Microsoft will die Post-Corona-Welt mitgestalten
Unter dem Motto "response, recovery, reimagine" wurde die Microsoft-Partnerkonferenz Inspire vom 21. bis 23. Juli komplett digital durchgeführt. Mit zahlreichen Beispielen veranschaulichte Microsoft, wie dessen Technologien für Firmen und Organisationen auf der ganzen Welt in der Pandemie zum entscheidenden "Überlebensinstrument" wurden.
Das OK hinter der digitalen Inspire 2020 hat einen guten Job gemacht, um das Erlebnis einer physischen vor-Ort-Inspire so gut wie möglich ins Digitale zu transformieren: Die Hauptreferate waren mit aufwändigen Animationen und beeindruckenden Aufnahmen produziert worden, in der digitalen "Connection-Zone" konnte man sich untereinander austauschen, unzählige Breakout-Sessions beschäftigten sich mit bestimmten Themenaspekten und es gab sogar die Möglichkeit, direkt in Kontakt mit Expertinnen und Experten zu treten – ganz so, als ob man in der Hotellobby in Las Vegas zufälligerweise aneinander vorbeilaufen und die Chance packen würde.
"Tech intensity" als Erfolgskriterium in Zeiten der Pandemie
Obwohl wir das Wort Corona nicht mehr hören können, hat die Pandemie die Botschaften der diesjährigen Inspire entscheidend mitgeformt. Das Microsoft-Management hat aus dem Vollen geschöpft und die eigene Technologie in den Heldenstatus erhoben. Mit zahlreichen Erfolgsvideos zeigte Microsoft auf, wie Unternehmen dank Lösungen aus dem immer weiter zusammenwachsenden Microsoft-Tech-Stack das Überleben sichern konnten oder Hilfsorganisation die Aktivitäten sozusagen übers Wochenende national hochskalierten.
Die Inspire fand dieses Jahr virtuell statt. (Source: IOZ)
Satya Nadella, Gavriella Schuster, Judson Althoff, Nick Parker und Co. nutzten wiederholt die Begriffe "Tech intensity" und "purpose driven digital" - zwei bedeutungsähnliche Haltung von Firmen und ihren Mitarbeitenden, Probleme mit digitalen Technologien gewinnbringend, sinnstiftend und auf inkludierende Art und Weise zu lösen.
Dataflex verändert die Rolle von Microsoft Teams
Die Ankündigung von Dataflex ging als besondere Neuheit aus der Inspire hervor. Die relationale Datenbank für Teams wird es Enduserinnen und Endusern in Zukunft ermöglichen, ohne Programmierkenntnisse eigene Applikationen auf Basis von Powerapps direkt in Microsoft Teams zu bauen, veröffentlichen und zu verwalten. Das verändert die Rolle der Applikation: Teams als Hub für Zusammenarbeit wächst in Richtung eines zentralen Cockpits für die eigene Business-Transformation.
Microsoft will gesellschaftliche Verantwortung übernehmen
Ein starkes Statement setzte Microsoft-Präsident Brad Smith in seinem hochwertig produzierten Keynote-Film ab. Smith betrat viele der Szenen jeweils mit aufgesetzter Schutzmaske, nahm sie sich flink ab und begann zu sprechen. Um das Nachhaltigkeitsziel 2030 zu erreichen, setzt der Konzern konkrete Massnahmen um, unter anderem ein Nachhaltigkeitsreporting für die Zulieferer. Zudem werden 50 Millionen US-Dollar für die Förderung gesellschaftlicher Gleichberechtigung und den Schutz der Grundrechte investiert.
Die Pandemie hat die Wirtschaft und Gesellschaft zur beschleunigten digitalen Transformation gezwungen – die Welt nach Corona ist eine digitale. An der Inspire 2020 wurde deutlich, dass Microsoft diese digitale Welt in Zukunft prägen und mitlenken will.
Die "Key Segments" im Detail
Die diesjährige Partnerkonferenz beinhaltete zwei Schlüsselsegmente - sogenannte Key Segments. Das erste Segment fand am Dienstag um 17:00 Uhr mitteleuropäischer Zeit statt und das zweite am darauffolgenden Tag zur gleichen Uhrzeit.
