Digitale Bildung im Gesundheitswesen

Digitalisierung im Gesundheitsberuf: mehr als E-Learning 4.0

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von Sylvia Kaap-Fröhlich, Leitung Careum Bildungsentwicklung

Das Berufsfeld der Gesundheitsberufe, insbesondere der Pflegeberuf, wird immer mehr digital transformiert. Das hat Auswirkungen auf die Aus- und Weiterbildung – denn Digitalisierung ist mehr als bloss E-Learning 4.0.

Sylvia Kaap-Fröhlich, Leitung Careum Bildungsentwicklung. (Source: zVg)
Sylvia Kaap-Fröhlich, Leitung Careum Bildungsentwicklung. (Source: zVg)

Digitalisierung durchdringt unser Leben in allen Facetten. Das Smartphone ist ständiger Begleiter geworden – einen Begriff im Internet zeitnah zu suchen oder zu einem Treffpunkt via App zu navigieren längst Selbstverständlichkeit. Auch die zentralen Lebensbereiche wie Bildung und Gesundheit sind davon betroffen, dennoch finden sich derzeit wenige Publikationen zu den Herausforderungen der digitalen Transformation der Bildung im Gesundheitssystem. Dabei sollten neben der Digitalisierung als solche auch immer die Entwicklungen im Bildungs- und Gesundheitssektor gemeinsam betrachtet werden – im Sinne eines Bildungsmanagements im Gesundheitssystem.

Digitale Bildung

Man könnte nun meinen, dass es sich bei digitaler Bildung lediglich um ein E-Learning 4.0 handelt, aber Digitalisierung durchdringt die Bildung in einem viel grösseren Ausmass (Dräger & Müller-Eiselt, 2015). Kerres (2016) konstatiert Veränderungen hinsichtlich Lernorten, Geschäftsprozessen und Produkten: Der reale Unterrichtsraum wird digitaler und damit auch interaktiver, der virtuelle Lernort Internet wird durch Funktionen zum Livestreaming immer sozialer. Das Lernen wird ubiquitär, also letztlich losgelöst vom Raumkonzept. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette ergeben sich neue Wege zur Unterstützung der Kompetenzentwicklung: E-Prüfungen und E-Portfolio in der betrieblichen Weiterbildung stellen das Talentmanagement von Unternehmen auf andere Beine. Als Produkte nur digitale Inhalte im Netz bereitzustellen hat als Geschäftsmodell ausgedient, vielmehr wird der Mix von Bildungsressourcen mit digitalen Beratungs- und Zertifizierungsleistungen an Bedeutung gewinnen (Kerres, 2016). Selbstredend, dass sich auch die Kompetenzen der Lernenden und Lehrpersonen, aber auch der Führungskräfte in den Bildungsorganisationen ändern müssen, wie Ammann und Kolleginnen (2019) exemplarisch für problembasiertes Lernen im Blended-Format konstatieren. Derzeit gibt es verschiedene Kompetenzmodelle – bisher nur wenige Kompetenzrahmen speziell für Ausbildungen im Gesundheitswesen. Dabei könnte hier das multiprofessionelle Potenzial genutzt werden: Durch digitale Formen der Kommunikation und Problemlösung könnten die Prozesse zwischen den Health Professionals effektiver gestaltet werden.

Digitale Gesundheitswelt

Das Berufsfeld der Gesundheitsberufe, insbesondere der Pflegeberuf, wird immer mehr digital transformiert (Careum Stiftung, 2018). Viele Innovationen wie Apps, Wearables, aber auch Schlagwörter wie Big Data, Robotic oder elektronisches Patientendossier prägen diese Welt. Fakt ist, dass der Gesundheitsmarkt derzeit stark vom technisch Machbaren und weniger vom Patientennutzen getrieben wird. Patienten und Angehörige kommen dank digital verfügbarer Gesundheitsinformationen häufig vorinformiert zum Arztbesuch oder sammeln selbst wichtige krankheitsrelevante Verlaufsdaten, die in den Behandlungs- und Betreuungsprozess einfliessen können. Telenursing ermöglicht Pflegeberatung über weite Distanzen. Die Arbeit wird dezentraler und automatisierter. Gleichzeitig kann die durch Digitalisierung verstärkte Vernetzung der Kommunikation den interprofessionellen Austausch fördern. Dafür benötigen die Health Professionals neues Wissen sowie digitale Skills.

Was ist zu tun?

