"Alpha Digital Banking" – eine fiktive Erfolgsgeschichte
Wir schreiben das Jahr 2030. Dem Wachstums-Hype rund um die Neobanken folgte eine gewisse Ernüchterung. Nun aber leuchtet mit Alpha Digital Banking ein neuer Stern am digitalen Innovation-Himmel. Die jüngste Schweizer Finanzdienstleistungs-App bindet Kundinnen und Kunden mit Emotional Banking – Daten sei Dank.
Wir sind mit Jaël Meissner, dem prominentesten Gesicht der jüngsten Werbekampagne für Alpha Digital Banking, im Café Lanzelot verabredet. Rundherum sitzen Gäste mit Nerd-Brillen, zu kurzen Hosen, zu engen Hemden und Jute-Beuteln. Zumindest der Ort zementiert unser stereotypes Bild über Studierende und Marketeers. Beim Treffen wird aber schnell klar – wir müssen unsere Meinung revidieren.
Jaël Meissner ist eine von 5000 Beta-Testerinnen und -Testern und von Anfang an bei Nutzerbefragungen des Banking-Start-ups dabei. Seit zwei Monaten nun ist sie – so sagt sie es selbst – "mit Herz und Seele" stolze Promoterin der Emotional-Banking-App Alpha Digital Banking. Mehr noch: Sie ist das Gesicht einer der erfolgreichsten Social-Media-Kampagnen im Bereich Digital Finance.
"Ich war Teil der Lösungsentwicklung und stellte fest, dass Alpha Digital Banking genau das ist, was ich mir unter Emotional Banking immer vorgestellt habe. Ich identifiziere mich mit der Lösung zu 100 Prozent. Sonst würde ich mit Sicherheit nicht mit meinem Gesicht in der Öffentlichkeit stehen", erklärt die sichtlich stolze 21-Jährige mit einem sympathischen Lächeln.
Mehr als fancy Design und Jugendsprache
Schnell wird im Gespräch mit ihr klar, worin sich die neue Lösung von ihren Mitbewerbern zu unterscheiden scheint: "Ein freches Design und vermeintlich jugendlicher Jargon reichen nicht, um neue Kunden anzulocken. Wir Jungen denken schnell, wir entscheiden schnell. Aber in Geldfragen handeln wir bestimmt nicht unüberlegt. Rational wägen wir ab und entscheiden ganz bewusst, ob wir uns gerade in eine virtuelle Scheinwelt mit animierten Filtern begeben wollen, oder ob wir – ganz down to earth – eine Abfrage des Kontostands tätigen, uns um ein Ausbildungsziel oder gar unsere finanzielle Unabhängigkeit kümmern wollen", stellt Jaël klar.
Data sei Dank: personalisierte Goodies und Finanzberatung
Alpha Digital Banking bedankt sich bei treuen Kunden wie Jaël finanziell für eine Weiterempfehlung: mit hyperpersonalisierten Gutscheinen. Bei Jaël war es ein Voucher über 50 Franken bei ihrem Lieblings-Onlinestore Zalando. "Alpha" wusste Bescheid – ausgeklügelten Analytics von Jaëls Konsumverhalten sei Dank. Für echte Verblüffung sorgte die App bei Jaël jedoch an dem Tag, als sie ihre Prämie einlöste und der neue Finanzbegleiter sie just in diesem Moment fragte, ob er ihr beim Aufbau der eigenen Finanzkompetenz helfen dürfe.
"Schon etwas überrascht war ich, als die Alpha-App mir nicht nur zum Kauf meines neuesten Mode-Accessoires gratulierte, einer Pull&Bear Flared Jeans", offenbart sie, sichtlich berührt. "Als sich ‹Alpha› dann im Moment dieses Glücksgefühls gar bei mir erkundigte, ob ich denn wissen wolle, wie viel Geld ich insgesamt für Kleider und Mode diesen Monat noch ausgeben könne, ohne in eine finanzielle Schieflage zu geraten, hatten sie mich total überzeugt."