Beide Segmente wurden jeweils gemeinsam von mehreren Top-Executives von Microsoft bestritten. Die vorproduzierten Präsentationen erforderten die volle Aufmerksamkeit, da sie äusserst dicht mit Informationen bepackt waren und die Gestaltung der Dramaturgie besonders am zweiten Tag Fragen aufwarf. Das Segment von Microsoft-Präsident Brad Smith war besonders vielsagend.
Zusammenfassung des Inspire Key Segments von Dienstag, 21. Juli 2020, 17:30 – 18:00 Uhr
Digitale Ersthelfer - Gavriella Schuster
Gavriella Schuster leitet Microsofts Aktivitäten im globalen Partner-Ökosystem. Sie eröffnet das erste Key Segment und beginnt mit dem Offensichtlichen: Die weltweite Pandemie - in den USA kombiniert mit den Protesten für Gleichberechtigung - habe ein völlig neues Level an Unsicherheit geschaffen. Und zwar in einem Tempo und einem Ausmass, welches in der ersten Hälfte des Microsoft-Fiskaljahres 2020 (also von Juli 19 – Dez 19) undenkbar gewesen wäre.
Doch genau für diesen Moment sei das Partnernetzwerk geschaffen worden. Genau so, wie das Personal im Gesundheits- und Detailhandelsbereich zu den "first responders" gehört habe, so seien die Microsoft-Partner in die Rolle von digitalen Ersthelfern gesprungen und hätten dafür gesorgt, dass die Geschäftstätigkeit von unzähligen Unternehmen sichergestellt werden konnte. Auch im kommenden Fiskaljahr werde die Unsicherheit bestehen bleiben. Schuster benennt vier Bereiche, in denen IT-Unternehmen mit Fokus auf Microsoft Technologien aktiv sein müssen, um weiterhin Sicherheit in unsicheren Zeiten schaffen zu können: standortunabhängiges Arbeiten ermöglichen, Geschäftskontinuität sicherstellen, Sicherheit gewährleisten und on-prem Umgebungen in die Cloud migrieren.
Judson Althoff mit vierbeinigem Begleiter. (Source: IOZ)
Alles ist remote geworden - Judson Althoff
Nach Gavriella Schuster übernahm Judson Althoff, Executive Vice President Worldwide Commercial Business, das Wort. Er veranschaulicht die Beschleunigung der digitalen Transformation mit der Aussage, dass Digitalisierung im Wert von zwei Jahren in nur zwei Monaten stattgefunden habe.
Es gehe längst nicht mehr nur um "remote work" - es sei inzwischen "remote everything" geworden: kollaborieren, innovieren, Kunden aktivieren, Abläufe optimieren, neue Angebote schaffen. Hier betont er zudem, dass die Anforderungen vonseiten "Business" und "Social" in eine Balance gebracht und Digitalisierung mit dem Sinn im Blick vorangetrieben werden müsse. Diese Idee fasst Althoff als sinngetriebene Digitalisierung zusammen ("purpose driven digital").
Dann schreitet Althoff aus dem Studio und durch den Backstage. Techniker sind im Hintergrund zu sehen, während er weiter zur Kamera spricht und ein Greenscreen-Set betritt, welches mit grossen Scheinwerfern umgeben ist. Althoff taucht in eine CGI-Welt ein und stellt vier Beispiele vor, in welchen Organisationen auf Basis von Microsoft-Technologien Innovationen umgesetzt haben. Die Idee ist, dass die Inspire-Zuschauenden den spannendsten Case individuell anwählen können. Doch das funktioniert nicht ganz. Der Case von Blueyonder und der Automation der DHL-Logistikzentren beginnt von selbst zu laufen.Drei Geschäftsbereiche liefern beeindruckende Zahlen - Nick Parker
Auf dem riesigen Screen hinter Nick Parker, Corporate Vice President Global Partner Solutions, tauchen Zahlen auf. Grosse Zahlen. So misst Microsoft aktuell 4,1 Milliarden Meeting-Minuten in Teams – und das jeden Tag. 75 Millionen Userinnen und User nutzen Teams täglich; der Rekord sei 200 Millionen an einem einzigen Tag. 95 Prozent des kommerziellen Umsatzes von Microsoft sei von Partnern beeinflusst. Anschliessend greift er alle drei Microsoft "Clouds" nacheinander auf: Microsoft 365, Dynamics 365 und Azure und bringt viele weitere Zahlen und Beispiele.
