Erfolgreicher Wandel beginnt mit den Menschen
Die digitale Transformation ist unausweichlich und rigoros. Mit neuen Technologien verändert sie Arbeitsstrukturen und -methoden grundlegend und rasant. Einige können dem nicht folgen, andere starten mit neuen Geschäftsmodellen durch. Der Schlüssel zum Erfolg liegt im Change Management.
Arbeitsstrukturen und -methoden ändern sich im Rahmen der digitalen Transformation fortlaufend und schnell. Gutes Change Management kann dabei helfen, die Veränderungen erfolgreich zu implementieren. Dass an diesem Begriff seit Jahren anhaltendes Interesse besteht, beweisen die Suchanfragen auf Google. Ihnen zufolge gibt es in der Schweiz pro Monat durchschnittlich 40 Nachforschungen allein zu einer Erklärung beziehungsweise Definition, was Change Management bedeutet. Daraus lässt sich schliessen, dass vielen nicht klar ist, worum es dabei geht.
Die Antwort ist einfach: Change Management heisst übersetzt "Veränderungsmanagement". Es bezeichnet die bewusste laufende Anpassung von Unternehmensstrategien und -strukturen an die sich wandelnden Rahmenbedingungen. Dabei umfasst Change Management sämtliche Aufgaben, Massnahmen und Tätigkeiten zur Umsetzung neuer Strategien, Strukturen, Systeme, Prozesse oder Verhaltensweisen. Diese werden immer häufiger unterschätzt. Das betrifft insbesondere die Auswirkung von Veränderungen auf Menschen.
Schlechtester Wert seit zehn Jahren
Die Change-Fitness-Studien der Unternehmensberater von Mutaree belegen diese Entwicklung. Die aktuelle Untersuchung weist aus, dass nur noch 16 Prozent der Firmen Change-Projekte als erfolgreich bewerten. Dies sei der schwächste Wert der vergangenen zehn Jahre. Oft scheitern Vorhaben, weil die betroffenen Mitarbeitenden überfordert seien: Hohe Arbeitsverdichtung, Zeitdruck, Überstunden, Unsicherheit und fehlende Orientierung wurden am häufigsten als erfolgsverhindernde Umstände genannt. Dies bestätigt sich in der Praxis. Viele Entscheider wollen zwar technische Veränderungen. Sie denken an Features und Funktionen. Jedoch hat so gut wie niemand im Sinn, wie er die Mitarbeitenden daran gewöhnt. Doch zeichnet sich eine erfolgreiche Nutzung von neuen Technologien dadurch aus, wie die User mit ihnen arbeiten.
Verschiedene Change-Management-Modelle
Die Grundlagen dafür und für das Change Management hatten der Wirtschaftswissenschaftler Fritz Roethlisberger und der Soziologe Elton Mayo bereits in den 1930er-Jahren entdeckt. Sie stellten fest, dass die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitenden stärker von der Aufmerksamkeit für sie abhängt als von veränderten Arbeitsbedingungen. Dies wurde später zunehmend intensiver erforscht. Aus diesen Aktivitäten gingen verschiedene Theorien und Modelle hervor. Schon das aus dem Jahr 1947 stammende einfache Drei-Phasen-Modell von Kurt Lewin beinhaltet Veränderungen in sozialen Gruppen. Im ersten Schritt, der Auflockerungsphase, sollten die Betroffenen einbezogen und Zeit zur Vorbereitung auf die Veränderung eingeräumt werden. In der zweiten Phase, dem Hinüberleiten, sah Lewin das direkte Eingreifen der Verantwortlichen und Trainings vor. Der dritte Schritt war das Verfestigen der Umgewöhnung.
Das Acht-Stufen-Modell von Harvard-Professor John Kotter, der ebenfalls als ein Vordenker des Change Managements gilt, sieht ebenfalls im ersten Schritt das Involvieren der Betroffenen vor. Im Fünf-Phasen-Modell von Wirtschaftswissenschaftler Wilfried Krüger werden die Träger der Veränderungsprozesse in der ersten Phase aktiviert. Sie definieren Ziele sowie Massnahmen und kommunizieren sie den Betroffenen. Das Modell der lernenden Organisation hingegen beschreibt keine Phasen. Vielmehr rückt es das Lernen in den Mittelpunkt, um so anpassungsfähiger zu werden. Darüber hinaus ist die Change-Kurve von Elisabeth Kübler-Ross bekannt. Sie bildet die Phasen eines Veränderungsprozesses beim Menschen ab. Diese reichen von Schock über Leugnung, Trauer, Abschied, Akzeptanz, Ausprobieren bis zum Einschwingen. Alle Modelle haben Lücken, da sie nicht sämtliche Aspekte berücksichtigen oder zu komplex sind. Auf der Suche nach besser geeigneten Ansätzen entstehen daher immer wieder neue Praktiken und Herangehensweisen.
