« Die SBVg sieht im Open Banking grosses Potenzial für den Finanzplatz »
Herbert Scheidt ist der oberste Schweizer Banker und damit das Aushängeschild des Finanzplatzes Schweiz. Im Interview spricht er über Rahmenbedingungen und darüber, warum er für Open Banking, aber gegen die EU-Richtlinie PSD2 ist.
Wie geht es dem Finanzplatz Schweiz im Jahr 2019?
Herbert Scheidt: Heute, zehn Jahre nach der Finanzkrise, ist der Finanzplatz Schweiz hervorragend aufgestellt. Die Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen sind erhöht, der Anleger- und Kundenschutz ist gestärkt worden. Unsere Banken sind stabil und bieten ihren Kunden erstklassige Dienstleistungen. Beides bildet die Basis für Vertrauen, das wichtigste Gut im Finanzbusiness. Dies ist auch der Hauptgrund, wieso die Schweiz der grösste Finanzplatz für das grenzüberschreitende Geschäft ist. Doch der globale Wettbewerb ist intensiver geworden. Wichtige ausländische Finanzplätze wachsen schneller als die Schweiz. In Zeiten sinkender Margen und immer rascherer technologischer Dynamik muss die Profitabilität steigen. Hier sind unsere Banken gefordert.
Welche Trends sehen Sie im Banking in der Schweiz?
Digitale Innovationen verändern das Banking auch in Zukunft fundamental. Um innovative Geschäftsmodelle entwickeln zu können, braucht es Rechtssicherheit und Vertrauen. Ich bin erfreut, dass die Behörden aktiv und unvoreingenommen gemeinsam mit uns beste Standortbedingungen gestalten. So sind sie die Fintech-Lizenz oder auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für Blockchain schnell angegangen. Disruptive Entwicklungen beim Open Banking oder bei der Tokenisierung von nicht bankfähigen Vermögenswerten warten nicht auf Behörden. Ich bin stolz, dass die SBVg in diesen Bereichen konstruktiv Pflöcke eingeschlagen hat. Blockchain, Cloud-Banking und Cybersecurity verfolgen wir mit absoluter Priorität.
Wo wird die SBVg in Zukunft sonst aktiv sein?
Die Banken besitzen grosse Mengen an Kundendaten. Ich möchte die Diskussion über einen vertrauensvollen Umgang mit diesen Daten anstossen. Datenvertraulichkeit und Sicherstellung der Privatsphäre waren seit jeher unsere grosse Stärke. Dies soll im Interesse unserer Kunden auch so bleiben. Die Datenskandale verschiedener sozialer Netzwerke dürfen in der Schweiz nicht passieren. Gleichzeitig hilft uns eine bessere Datenanalyse, unsere Kunden weiterhin erstklassig bedienen zu können. Indem Dienstleistungen zunehmend digital und somit auch global angeboten werden, stellt sich weiter die Frage, wie diese möglichst gerecht besteuert werden können. Aktuell werden neue Regeln für die Besteuerung einer digitalen Wirtschaft diskutiert. Ich sehe Nachhaltigkeit zudem als zentralen Faktor für den Erfolg unseres Finanzplatzes. Wir sind hier bereits erfolgreich unterwegs, aber ich sehe noch viel Potenzial. Abgesehen davon wollen wir uns als Verband konstruktiv in die aktuell virulente politische Diskussion einbringen und dies wird auch von uns erwartet!
Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf das Geschäft der Banken?
Die Wertschöpfung der Dienstleistungserstellung wird durch digitale Innovationen immer weiter aufgebrochen. Wie in anderen Industrien erhöht die Spezialisierung in den einzelnen Schritten von der Produktion bis zum Vertrieb die Effizienz. Das Festhalten an traditionellen Systemen dürfte aufgrund des steigenden Margendrucks schwierig sein. Aber nicht nur dies. Die Anpassung der Geschäftsmodelle hat auch Auswirkungen auf die Marktstruktur mit Chancen und Risiken für Banken. Diese können einerseits ihre Innovationsfähigkeit erhöhen, Kosten senken und so im Wettbewerb stärker auftreten. Gerade kleinere Institute können Skalennachteile durch Technologie reduzieren, ohne an Agilität einzubüssen. Nicht mehr die Grossen fressen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen. Andererseits stelle ich fest, dass Nicht-Banken-Ökosysteme Bankdienstleistungen bei sich integrieren. In solchen Fällen rutscht die Bank in die Rolle des reinen Produktlieferanten und entfremdet sich von ihrer Kundenbasis, dem wertvollsten Asset der Banken.
Mein zentrales Anliegen war es, die Beziehungen zu Bern zu vertiefen und auszubauen.
Herbert Scheidt, Präsident, SBVg
Welche Überlebenschancen räumen Sie den klassischen Retailbanken in der Schweiz ein?
Viele Jahre waren Banken auf die Folgen der Finanzkrise fokussiert. Ich stelle zufrieden fest, dass sie nun wieder proaktiv strategische Weichen für die Zukunft stellen. Das ist wichtig, denn das Marktumfeld ist anspruchsvoll: Die Wettbewerbsintensität nimmt stetig zu und die tiefen Zinsen werden anhalten. Retailbanken werden den Margenschwund zunehmend schlechter durch Skalierung kompensieren können. Vier Jahre nach Einführung der Negativzinsen durch die SNB treten nun die Nebeneffekte dieser Politik immer stärker zutage. Jedes Finanzinstitut ist somit zum Handeln verpflichtet. Die erfolgreiche Umsetzung innovativer Geschäftsmodelle mittels neuer Technologien ist matchentscheidend.
