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Siroop auf die Strategie, die Strategie auf Siroop, Teil I

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Ende April hat der Detailhandelsriese Coop verkündet, den gemeinsam mit Swisscom lancierten Online-Marktplatz Siroop nach nur rund zwei Jahren Betrieb wieder zu schliessen. Hätte man den Misserfolg angesichts der gewählten Strategie bereits zu Beginn erkennen können?

Selten gibt es Ereignisse, bei denen sich gleichzeitig die drei sprichwörtlichen Redewendungen "wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen", "hinterher ist man immer klüger" und "wer zu spät kommt, den bestraft das Leben" trefflich anwenden lassen. Die vorzeitige Beendigung des Marktplatzprojekts Siroop von Coop und Swisscom ist so ein seltener Fall. Nun soll es aber hier nicht darum gehen, noch mehr Siroop beziehungsweise Häme auf den Misserfolg zu giessen, sondern sich zu fragen, ob das Projekt von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Ich vertrete die klare Ansicht, dass der Erfolg von digitalen Innovationen zu 49 Prozent aus der richtigen Strategie und zu 51 Prozent aus deren gelungener Umsetzung besteht. Letztere lässt sich bekanntlich schwer vorhersehen und bestenfalls anhand der Qualität des jeweiligen Management-Teams abschätzen. Erstere kann sehr wohl bereits zu Beginn eines Unternehmens beurteilt werden. Wie muss man also die Geschäfts-, die Technologie- und die Investitionsstrategie von Siroop bewerten?

Auf der grünen Wiese spriesst mageres Gras

Die beiden Siroop-Partner hatten sich entschieden, einen eigenen Schweizer Marktplatz von Grund auf neu aufzubauen. Und wenn es etwas gibt, was etablierte Marktführer nicht können, dann ist das mit Greenfield-Entwicklung digital verpasste Geschäftsfelder zurückerobern. Keiner der zahlreichen Versuche der einstmals mächtigen Musik-Labels, eigene Streaming-Dienste zu etablieren, konnte dem Innovator Spotify das Wasser reichen. Und keiner der verschiedenen Anläufe der immer noch mächtigen Filmstudios, eigene Streaming-Plattformen aufzubauen, konnte bislang dem Innovator Netflix gefährlich werden.

Was etablierten und erfolgreichen Marktführern hingegen zur Verfügung stehen, sind zwei sehr mächtige strategische Tools – die Übernahme und die Diversifikation. Ein Unternehmen, das beide Tricks perfekt beherrscht und nicht ohne Grund zum höchstkapitalisierten Unternehmen auf dem Planeten gewachsen ist, heisst Amazon.

2008 übernahm Amazon etwa den 1995 gegründeten Hörbuchdienst Audible und hält heute gegen 90 Prozent Marktanteil in dieser Kategorie. 2006 kam das Unternehmen beispielsweise auf die Idee, die enorme Leistung und Automatisierungsexperise aus dem Betrieb der eigenen Datacenter zu vermieten. Die daraus entstandene Tochtergesellschaft Amazon Web Services steuert heute etwa 90 Prozent zum Unternehmensgewinn bei.

Aus der Geschichte lernen

Ein weiteres Beispiel gefällig? Wie Coop und Swisscom heute hatte sich einst Tamedia aufgemacht, mit der Winner Market AG von der grünen Wiese aus das verlorene Terrain im Online-Rubrikengeschäft zurückzuerobern. Um die Jahrtausendwende investierte das Verlagshaus einen dreistelligen Millionenbetrag in eigene Rubrikenmärkte wie Jobwinner, Immowinner und Auctionwinner. Um anschlies­send angesichts des ausbleibenden nachhaltigen Erfolgs abermals einen dreistelligen Millionenbetrag zu investieren in die Übernahmen von Jobs.ch, Homegate und Ricardo.

Zwischenfazit: Hinterher ist man immer klüger. Wer vorher schon die digitalen Fallbeispiele der jüngeren Geschichte studiert, kann es heute schon sein und wählt eine erfolgversprechendere Geschäftsstrategie. Teil II folgt …

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