Editorial

Ein Schritt(chen) hin zu barrierefreien Zahlterminals

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René Jaun, Redaktor. (Source: Netzmedien)
René Jaun, Redaktor. (Source: Netzmedien)

"Wie können Sie wissen, wie viel Sie gerade bezahlen?" Diese Frage stellte mir – übrigens nicht zum ersten Mal – ein Kellner vor ein paar Wochen, als ich im Restaurant meine Rechnung per Kreditkarte beglich. Die Frage ist berechtigt, denn tatsächlich sind die in der Schweiz verwendeten Bezahlterminals nicht für blinde Menschen wie mich konzipiert. Die Geräte verfügen lediglich über ein Display, das ich nicht lesen kann; die akustische Ausgabe beschränkt sich meistens auf ein paar Pieptöne. Folglich lautet die Antwort auf die Frage des Kellners: Blinde Menschen können meistens nicht mit Sicherheit wissen, wie viel sie am Terminal bezahlen. Wir müssen darauf vertrauen, dass der Verkäufer den korrekten Betrag eintippt. Man darf natürlich erwähnen, dass wir seit ein paar Jahren die Transaktion wenige Sekunden nach dem Bezahlvorgang verifizieren können – dank der Push-Mitteilungen, die uns die Kreditkartenfirma aufs Smartphone schickt. Dennoch macht es mich wütend, dass wir in unserem Land und in diesem Jahr auf solche Workarounds und auf Vertrauen angewiesen sind. 

Noch gravierender ist das Accessibility-Problem der allerneuesten Bezahlterminals. Sie zeichnen sich durch einen Touchscreen aus. Und da auch diese Geräte ohne Sprachausgabe ausgerüstet sind, können blinde Kundinnen und Kunden nicht einmal mehr ihre Kreditkarten-PIN ohne sehende Hilfe eingeben. Ein wenig befriedigender Workaround ist hier, den geschuldeten Betrag in kleinere Raten aufzuteilen, sodass die einzelnen Beträge innerhalb der Grenze für kontaktlose Zahlungen abgewickelt werden können. Ebenso unbefriedigend ist freilich, dem Kellner einfach seine PIN mitzuteilen. 

Dass es die Payment-Industrie bislang nicht für nötig hielt, diese gravierenden Mängel in puncto Barrierefreiheit anzugehen, finde ich nicht nur ärgerlich, sondern schlicht erbärmlich. Kommt noch hinzu, dass Bezahlterminals längst nicht die einzige Accessibility-Baustelle im Payment-Bereich darstellen. So lässt das Gros der hiesigen Kreditkarten- und E-Banking-Apps in Sachen Zugänglichkeit zu wünschen übrig. Immerhin: Bei den Bezahlterminals tut sich nun etwas: Zusammen mit dem Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband hat der Verein EP2, der viele in der Schweiz eingesetzte Systeme prüft und zulässt, neue Richtlinien erlassen. Ab 2025 müssen neue Terminals mit Touchscreen zwingend eine akustische Sprachausgabe anbieten. Der Blindenverband spricht in seiner Newsmeldung von "einem grossen Schritt in die richtige Richtung"; und wenn ich die Aussagen, die ich "off the Record" aus der Payment-Branche hörte, richtig deute, dürfen blinde Menschen von Glück reden, dass das Zulassungskriterium überhaupt eingeführt wird. 

Tatsächlich dürfte sich 2025 zunächst wohl nur wenig ändern. Die im Umlauf befindlichen Zahlterminals müssen nicht durch barrierefreie Geräte ersetzt werden; für die klassischen Modelle ohne Touchscreen gilt die Anforderung nicht; und EP2 muss grundsätzlich längst nicht alle in der Schweiz verwendeten Terminals absegnen. Somit dürfte es sich beim "grossen Schritt" wohl eher um ein kleines Schrittchen hin zu barrierefreien Bezahlterminals handeln. Und blinde Kundinnen und Kunden sind weiterhin auf Workarounds und Vertrauen angewiesen.
 

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