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von Daniel Liebhart, Solution Manager der Trivadis AG.

Im Juni dieses Jahres erhält der "Erfinder des Web" den IT-Nobelpreis. Der Zeitpunkt ist gut gewählt, da sich die ­Web­technologie mehr und mehr in die Breite entwickelt und Innovatives sichtbar macht.

Daniel Liebhart, Solution Manager der Trivadis AG.
Daniel Liebhart, Solution Manager der Trivadis AG.

Am 24. Juni ist es so weit: Tim Berners-Lee wird der ACM A.M. Turing Award überreicht. Es handelt sich dabei um den bedeutendsten Preis unserer Branche, der vom Verband Association for Computing Machinery (ACM) verliehen wird und mit 1 Million US-Dollar dotiert ist. In der Pressemitteilung vom 4. April schreibt die ACM, dass vier Innovationen notwendig waren, um die aus dem Jahr 1945 von Vannevar Bush stammende Vision der vernetzten Darstellung von Information Realität werden zu lassen. Es handelt sich dabei um die drei Standards URI, HTTP und HTML und als zentrale Innovation den Webbrowser. Die erste Website der Welt – www.cern.ch – ging 1991 online.

 

Von der Innovation …

Lange Zeit war die Webtechnologie das Flaggschiff der IT-Innovation. Websysteme unterschieden sich grundlegend von anderen Informationssystemen, was die Adaptionsrate neuer Techniken und die Lebensdauer betrifft. Und das aus gutem Grund. Die Entwicklung vom Medium über die Verbreitung von Informationen bis hin zur heutigen hochinteraktiven globalen Plattform war nur dank einer Vielzahl von Innovationen überhaupt in so kurzer Zeit möglich. Tim O’Reilly brachte dies in seinem 2005 veröffentlichten Aufsatz "What Is Web 2.0" auf den Punkt und nahm den Charakter der nachfolgenden Entwicklung vorweg. Was folgte war eine Explosion neuer Techniken, Anwendungen, Plattformen und Programmiersprachen, die es in webbasierte Lösungen umzusetzen galt und die von experimentierfreudigen und dynamischen Unternehmen adaptiert wurden.

Diese Technologien haben darüber hinaus die traditionelle Unternehmens-IT stark beeinflusst. Sollte eine in die Jahre gekommene Anwendung modernisiert oder eine Anwendungslandschaft integriert werden, so wurden in praktisch allen Fällen Webtechnologien eingesetzt. Von Screen-Scraping über Webservices bis hin zur Ablösung bestehender User Interfaces durch eine Web GUI – nur eine Weblösung war eine gute und zeitgemässe Lösung.

 

… zum Fenster für innovative Technologien

Heute hat sich die Webtechnologie zum selbstverständlichen Bestandteil der IT entwickelt. Studiengänge wie Web Engineering und Web Project Management machen dies deutlich. Darüber hinaus etablieren sich ursprünglich aus dem Web stammende Vorgehensmethoden wie Agile und DevOps im Alltag der betrieblichen Informatik. Die breite Palette der qualitativ hochstehenden Lösungen, die dieses Jahr im Rahmen der Preisverleihung des "Best of Swiss Web Award" ausgezeichnet wurden, unterstreichen die Tatsache, dass Websysteme längst gestandene und auf bewährten Technologien gebaute IT-Systeme geworden sind.

Diese Entwicklung hat jedoch Konsequenzen. Die Basis von Weblösungen wurde solider, und die grundlegenden Techniken sind seit Jahren bekannt. In diesem Sinne sind Webtechnologien nicht mehr innovativ, sie können als etabliert angesehen werden. Sie stehen auch nicht auf jeder Trendliste der Analysten zuoberst. Aber sie werden zunehmend dazu benutzt, andere innovative Technologien wie etwa das Internet der Dinge, Big Data, Bots oder Maschine Learning sichtbar zu machen. Das wiederum bietet ungeahnte neue Möglichkeiten, die es zu nutzen gilt.

 

Daniel Liebhart ist Dozent für Informatik an der ZHAW (Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften), Experte für Enterprise-Architekturen und Solution Manager der Trivadis AG.

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