Punkt-zu-Punkt-Kommunikation auch im Gesundheitswesen
Der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien ist im Gesundheitswesen weit weniger verbreitet als in anderen Dienstleistungsbereichen. Die Kommunikation zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern erfolgt heute grösstenteils nicht standardisiert, geschweige denn digitalisiert – dies ändert sich aber.
Das Bedürfnis nach digitalen Lösungen im Gesundheitswesen steigt von Tag zu Tag. Die bisherigen Kommunikationsprozesse können jedoch mit einer stetig wachsenden Dynamik nicht mehr Schritt halten und sind fehleranfällig. Der Trend geht klar zu digitalen Lösungen, die im Stande sind, Kommunikationsprozesse standardisiert und letztlich auch automatisiert abzuwickeln. Die administrativen Prozesse zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern stehen derzeit besonders im Fokus.
Inneffiziente Prozesse führen zu einer asymmetrischen Kommunikation
Eintritts- und Austrittsdaten eines Patienten zu stationären Massnahmen sowie detaillierte Informationen zur Behandlung sind für Kostenträger eminent wichtige Informationen. Dabei ist insbesondere eine schnelle und transparente Abwicklung von Gesuchen für Kostengutsprachen zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern notwendig. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Kostenübernahme rasch vonstattengeht, respektive die ungedeckten Kosten transparent kommuniziert werden. Und dies, bevor eine Leistung erbracht wird. Davon profitieren ausser den Spitälern und den Versicherern nicht zuletzt auch die Patienten und Kantone.
Die Abwicklung erfolgt heute häufig manuell und je nach Adressaten über unterschiedliche Kanäle wie Brief, Fax, Telefon oder E-Mail. Vorausgesetzt, der richtige Adressat ist bekannt, denn der Leistungserbringer ist sich vielfach nicht sicher, ob er eine Meldung an den richtigen Kostenträger sendet. Die Datenübermittlung dauert lange und findet meist erst nach der Behandlung statt. Dass dies unweigerlich zu Ineffizienzen und hohen Kosten führt, wurde mittlerweile erkannt.
Die Lösung ist eine digitale Abwicklung. Diese ermöglicht einen frühzeitigen, sicheren und effizienten Austausch von Informationen und Daten auch bei mehreren Kostenträgern. Im Sinne eines «Privacy by Design»-Ansatzes wird der Datenschutz bei der Prozessgestaltung miteinbezogen. Für die nötige Sicherheit sorgt eine durchgehende End-to-End-Verschlüsselung zwischen den Leistungserbringern und den Kostenträgern.
Zudem werden durch einen mehrstufigen, standardisierten Prozess auf jeder Stufe nur die notwendigen Daten direkt ausgetauscht. Dadurch können der Datenaustausch beziehungsweise die Datenbearbeitung auf das Notwendige reduziert werden. Gerade im Vergleich zum Status quo führt dies zu einer deutlichen Stärkung des Datenschutzes. Für eine digitale Abwicklung sind gemeinsame Standards und Semantik unerlässlich. Nur so können der Kommunikationsprozess sowie der Inhalt der Kommunikation standardisiert werden. Die Standardisierung bildet letztlich auch die Grundlage für die Automatisierung.
Durch Standards zu einer gemeinsamen Grundlage
Der Verein eCH fördert, entwickelt und verabschiedet Standards im Bereich E-Government für eine effiziente elektronische Zusammenarbeit zwischen Behörden, Unternehmen und Privaten. Der Prozess für die Freigabe von Standards ist klar definiert und erfüllt mit dem Mitwirkungsverfahren auch eine hohe Akzeptanz in der ganzen Branche. Standards werden dadurch professionell eingeführt, gepflegt und weiterentwickelt.