Dann wird es bei Parker etwas werberisch: er stellt das Konzept der intelligenten Cloud mit der intelligenten Edge vor. Das Netz aus intelligenten Geräten und Systemen an der Edge sammelt und analysiert Daten nahe an den Userinnen und Usern und ermöglicht zusammen mit dem universellen, von KI unterstützten Computing in der intelligenten Cloud eine schier unbegrenzte Zahl an Anwendungen. Zusammen mit Azure Stack HCI ("hyper converged infrastructure") können auch on-prem Infrastrukturen in die Umgebung integriert und in der Cloud verwaltet werden.
Zwischenfazit nach dem Key Segment des ersten Inspire-Tages
Der Kopf rauchte. Während 90 Minuten haben sich Schuster, Althoff und Parker keine Sekunde zurückgehalten. Die Präsentationen enthielten sehr viele Fakten und Zahlen, waren mit reichlich mit Videosequenzen von Projektbeispielen ausgeschmückt und kaum war ein Gedanke fertig formuliert, folgte auch schon der nächste. Mit dem übergeordneten Motto "Connect, Empower, Celebrate" wäre die Grundstruktur für einen roten Faden gegeben gewesen – ein solcher liess sich jedoch nicht erkennen. Es schien fast so, als hätten sich die drei aus lauter Übermotivation nicht beschränken können und wollten jede Idee, jeden Gedanken, jeden Aspekt im eigenen Referat verbauen.
Vorwerfen kann man ihnen das aber nicht, denn sie hatten allen Grund dazu: Die Pandemie hat das enorme Potenzial der Digitalisierung zum Vorschein gebracht, die Sensibilität für das Thema in Wirtschaft und Gesellschaft gestärkt und die Geschwindigkeit der Transformation erhöht.
Omnipräsent waren daher die ausführlichen Danksagungen, die die Executives den Partnern weltweit aussprachen. Schusters Bezeichnung der Microsoft Partner als "digitale Blaulichtorganisationen" trifft hier jedoch zu. Denn die zahlreichen Beispiele, wie Infrastrukturen und Umgebungen für remote Arbeit quasi über Nacht zur Verfügung gestellt oder wie cloudbasierte Applikationen für den Lastenausgleich zwischen Corona-geplagten Spitälern in Windeseile entwickelt und ausgerollt wurden, sind wirklich eindrücklich.
Zusammenfassung des Inspire Key Segments von Mittwoch, 22. Juli 2020, 17:00 – 19:10 Uhr
Tech Intensity und Konvergenz – Satya Nadella
Das Forbes Magazin hat das Konzept "Tech Intensity", welches Nadella seit 2018 immer wieder pflegt, wie folgt definiert: Die Fusion einer kulturellen Geisteshaltung mit Geschäftsprozessen, welche Datensilos einreisst, einen digitalen Feedback-Kreis kreiert und intelligente Services entfesselt.
In seinem antizipierten Referat macht der Microsoft-CEO eine Tour d’Horizon durch alle Bereiche des Microsoft Technologie-Stacks und illustriert mit Videosequenzen und eingespielten Grafiken, wie Tech Intensity neues Potential entfesselt und Unternehmen widerstandsfähig gemacht hat. Die Bereiche umfassen Security, Compliance und Identity als Basis, Azure als zweite Stufe, Github und Powerplatform auf dritter Stufe und Microsoft 365 und Dynamics 365 als oberste Etage. Im Schnellzugtempo touchiert Nadella ein Thema nach dem anderen. Es erfordert volle Konzentration, ihm zu folgen.
Bei seinen Ausführungen zeigt sich, dass diese Elemente des Microsoft Ökosystems immer konvergenter zueinander werden: Lösungen lassen sich in Kombination mit Apps, Tools und Frameworks aus allen Stufen des Stacks realisieren. Ein gutes Beispiel hierfür ist Dataflex, welches es Anwenderinnen und Anwendern ohne Programmierkenntnisse erlauben wird, die Rolle von Citzien Developers einzunehmen und eigene Powerapps direkt in Microsoft Teams zu bauen und zu aktivieren. Die Implikationen dieser Stossrichtung sind enorm.Microsoft Partner of the year in "Community response" - Gavriella Schuster
Schuster stellt eine neue Kategorie für den Microsoft Partner of the year award vor. Redbit aus Kanada gewinnt den Award in dieser neuen Kategorie namens "Community response". Der Preis honoriert Anstrengungen, die einen besonders grossen und positiven Einfluss auf die Gesellschaft haben.
