Wählermanipulation durch soziale Medien – wie die Schweiz dazu steht
Die nächsten Schweizer Parlamentswahlen stehen vor der Tür. Seit den letzten Wahlen hat sich einiges getan. Die Medien haben Wählermanipulation durch soziale Medien und Fake News breit diskutiert. Wie steht die Schweiz zu diesen Themen?
Im Herbst 2019 finden in der Schweiz Parlamentswahlen statt. Als die Bevölkerung im Jahr 2015 das letzte Mal wählte, sah die Welt noch anders aus. US-Präsident Barack Obama war im Amt, der Brexit unvorstellbar. Und dann kam das Jahr 2016. In diesem Jahr wählten die Amerikaner Donald Trump zum Präsidenten und eine Mehrheit der Briten entschied sich, die europäische Union zu verlassen. Wie konnte es dazu kommen?
Laut einem Artikel der "Aargauer Zeitung (AZ)" fanden bei Trumps Wahl Manipulationen von Wählern per Social Media statt. Basierend auf Daten, die etwa auf Facebook-Likes basierten, wusste das Datenunternehmen Cambridge Analytica, welche Argumente Wähler von einer Sache überzeugen konnten. Die AZ zitiert hierfür Simon Hegelich. Der Münchner Professor für politische Datenwissenschaften ist überzeugt, dass bei der Trump-Wahl eine derartige Manipulation der Wähler stattgefunden hat. Jedoch lasse sich schwierig einschätzen, wie gross der tatsächliche Effekt dieser Beeinflussung gewesen sei, sagt er.
Dieser Artikel erschien in der Netzwoche-Ausgabe 8/2019. Alle Inhaltes des Hefts finden Sie hier.
Wählermanipulation und die Schweizer Politik
Muss sich auch die Schweizer Politiklandschaft in Acht nehmen vor einer derartigen Manipulation? Für Volker Birk vom Chaos Computer Club ist diese Möglichkeit längst keine Gefahr mehr, sondern Realität. Martin Steiger hingegen glaubt, dass die Grösse der Gefahr nicht einzuschätzen sei. Der Rechtsanwalt sieht aber das Potenzial, das gewisse Akteure für die Verbreitung von Desinformation und Propaganda über soziale Medien nutzen könnten. Der Vorteil für sie sei, dass sie so einzelne Personen und Gruppen ansprechen könnten, ohne dass die Kommunikation in der direkten Öffentlichkeit stattfinde.
Auch der Bundesrat sei sich der Risiken der Wählermanipulation bewusst, sagt René Lenzin, stellvertretender Leiter Sektion Kommunikation der Bundeskanzlei. Er verweist unter anderem auf die Nationale Strategie zum Schutz der Schweiz vor Cyberrisiken. Darin hält der Bundesrat fest, dass der Bund im Sinne der Prävention verstärkt dazu beitragen soll, Bevölkerung, Wirtschaft und Politik für Cyberrisiken zu sensibilisieren.
Soziale Medien sind als Wahlplattform nicht mehr wegzudenken
Auch Birk sieht die Aufklärung der Bevölkerung als wichtige Massnahme. Sie solle nicht alles glauben, was sie im Netz lese. Schritte wie etwa das Sperren bestimmter Propaganda lehnt er ab. "Das widerspricht nicht nur jedem demokratisch-pluralistischen Politikverständnis, sondern es stellt eine grobe Verletzung des Menschenrechts auf Meinungsfreiheit dar", sagt Birk. Demokratie bedeute, dass Personen Meinungsäusserungen aushalten müssten, die sie selbst ablehnten. Deshalb sei es auch nicht sinnvoll, soziale Medien als Wahlplattformen zu verbieten. Steiger sieht die Demokratie ebenfalls in Gefahr, wenn politische Akteure ein gängiges Kommunikationsmittel nicht mehr für politische Zwecke verwenden könnten. Lenzin bekräftigt, dass ein solches Verbot auch gar nicht vorgesehen sei. Ausserdem würde "die Digitalisierung im Allgemeinen und die sozialen Medien im Besonderen für die Demokratie nicht nur Risiken, sondern auch Chancen enthalten".
Ab wann gilt eine Aktion als Zensur, ab wann wird die Meinungsfreiheit gefährdet? Wer entscheidet, ob eine Information richtig oder falsch ist? Falls die Behörden die Schweizer für Fake News auf sozialen Medien sensibiliseren, könnten diese selbst darüber entscheiden. Doch wie diese Sensibilisierung aussehen soll, ist noch unklar. Auch ist fraglich, wie sehr die Menschen den steten Einflüssen der Werbung auf Social Media widerstehen können. Die Wahlen werden es zeigen.