016 eine auf IT-Lösungen für die Polizei spezialisierte Tochter des Ostschweizer Anbieters von durchgängigen IT-Lösungen und Dienstleistungen, teilt sich den Stand an der Cebit mit der Kantonspolizei St. Gallen. Sie seien hier, um sich zu zeigen und ihre Produkte vorzustellen, sagt Peter Streckeisen, Projektleiter bei Abraxas Epsilon.
Konkret geht es dabei um eine Bussen-App, mit der etwa Parkvergehen in einem digitalen Prozess erfasst und mittels QR-Code vom Gebüssten beglichen werden können. Die Kapo St. Gallen zeigt ein mobiles Windows-System, mit dem der Büro-PC samt Office-Anwendungen im Polizeiauto mitfahren könne, sagt Projektleiter Marco Allenspach.
Marco Allenspach und Peter Streckeisen halten Ausschau nach Technologiepartnern. (Source: Netzmedien)
Im Unterschied zu den anderen Ausstellern stehe bei ihnen nicht die Suche nach Kunden im Vordergrund, sagen Streckeisen und Allenspach. Stattdessen gehe es darum, ein Netzwerk aufzubauen, frische Ideen zu gewinnen und Partner für die Umsetzung ihrer Projekte zu finden. Sie möchten sehen, was im Bereich IT für die Polizei im Moment alles läuft. Es handle sich beim Cebit-Stand um ein Pilotprojekt, über das sie später Fazit ziehen müssten, sagt Allenspach.
In der Schweiz beheimatet, in der Welt zuhause
Direkt neben dem Stand von Abraxas Epsilon und der Kapo St. Gallen hat Stromasys sein Cebit-Quartier eingerichtet. Das Unternehmen bietet verschiedene Legacy-Hardware-Emulatoren für Systemarchitekturen wie VAX, Alpha, Sun Sparc und HP3000 an, wie Pascale Trezzini, Head of Sales EMEA, erläutert.
Pascale Trezzini (Mitte) und ihr Cebit-Team am Stand von Stromasys. (Source: Netzmedien)
Stromasys ist global mit einer sehr spezifischen Lösung aufgestellt, sagt Trezzini. Viele Unternehmen nutzten heute noch Legacy-Systeme, da Anwendungen, die auf ihnen laufen, kritisch für den täglichen Geschäftsbetrieb seien. Charon, die Software von Stromasys, ermögliche es Unternehmen weltweit, ihre Anwendungen auf einer x86-Plattform unverändert zu betreiben.
Der Hauptsitz von Stromasys liege in Genf, während sich die Entwicklungsteams in Moskau und Shenzhen befänden. Stromasys sehe im DACH-Raum grosses Potenzial und habe sich deshalb entschlossen, auf der Cebit auszustellen. "Es ist eine Gelegenheit, die Marke sichtbar zu machen und neue Kunden zu gewinnen", sagt Trezzini.
Die neue Cebit ist ein Experiment für Alle
Der Besuch der Schweizer Aussteller an der Cebit 2018 zeigt dreierlei: Erstens ist die überwiegende Mehrheit der Unternehmen 2018 zum ersten Mal in Hannover. Entsprechend geht es ihnen darum, einmal den Fuss ins Messe-Wasser zu halten, sich einem grösseren Publikum zu zeigen und herauszufinden, wie die Resonanz ausfällt. Vergleiche mit früheren Jahren sind so schwierig.
Zweitens nehmen die Aussteller das neue Konzept der Cebit durchaus kritisch unter die Lupe. Die neuen Formate - Konferenz, Unterhaltung, Lounges - werden als Neustart verstanden, der notwendig war. Viele der Befragten freuen sich ausserdem auf das Festival-Programm und nehmen es als Bereicherung wahr. Doch da und dort hört man auch Bedenken, ob die klassische Funktion als B2B-Fachmesse darunter nicht leiden könnte.
Drittens zeigt die Cebit 2018 aber auch, dass der persönliche Kontakt, der Austausch mit Gleichgesinnten und das Kennenlernen ein kreatives und unternehmerisches Potenzial bereithalten - ob am Messestand, während des Referats, beim Konzert oder spontan vor dem Food Truck.
Riesenrad und IT-Geschäft - passt das zusammen? Es kommt darauf an, was man damit macht, sagt Carl Ziegler, CEO von T-Link, neben ICTswitzerland einer der Organisatoren des Swiss Pavilion. Die Schweizer Unternehmen im Pavilion hätten sich in einer "erfreulich interaktiven Weise" präsentiert und auch bei den individuellen Ausstellern hätten einige mit einem frischen, kommunikativen Auftritt gepunktet. Manchen Firmen sei es allerdings besser als anderen gelungen, sich auf die neue Cebit auszurichten, fügt Ziegler an. "Es wird sich zeigen, ob das neue Konzept auch aus wirtschaftlicher Sicht durch die Firmen positiv beurteilt wird."