"Orbital machte uns über Nacht weltweit bekannt"
Bei den Best of Swiss Web Awards 2014 war Andreas Hüppi Jurypräsident der Kategorie Mobile Web. Im Interview geben er und sein Geschäftspartner Reto Senn Auskunft über ihre Firma Bitforge.
Reto Senn und Andreas Hüppi, seit zehn Jahren sind Sie Geschäftsführer von Bitforge. Wie kam es zur Gründung der Firma?
Senn: Nachdem ich eine Berufslehre als Elektroniker absolviert hatte, studierte ich an der Hochschule für Technik in Rapperswil Informatik. Andreas war dort einer meiner Studienkollegen. Uns verband eine Leidenschaft für Games, die uns dazu bewog, in unserer Freizeit Handy-Spiele zu programmieren. Allerdings war das noch vor dem App-Zeitalter, das heisst, wir programmierten zum Beispiel für Jamba, damals ein wichtiger Anbieter von mobilen Inhalten. Auch Minick gehörte zu den Kunden. Die Gründung von Bitforge 2004 war der Versuch, unser Hobby zum Beruf zu machen.
Hüppi: Richtig los ging es aber erst mit dem iPhone und den dazugehörigen Apps, also ungefähr ab 2008. Es waren schwierige Zeiten für uns, da wir auf dem Höhepunkt der Sub-Prime-Finanzkrise waren und einfach keine Aufträge mehr hereinkamen. Der Durchbruch gelang uns schliesslich mit dem Spiel Orbital. Nachdem wir zuvor gedacht hatten, dass wir bald pleite sein würden, waren wir plötzlich eine Art Stars. Orbital war bei der Präsentation des ersten iPads auf dem Bühnen-iPad sowie auf allen iPads für die Journalisten vorinstalliert. Das Game schlug ein wie eine Bombe und machte uns als Firma über Nacht weltweit bekannt.
Was würden Sie heute als Ihr Kerngeschäft bezeichnen?
Hüppi: Nebst der Entwicklung von Spielen gehört die Programmierung von Apps zu unserem Kerngeschäft. Man kann sagen, dass wir zu jeweils einem Drittel Spiele, Informationsapps und Gadgets entwickeln.
Senn: Gerade durch unseren Fokus auf Games werden wir leider nicht immer ganz ernst genommen. Viele Firmen halten das für Kinderkram. Das ist mir unverständlich, da einerseits die meisten Gamer über 30 Jahre alt sind, und andererseits die Entwicklung von Spielen auch inhaltlich sehr anspruchsvoll ist. Offenheit für Neues ist hier von grosser Wichtigkeit.
Welche grösseren Projekte haben Sie in letzter Zeit abgeschlossen?
Senn: Eines unserer letzten Projekte war der Jonglierweltmeister, den wir für die Elektrofachgeschäftskette Fust entwickelten. Dabei handelt es sich um eine Spiele-App, bei der die Nutzer mit den Füssen, Knien, Schultern und dem Kopf einen Fussball jonglieren müssen. Womit und wie man trifft, entscheidet das Timing. Es gilt also im richtigen Moment den Bildschirm anzutippen.
Hüppi: Ein anderes Projekt aus der jüngeren Vergangenheit war die App Amanzivision, die wir für das Hilfswerk World Vision entwickelten. Der Spieler konnte dort mithelfen, echte Brunnen in Afrika zu bauen, indem er eine Spielfigur steuerte. Wenn alle Spieler gemeinsam ein Ziel erreicht hatten, zahlte jeweils ein Sponsor den Bau eines echten Brunnens. Auf diese Art zeigte das Spiel einerseits auf, mit welchen Problemen viele Leute in Afrika täglich zu kämpfen haben. Andererseits konnte den Menschen in armen Ländern direkt geholfen werden.
Welcher Faktor ist der wichtigste für den Erfolg eines Spiels?
Senn: Es ist eigentlich ganz einfach. Das Spiel muss süchtig machen. Das war auch bei Orbital so, die Leute hörten gar nicht mehr auf zu spielen, wenn sie einmal begonnen hatten. Heute ist allerdings der Spiele-Markt allgemein schwieriger geworden. Die Appstores von Android und iOS sind geradezu überfüllt. Spiele entwickeln ist somit zum Hochrisikogeschäft geworden, ähnlich wie ins Kasino gehen. Wenn Du einen grossen Erfolg landest, dann schenkt das richtig ein, umgekehrt verdient man meist nichts. Angry Bird von Rovio war zum Beispiel ein Riesenglücksfall. Diese Firma hatte zuvor etwa 60 Spiele mit mässigem Erfolg programmiert und veröffentlicht, bis es dann zum grossen Durchbruch kam.
Wie schätzen Sie die Zukunft des App-Markts ein? Werden Geräte wie Google Glass bald eine wichtige Rolle spielen?
Senn: Google Glass befindet sich trotz des Eintagesverkaufs von letzter Woche noch in der Testphase. Ich denke daher, dass der Durchbruch noch eine Weile auf sich warten lassen wird. Für uns bedeutet eine weitere Geräteform vor allem mehr Aufwand. Das Interessante bei Google Glass ist ja primär die Sprachsteuerung – mal sehen, ob sich das durchsetzt! Wir als kleine Firma müssen letztlich eher auf Trends reagieren, können sie aber nicht beeinflussen.