Im November hat eCH nun einen Meldungsstandard (eCH-0235) genehmigt. Dieser enthält den übergeordneten Meldungsrahmen für die harmonisierte und weitgehend automatisierte Abwicklung von administrativen Prozessen zwischen den Akteuren des Gesundheitswesens bezogen auf die Heilungskosten-Abwicklung. Dazu kommen ein Datenstandard (eCH-0234), der die übergreifenden fachlichen Konzepte und Datentypen definiert, ein Prozessstandard «Spital stationär» (eCH-0236), der die fachliche Prozesslogik und die Meldungsinhalte definiert, sowie der Prozessstandard «Pflege» (eCH-0237), der dasselbe für das Pflegewesen definiert. Dies dient dem zentralen Anliegen eines einheitlichen und sicheren Datenaustausches.
Bedürfnisse im Schweizer Gesundheitssystem
Alle Akteure im schweizerischen Gesundheitssystem verlangen nach effizienten Prozessen. Damit können Kosten gesenkt werden und die Akteure können sich stärker ihrem Kerngeschäft widmen. Aber auch die Datensicherheit sowie eine Erhöhung der Datenqualität wird immer wichtiger. Dazu muss ein reibungsloser digitaler Austausch implementiert werden, der allen Anforderungen gerecht wird und zusätzlich transparent und nachvollziehbar ist. Die oben genannten Standards sollen genau dies ermöglichen.
Wie funktioniert dieser Kommunikationsstandard und was leistet er?
Der Kommunikationsstandard entspricht dem Behandlungspfad von Patienten: Planung des Spitalaufenthalts, Kostensicherung via Versicherer und Kantone, Eintritt, Behandlung und Austritt. Anhand des Prozessstandards Spital stationär lässt sich die Funktionsweise am besten erklären. Dies sieht im Detail so aus:
Nach der Anmeldung für einen stationären Aufenthalt eröffnet die Patientenadministration des Spitals in ihrem System einen Behandlungsfall. Dies löst automatisch eine Eröffnungsmeldung zum Behandlungsfall an die entsprechenden Kostenträger aus.
Verschlüsselt übermittelt das Spital den Kostenträgern die notwendigen Daten zur Prüfung der Kostenübernahme.
Nach der weitgehend automatisierten Prüfung der Kostenübernahme erhält das Spital die Antwort der Kostenträger mit einer Zusicherung, Ablehnung oder Nachfrage wiederum elektronisch.
Bei Eintritt und Austritt des Patienten übermittelt das Spital erneut automatisch den Kostenträgern eine entsprechende Meldung.
Keine Briefe, kein Fax, keine Telefone, keine E-Mail – der neue Standard regelt den nötigen Austausch von Informationen und Daten vollständig digital. Dies führt zu vereinfachten Prozessen, sinnvollen Automatisierungen und eingesparten Verwaltungskosten.
Mittels einer Punkt-zu-Punkt-Kommunikation wird eine direkte Verbindung zwischen zwei Partnern eingerichtet. Dies führt zu einem hohen Mass an Sicherheit und Kontrolle. Die Unmittelbarkeit, gepaart mit dem Fakt, dass nur die involvierten Partner Einsicht in die Kommunikation haben, ergibt das beste Argument für diesen Datenaustauschprozess.
Anhand von Erfahrungen aus der Praxis kann gesagt werden, dass die definierten Prozesse im Zusammenspiel mit den strukturierten Meldungen sicherstellen, dass klar ist, wann welche Informationen zu welcher Prüfung vorliegen. Darauf lassen sich Systemprüfungsregeln aufsetzen und der interne Prozess transparent und einheitlich definieren. Dies bildet somit eine wichtige Grundlage für eine automatisierte Prüfung, eine hohe Abwicklungseffizienz und eine starke Reduktion von Rückfragen.
Akteure des schweizerischen Gesundheitswesens, die sich einem entsprechenden Kommunikationsstandard verpflichten, können also positiv in die Zukunft blicken. Die Digitalisierung der Kommunikation schreitet auch im Gesundheitswesen voran und standardisiert und automatisiert die administrativen Prozesse unter höchsten Sicherheitsstandards.
