So will Clearspace den Weltraum entrümpeln
Hunderttausende kaputte Elektroteile umkreisen unsere Erde. Das Risiko eines Zusammenstosses mit funktionierenden Satelliten wächst täglich. Ein Spin-off der EPFL entwickelt eine Technologie, um Weltraumschrott vom Himmel zu holen. Bereits 2025 könnte die erste Mission starten.
Der Weltraum, unendliche Weiten – und beinahe unendlich viel Abfall. Eine nur schwer vorstellbare Menge kleiner und grosser Elektroteile umkreist inzwischen die Erde oder befindet sich bereits ausserhalb der Umlaufbahn, unterwegs zu einem anderen Stern. Mehr als 29000 Teile mit einem Umfang von mehr als 10 Zentimeter befinden sich in der Erdumlaufbahn, schreibt die Europäische Weltraumbehörde (ESA). Weitere 670'000 haben noch immer einen Umfang von mehr als einem Zentimeter, und weitere 170 Millionen Teile sind grösser als einen Millimeter.
Teuer und gefährlich
Bei den grössten Weltraumschrott-Teilen handelt es sich um nicht mehr funktionierende oder verloren gegangene Satelliten. Mehr als 3000 Stück stecken in der Erdatmosphäre, schreibt Microsoft in einer Mitteilung. Auch abgekoppelte Raketentriebwerke von Weltraumflügen werden zu Space Junk, und auch Satelliten-Abwehrsysteme hinterlassen Abfall in der Erdumlaufbahn, wie eine Aufstellung auf Wikipedia zeigt.
Die ständig grösser werdende Menge an Abfall stellt für die Weltraum-Industrie ein wachsendes Problem dar, schreibt die ESA. Die nicht mehr steuerbaren Elektroteile können jederzeit mit noch funktionierenden Satelliten zusammenstossen und diese dadurch ausser Gefecht setzen. Für Satellitenbetreiber sei es jetzt schon teuer, ihr Equipment vor Kollisionen zu schützen, schreibt die Behörde, macht aber für die Zukunft eine noch grössere Gefahr aus: Wachse der Abfallberg nämlich ungehindert weiter, müsse man künftig möglicherweise bestimmte Umlaufbahnen komplett für weitere Satelliten sperren.
Ein EPFL-Spin-off hat vielleicht die Lösung
Derzeit passiere nicht genug, um die Abfallmenge im All einzudämmen, urteilt die ESA. Die Behörde beobachtet die Erdumlaufbahn zwar und informiert Satellitenbetreiber im Falle drohender Zusammenstösse. Künftig wolle man aber auch anfangen, den Weltraumschrott vom Himmel zu holen.
Das Video von Clearspace zeigt, wie der Weltraumschrott eingefangen werden soll.
Die Technologie für dieses Unternehmen kommt von Clearspace, einem Spin-off der ETH Lausanne (EPFL). "Das Team wird sich in Zusammenarbeit mit renommierten Industriepartnern darauf konzentrieren, modernste Technologien für Sensorfusion, autonome Navigation und Weltraumrobotik zu entwickeln und diese in einen agilen Chaser zu integrieren", erklärt Microsoft die nächsten Schritte des Start-ups. Das Redmonder Unternehmen hat Clearspace erst kürzlich in sein Global Social Entrepreneurship Program aufgenommen und ihm "Technologie, Partnerschaften und Finanzielle Unterstützung" zugesagt. Weitere Clearspace-Partner sind etwa Airbus, Thales, Ruag, SSTL.
Die erste Mission ist ein Hundertkilo-Brocken
Noch ist die Technologie von Clearspace nicht einsatzbereit. Im Jahr 2025 solle es jedoch so weit sein, schreibt Microsoft. Für diesen Zeitpunkt ist eine erste Mission mit dem Namen "ClearSpace-1" geplant. Ziel der Mission sei es, eine Raketen-Oberstufe (VESPA - Vega Secondary Payload Adapter) zurückzuholen, die seit 2013 die Erde umkreist. Sie ist etwa 100 Kilogramm schwer und hat die Grösse eines Kleinsatelliten. "Ihre relativ einfache Form und robuste Konstruktion machen sie zu einem geeigneten ersten Ziel", erläutert die ESA.
Mit dem ersten Schritt wolle man beweisen, dass es grundsätzlich Möglich sei, Weltraumschrott auf die Erde zu holen. Später sollen sich auch grössere und anspruchsvollere Objekte einfangen lassen. Mehr Informationen zur ersten Mission erhalten Sie im Video:
Nicht nur Weltraumschrott stellt für die Technologie im Weltraum eine Gefahr dar. Nach den USA, Russland und China hat 2019 auch Indien demonstriert, dass es einen Satelliten zerstören kann. Weitere Länder dürften folgen, denn das Wettrüsten im All wurde durch entsprechende Ankündigungen von USA und NATO in jüngster Zeit wieder befeuert. Es sei darum wichtig, die technische Infrastruktur im Weltall zu schützen, schreibt Nicole Wettstein, Verantwortliche Schwerpunktprogramm Cybersecurity, SATW, in einem Fachartikel.