Was halten Sie von den aufkommenden Smartphone-Banken?
Die Kunden unserer Banken bewegen sich heute in ihrem Alltag in der digitalen Welt. Sie erwarten deshalb sichere Smartphone-Dienstleistungen auch von ihrer Hausbank. Wichtige Anforderungen sind Flexibilität, Komfort und tiefe Gebühren. Smartphone-Banken richten sich stark nach diesen Bedürfnissen der Kunden. Nur wenige User lassen sich aber den Monatslohn von ihrem Arbeitgeber auf eine App senden. Es sind die traditionellen Banken, die weiterhin höchstes Vertrauen ihrer Kunden geniessen. Es ist klar, dass sie der Entwicklung innovativer Dienstleistungen oberste Priorität einräumen müssen, ohne Kompromisse bei ihren bisherigen Stärken einzugehen. Entscheidend für den Erfolg jedes Instituts ist seine Fähigkeit, mit Veränderungen umzugehen und innovative Technologien schnell und konsequent umzusetzen. Ausreden gibt es keine, denn die Rahmenbedingungen für die Anwendung von Zukunftstechnologien in der Schweiz sind ausgezeichnet.
Wie stehen Sie zu Open Banking, Stichwort PSD2. Die SBVg hat sich dazu in der Vergangenheit ja auch kritisch geäussert ...
Die SBVg sieht im Open Banking grosses Potenzial für den Finanzplatz Schweiz. Die Anbindung von Dienstleistungen von Drittparteien entspricht dem Kundenwunsch nach integrierten Lösungen. Es gibt viele Dienstleistungen, bei denen Bankdaten mit externen Dienstleistungen verbunden werden. Ein Beispiel ist die Verbindung von Buchhaltung und Bankkonto durch eine Schnittstelle. Die SBVg begrüsst solche Bestrebungen von Banken. Sie zeigen, dass der Wettbewerb funktioniert und Innovationen fördert. Eine staatlich erzwungene, einseitige Öffnung von Zugriffsrechten für Dritte, wie es die PSD2 in der EU verlangt, lehnen wir aber klar ab.
Wie steht die SBVg nach zweieinhalb Jahren unter Ihrem Präsidium da?
Ich trete dafür ein, dass die Schweiz auch in Zukunft über einen der stärksten, wettbewerbsfähigsten und innovativsten Finanzplätze verfügt. Dazu stehen drei Aspekte im Vordergrund: erstens eine klare Positionierung, die durch professionelle Promotion im In- und Ausland fortlaufend geschärft wird. Zweitens vorausschauendes und proaktives Agieren. Sei dies im Umgang mit Fintech, Blockchain und Cloud oder mit der Altersvorsorge. Zu allen Regulierungen, die den Finanzplatz betreffen, sind wir im engen Dialog mit Bundesbern, der Finma und SNB. Mein zentrales Anliegen war es, die Beziehungen zu Bern zu vertiefen und auszubauen. Das haben wir in kürzester Zeit geschafft. Drittens ist die enge Zusammenarbeit mit unseren Mitgliedern und anderen Verbänden von grosser Bedeutung. So gründeten wir etwa gemeinsam mit der SFAMA und anderen Partnern die Asset-Management-Plattform.
Mit Jörg Gasser habe ich einen CEO an der Seite, der mit seiner nationalen wie internationalen Erfahrung die SBVg bestens in die Zukunft führen kann. Er zeichnet sich durch grosses Verhandlungsgeschick, Durchsetzungsfähigkeit und Weltoffenheit aus. Er hat in seiner Karriere immer wieder unter Beweis gestellt, dass er vorausschauend für unseren Finanzplatz denkt und handelt. Digitale Innovationen stehen ganz oben auf seiner Prioritätenliste.
Welche Bedeutung wird der Finanzplatz Schweiz in Zukunft noch haben?
Es stimmt mich zuversichtlich, dass die Schweiz nicht nur im klassischen Private Banking weltweit die Nummer eins ist, sondern auch als Fintech-Standort ganz vorne mitspielt. Dieses solide Fundament wollen wir pflegen und fortlaufend verbessern. Bundesrat und Parlament haben die Zeichen der Zeit erkannt: Innovationsfragen und die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes sind im Fokus der Politik. Es wird auch am neuen Parlament liegen, den Paradigmenwechsel hin zur digitalen Zukunft des Finanzplatzes konsequent zu vollziehen. Es geht aber nicht nur um die Rahmenbedingungen für neue Finanztechnologien. Wir müssen bei sämtlichen rechtlichen und steuerlichen Standortbedingungen prüfen, ob sie die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes und der Banken stärken.
Digitale Fitness
Auf einer Skala von 1 bis 10, als wie « digital fit » bezeichnen Sie...
7 | sich selbst?
7 | die Schweiz?
8 | die Finanzbranche?
8 | Ihren Verband?
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Über die Schweizerische Bankiervereinigung
Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) ist die Stimme der Banken in der Schweiz. Als Dachverband repräsentiert sie nahezu alle Banken in der Schweiz. Das Hauptziel des Verbands ist die Förderung optimaler Rahmenbedingungen im In- und Ausland für den Finanzplatz Schweiz. Dazu vertritt die SBVg die Interessen der Banken in der Wirtschaft, in der Politik, gegenüber der Regierung, den Behörden und den Regulierern. Als Wissenszentrum für die Rahmenbedingungen von morgen antizipiert die SBVg die für den Finanzplatz relevanten Entwicklungen. (Quelle: SBVg)