Emotionen statt Transaktionen
"Positive Emotionen sind unser USP", verrät die Website von Alpha Digital Banking. "Wir erkennen, was bewegt im Banking. Wir bauen Hürden ab, sorgen für gute Gefühle und stellen dabei sicher, dass diese Erfahrungen geteilt werden. Wir sind kein Lockangebot und schon gar nicht gratis – aber wir setzen alles daran, dass wir den Preis wert sind, den du für uns zahlst."
Dass sich Alpha Digital Banking so einiges am Bedienkomfort der ihr altvertrauten Social-Media-Apps abgekupfert hat, stört Jaël nicht. "Ich bin es gewohnt, zu wischen, zu liken und zu kommunizieren. Kurz und knackig, versteht sich", bestätigt die zukünftige Juristin. "Und dass meine vermittelten Kolleginnen und Kollegen zum persönlichen Alpha-Digital-Banking-Netzwerk hinzugefügt wurden, stört mich auch nicht. Schliesslich wurde ich gefragt und habe bestätigt. Diesen Entscheid kann ich zudem jederzeit widerrufen. Des Weiteren entscheide ich selbst, ob meine Scores (das ist das ausgewertete Nutzungsverhalten) auf meinem Profil erscheinen oder nicht. Die Badges für geleistete Sozialarbeit publiziere ich meist mit etwas Stolz. Kudos für meine erreichten Sparziele suche ich aber nicht, weswegen ich diesen Badge auch nicht aktiviert habe."
Zu schön, um wahr zu sein?
Leider ja. Wie eingangs erwähnt, handelt es sich hier um ein fiktives Beispiel, um aufzuzeigen, wie gross die Kluft zwischen gefühllosem Low-Interest-Banking und sozialer Interaktion beziehungsweise Emotional Banking sein kann. Die Frage stellt sich, wie es soziale Medien schaffen, die Nutzenden für sich zu gewinnen und sie dazu zu bringen, mehrmals am Tag neugierig reinzuschauen, sich über das Geschehen im persönlichen Umfeld zu informieren, zu "liken", zu "sharen", zu empfehlen und sich zu empören – kurz gesagt: sich zu interessieren. Warum bekommen Banking-Apps diese Bindung nicht hin? Oder gehört das wohl gar nicht zum Sinn und Zweck einer Banking-App?
Der Hauptunterschied zwischen einer Social-Media-App und einer Banking-App liegt wohl darin, dass soziale Medien ganz bewusst so programmiert sind, dass sie im menschlichen Gehirn auf die "richtigen Knöpfe" drücken und Dopamin, den "Botenstoff des Glücks", aktivieren. Freude, Stolz, Neugier, Mitleid und Fürsorge, Angst, Sympathie, Schmerz, Liebe: Emotionen sind es auch, die uns dazu bewegen, tagtäglich morgens aufzustehen und weiterzumachen; uns nützlich, begehrt, geliebt, betroffen oder wichtig zu fühlen.
Magic Moments und Hightech verbinden
Banking-Apps können heute schon sehr viel. Auf der Strecke bleiben aber diese "Magic Moments", die wir in den sozialen Netzwerken laufend erleben dürfen.
In ihrem Buch "Emotional Banking" spricht Duena Blomstrom von den sogenannten "Money Moments", die uns als Kunden von modernem Banking genau auf dieser emotionalen Ebene abholen, begeistern und binden sollten. Diese sollen eine enorme Auswirkung auf die emotionale Bindung der Kundschaft haben. Denn sie machen aus Kundinnen und Kunden Fans. Sie erschaffen ein Verlangen nach "mehr" und "öfter", das nicht abklingt.
Disclaimer
Das ist eine frei erfundene Geschichte. Jegliche Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen oder Unternehmen sind rein zufällig und ungewollt. Es können keine Rechtsansprüche geltend gemacht werden. Die Geschichte könnte sich aber so abgespielt haben und hat sich mit anderen Produkten schon tausendfach im digitalen Raum so oder ähnlich zugetragen. Einfach mit dem Produkt "Bankdienstleistung" ist dies noch nicht so richtig gelungen. Aber das kann sich ja noch ändern.