Am "Careum Dialog" diskutierten 70 Experten aus dem deutschsprachigen Europa zur Thematik "Digitale Transformation der Bildung im Gesundheitswesen" und verabschiedeten Handlungsempfehlungen. Die in der Reihe Working Paper erschienene Publikation geht dabei von den oben erwähnten Überschneidungen zwischen Digitalisierung, Gesundheit und Bildung aus (siehe Grafik; Kuhn et al., 2019: 3). Die Empfehlungen mit der höchsten Relevanz sind (ebd.: 30ff.):

Working Paper in der Schnittmenge "Gesundheit – Bildung – Digitalisierung". Wie revolutioniert die digitale Transformation die Bildung der Berufe im Gesundheitswesen? (Quelle: Kuhn et al., 2019: 3)

Digitale Transformation durch Co-Design gestalten: Aktuelle und zukünftige Entwicklungen der digitalen Transformation sollten in Kooperation mit den verschiedenen Gesundheitsberufen und Patienten entwickelt (Co-Design) und allen Beteiligten zugänglich gemacht werden. Sie sollten sich an den Anforderungen und Bedürfnissen der Patienten und nicht am technisch Machbaren orientieren.

Multiplikatoren qualifizieren: Lehrende sollen auf ihre Rolle, digitale Kompetenzen zu vermitteln sowie digitale Lehr-/Lernformate umzusetzen, durch eigene Aus-, Weiter- und Fortbildungsmassnahmen qualifiziert werden. Als erster Schritt ist hierzu eine Schulung von Multiplikatoren erforderlich.

Digitale Experimentier- und Diskursräume schaffen: Es sollen virtuelle und reale Experimentier- und Diskursräume geschaffen werden, die den Dialog zwischen allen Beteiligten des Bildungssystems der Gesundheitsberufe (Lernende, Studierende, Patienten, Angehörige, Lehrende, Curriculumentwickler etc.) anregen.

Gender- und Diversity-Aspekte berücksichtigen: Bei der Entwicklung, Implementierung und Schulung digitaler Anwendungen sollen zukünftig sowohl fachliche, technische, ethische und rechtliche Aspekte als auch Gender- und ­Diversity-Aspekte adäquat berücksichtigt werden.

Weitere Empfehlungen betreffen digitale Gesundheitskompetenz, die Bildung von Communities of Practice, oder aber auch die Bildungsinstitutionen selbst.

Fazit

Digitale Bildung im Gesundheitssystem steht wie alle digitalen Transformationen noch im Nebel des Aufbruchs, der die Sicht trübt. Gemeinsam, das heisst zwischen den verschiedenen Gesundheitsberufen und zwischen Gesundheitsberufen und Betroffenen, entwickeln sich trotz der Unsicherheiten Pilotprojekte. Kleine Prototypen in der Gesundheitsbildung ermöglichen, digitale Kompetenzen zu erwerben und lassen Scheitern im Kleinen zu. Daraus wachsen Erfahrungen für neue Wege. Patienten und ihre Angehörigen stehen im Mittelpunkt. Sie stehen als Partner zur Verfügung und gestalten gemeinsam Bildung im digitalen Zeitalter im Gesundheitssystem, zukunfts­fähig und ethisch verantwortlich. Lassen Sie uns gemeinsam diskutieren und tun!

Literatur

  • Ammann, D., Vignoli, Y. & Kaap-Fröhlich, S. 2019. Wie kann problembasiertes Lernen im Blended-Learning-Format umgesetzt werden? Beitrag zur HoGe–Tagung 2018 "Digitales Lernen und Lehren". International Journal of health professions, 6, 90-6.

  • Careum Stiftung. 2018. Gemeinsame Erklärung zur digitalen Transformation in der Pflege.
    www.careum.ch/documents/20181//263261//Erklaerung+Careum+Dialog+2018. [Zugriff am 13.06.2018].

  • Dräger, J. & Müller-Eiselt, R. 2015. Die digitale Bildungsrevolution: Der radikale Wandel des Lernens und wie wir ihn gestalten können. München: Deutsche Verlags-­Anstalt.

  • Kerres, M. 2016. E-Learning vs. Digitalisierung der Bildung: Neues Label oder neues Paradigma?
    https://learninglab.uni-due.de/sites/default/files/elearning-vs-digitalisierung.pdf. [Zugriff am 23.08.2019].

  • Kuhn, S., Ammann, D., Cichon, I., Ehlers, J. Guttormsen, S., Hülsken-Giesler, M., Kaap-Fröhlich, S., Kickbusch, I., & Pelikan, J., Reiber, K., Ritschl, H. und Wilbacher, I. 2019. Careum working paper 8 – long version: "Wie revolutioniert die digitale Transformation die Bildung der Berufe im Gesundheitswesen?".
    www.careum.ch/workingpaper8-lang. [Zugriff am 23.08.2019].

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