::::::::::::::: INTERVIEW ::::::::::::::::::::::::::
Der neue Standard SHIP soll die Kommunikation zwischen den Akteuren im Gesundheitswesen verbessern. Ueli Leiser, Leiter Patientenadministration bei den Solothurner Spitälern, verrät Details zu SHIP, der Implementierung im Betrieb und dem Datenschutz. Interview: Oliver Schneider
Es ist kaum vorstellbar, dass immer noch Faxgeräte genutzt werden
Was ist SHIP?
Ueli Leiser: SHIP ist der offene Kommunikationsstandard, der die administrativen Prozesse zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern im schweizerischen Gesundheitswesen harmonisiert und digitalisiert. Er wurde von Sasis zusammen mit TI&M entwickelt und durch ihn werden Kostengutsprachen schnell, einfach und transparent abgewickelt. Dies führt durch vereinfachte Prozesse zu einer Effizienzsteigerung, sinnvollen Automatisierungsmöglichkeiten und tieferen administrativen Aufwänden.
Was hat Sie dazu bewegt SHIP zu implementieren?
SHIP ist eine zeitgemässe Technologie, um Informationen zwischen Businesspartnern auszutauschen. Es ist kaum vorstellbar, dass immer noch Faxgeräte für die Kostensicherung genutzt werden. Eine Umgehungslösung ist das Einscannen der Kostengutsprachen und der Versand via E-Mail. Dies ist aufwändig und nicht wirklich ein Fortschritt. Mit SHIP habe ich das, was heute mühsam manuell erledigt wird, innerhalb von ein paar Sekunden erledigt und muss danach keinen Gedanken mehr daran verschwenden.
Was ist das übergeordnete Ziel von SHIP in Ihrem Betrieb?
Eine schnelle und transparente Abwicklung von Kostengutsprachen-Gesuchen zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern ist zwingend notwendig, sodass die Kostenübernahme respektive ungedeckten Kosten transparent gemacht werden können, bevor Leistungen erbracht werden. Dies kommt nicht zuletzt unseren Patienten zugute.
Was bedeutet SHIP hinsichtlich des Datenschutzes bei den Spitälern?
In einem ersten Schritt werden die administrativen Daten geprüft. Ist die betreffende Person überhaupt bei der jeweiligen Versicherung bekannt? Erst wenn diese Anfrage bestätigt ist, werden die weiteren Schritte eingeleitet. Wichtig ist, dass medizinische Daten – wir sprechen hier vor allem über die Eintrittsdiagnose – erst dann weitergegeben werden, wenn die Versicherung danach fragt. Bis heute haben wir die Eintrittsdiagnose bereits bei der Erstanfrage bekannt gegeben. Ob dies die Versicherung wünscht oder nicht, wurde nicht berücksichtigt. Und es gab immer wieder Irrläufer, wo die Informationen an einen falschen Adressaten gelangten. Mit SHIP kann garantiert werden, dass genau das nicht passiert.
Was sind Ihre Erkenntnisse aus dem SHIP-Live-Betrieb?
Wir erhalten rasch Antwort auf unsere Anfragen. Wichtig ist: Wir erhalten immer eine Antwort. Die Zeit der «stillschweigenden Gutsprachen» ist vorbei. Wir sehen einen deutlichen Trend, dass Fälle, die über SHIP abgewickelt werden, zu weniger Berichtsanfragen und Rückweisungen führen. Aus den bereits gemachten Erfahrungen lässt sich sagen, dass die Anzahl der Rückweisungen mit SHIP etwa um die Hälfte reduziert werden konnte.
Wie sah die Inbetriebnahme von SHIP aus?
Für uns war es wichtig, möglichst rasch mit SHIP zu starten, um Erfahrungen zu sammeln und schrittweise unsere interne Organisation anzupassen. Daher haben wir den Mehraufwand der Datenpflege mittels SHIP-Referenzapplikation (RAC) auf uns genommen. Sobald unser Softwarelieferant alle Komponenten ausgeliefert hat, werden wir SHIP in unser ERP integrieren. Wir planen dies bis Ende 2020 zu realisieren und mit möglichst allen Versicherungen eine direkte Anbindung zu haben.