Brad Smith im Kajak auf dem Lake Washington. (Source: IOZ)
Ein Statement in gesellschaftlicher Verantwortung – Brad Smith
Microsoft-Präsident Brad Smith begrüsst die Zuschauenden aus einem Kajak. Bei strahlendem Sonnenschein rudert er über den Lake Washington, im Hintergrund die Skyline von Seattle. An verschiedenen Stationen durch die Stadt taucht er in die Geschichte von Microsoft ab, so beispielsweise vor einer Filiale von "Hamsterburger". Auf der anderen Strassenseite haben Bill Gates und Paul Allen in den frühen 80ern mit Microsoft gestartet und alle Mitarbeitenden hätten die Nummer des Burgerladens als Schnellwahl gespeichert gehabt.
Dann bekommen Smiths Ausführungen richtig Fleisch an den Knochen - gesellschaftlich-politisches Fleisch. Er startet mit dem Ziel, dass der Konzern bis 2030 eine negative CO2-Bilanz erreichen will. Microsoft hab hierfür eine Allianz mit führenden Firmen geformt, ein Nachhaltigkeits-Kalkulator befinde sich im Aufbau, eine interne CO2-Steuer werde eingeführt und als Teil davon müssen Zulieferer in Zukunft ein Nachhaltigkeits-Reporting abgeben. Zudem will Microsoft im nächsten Jahr eine Million Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernen. Weiter sollen in den nächsten 5 Jahren 50 Millionen US-Dollars in die Förderung von Sozialer Gleichberechtigung, die Bekämpfung von Rassismus und den Schutz der Grundrechte investiert werden.
Es fällt auf, dass Smith mehrmals beim Betreten einer neuen Szene eine Schutzmaske trägt und sich diese elegant vom Gesicht zieht, bevor er zu sprechen beginnt. Darüber hinaus wurden alle Sequenzen aus einer sanften Froschperspektive gefilmt – die Zuschauenden nehmen Smith dadurch in einer dominanten Position wahr. Dies verleiht seinen Botschaften zusätzlich Nachdruck.
Vor der Baustelle des neuen Microsoft Campus in Seattle schliesst Brad Smith seine kurzweilige und gehaltvolle Keynote. Das Ziel müsse Wachstum und profitable Lösungen sein, die sinnvoll sind und von denen alle Menschen und der Planet profitieren könne.Den Partnern zu Wachstum verhelfen – Nick Parker
Anschliessend kommt nochmals Nick Parker zu Wort. Leider kann sein Referat der dramaturgischen Kurve nicht folgen und geht komplett unter. Parker lässt vier Führungspersonen aus seiner Geschäftssparte nacheinander sprechen. Vier Köpfe blicken im Video-Meeting-Modus in die Kamera und erzählen mit schlechtem Audio irgendwas über Wachstumsmöglichkeiten. Zum Schluss präsentiert er noch eine Reihe Hardware.
Fazit nach dem zweiten Key Segment der Microsoft Inspire 2020
Über zwei Stunden dauerte das Key Segment vom Mittwochabend. Der Kopf rauchte noch viel mehr. Obwohl von Dataflex abgesehen keine riesigen Neuankündigungen gemacht wurden, so hinterliessen die Ausführungen doch einen bleibenden Eindruck. Microsoft widmete seiner gesellschaftlichen und politischen Verantwortung sehr viel Zeit und setzte hier ein Statement ab. Die dramaturgische Gestaltung des zweiten Key Segments warf allerdings grosse Fragen auf: Nach dem Storytelling- und Bild-Feuerwerk von Brad Smith ging Nick Parker mit seinen vier Video-Meetings mit schlechtem Audio komplett unter.
Mehrmals wurde der Begriff des "Frameworks" benutzt, was den Eindruck stärkte, dass Microsoft aus der Corona-Krise heraus die Rolle eines Zukunfts-Architekten einnehmen möchte. Aus technologischer Sicht sind sie sicher in der Lage dazu – das Technologie-Ökosystem wird immer konvergenter und intelligenter und kann jegliches vorstellbares Geschäftsszenario adressieren.