Jedem das Seine
Auf der einen Seite alles Wichtige zu berücksichtigen und auf der anderen Seite nicht zu komplex zu werden, stellt einen guten Ansatz für erfolgreiches Change Management dar. Jedoch ist es auch genauso wichtig zu wissen, dass es ein für alle anwendbares Modell nicht gibt. Denn jede Veränderung ist anders als die andere. Dementsprechend kommt es nicht darauf an, jedes Verfahren bis ins Detail zu kennen und zu kopieren oder ein bestimmtes dogmatisch anzuwenden. Vielmehr ist es essenziell, sich der fundamentalen Gemeinsamkeiten bewusst zu sein und diese auf das eigene Unternehmen zu adaptieren. Dieser kleinste gemeinsame Nenner sorgt für Überschaubarkeit.
Alle Betrachtungen stellen den Menschen ins Zentrum. Zudem wird strategisches Vorgehen angeraten. Dabei ist im Grunde derselbe Ablauf erkennbar: Zuerst erfolgen eine Bestandsaufnahme und eine Zieldefinition. Darauf aufbauend geht es darum, ein Konzept zu erarbeiten sowie die Umsetzung zu planen. Je nach den individuellen Voraussetzungen sollten Zwischenschritte erfolgen. Dabei können mehrere Verfahren miteinander kombiniert werden und weitere Erkenntnisse aus anderen Bereichen einfliessen.
Hauptzutaten fürs Veränderungsmanagement
Ein wichtiger Punkt ist die Motivation. Wie bei einem Marathonlauf kommt der Erfolg durch eine allmähliche Veränderung des Pensums und zunächst viele kleine Erfolge zustande. Das bedeutet: Schritt für Schritt vorgehen! Beispielsweise hat es sich in der Praxis als vorteilhaft erwiesen, bei der Umstellung auf Arbeiten in der Cloud den Usern Tool für Tool vorzustellen, sodass sie die Vorteile jedes einzelnen Programms erleben können. Wenn sie hautnah erfahren, dass sie zum Suchen eines Dokuments nicht mehr in den Keller gehen müssen, sondern es einfach am Computer recherchieren können, werden sie die Notwendigkeit neuer Aufgaben wie das Steuern und Kontrollieren einsehen, statt Widerstand zu leisten.
Das setzt gute Kommunikation voraus – zur richtigen Zeit mit den richtigen Mitteln mit den Beteiligten in einen Dialog zu treten. Zur richtigen Zeit bedeutet so früh wie möglich. Der Begriff "Beteiligte" sollte weit gefasst werden, damit sich alle eingebunden und als Team fühlen. Dialog impliziert eine Kommunikation auf Augenhöhe – persönlich und empathisch – sowie aktive Mitgestaltung. Dabei können die Verantwortlichen die Stärken bestimmter Mitarbeiter und Abteilungen gezielt einsetzen. Im Marketing etwa arbeiten Spezialisten für Kommunikation, die gerne helfen, Botschaften verständlich zu vermitteln. Dafür können sie wiederum Metaphern einsetzen, etwa eine Change Story, in der die Vision einen Platz als Leitbild erhält. Nicht zuletzt sollte die Kommunikation transparent und konsistent sein. Das erhöht die Glaubwürdigkeit. Die HR-Abteilung kann professionell unterstützen, Mitarbeitende systematisch fachlich zu qualifizieren und mit dem notwendigen Wissen für das veränderte Arbeiten auszustatten. Diese Mitgestaltung erfordert die passende Unternehmenskultur. Sie ist Mutaree zufolge "Anker und Handlungsrahmen für eine erfolgreiche Veränderung".
Wandlungsfähigkeit entscheidet
Dabei sollte auch die Unternehmenskultur den permanenten Wandel und stetig neu hinzukommende Aspekte widerspiegeln. Dazu zählt die derzeit immer wichtiger werdende Sinnstiftung des Arbeitens genauso wie lebenslanges Lernen. Denn beinhaltet die Unternehmenskultur selbst die Veränderung, können nicht nur Menschen, Prozesse und Technologien optimal zusammenwirken. Im Prinzip kann auch jeder erforderliche Wandel erfolgreich vonstattengehen – heute und in Zukunft. Denn wie schon Charles Darwin erkannte, ist es nicht die stärkste oder intelligenteste Spezies, die überlebt. Es ist diejenige, die sich am ehesten anpassen kann. In diesem Sinne sollten weder die Technologie noch effiziente oder automatische Geschäftsprozesse Platz eins der Agenda einnehmen, sondern das Change Management mit den Menschen im Zentrum.