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Wissensvermittlung im Zeitraffer-Land

Uhr | Aktualisiert
von Christof Zogg

Fachveranstaltungen sind ein äusserst populäres Marketinginstrument in der IT-Branche. Doch wie steht’s mit dem Gehalt und der Halbwertszeit des dort vermittelten Wissens? Ein Erfahrungsbericht klärt auf und mündet in der speziellen Event-Relativitätstheorie.

Christof Zogg, Director Digital Business bei den SBB und Jurypräsident der Kategorie "Young & Wild". (Quelle: Microsoft)
Christof Zogg, Director Digital Business bei den SBB und Jurypräsident der Kategorie "Young & Wild". (Quelle: Microsoft)

Seit ich in meiner neuen Rolle auf Kunden- und nicht mehr auf Anbieterseite tätig bin, stelle ich fest: Ich könnte mich gefühlte fünfmal die Woche an einer Fachveranstaltung, einem Abendevent oder einer Networking-Konferenz informieren und inspirieren lassen. Dass dem so ist, hat unter anderem damit zu tun, dass sich in unserer Industrie alles – relativ zu anderen Branchen – im Zeitraffer verändert und deshalb ein grosser Bedarf an neuestem Wissen besteht.

Tradition statt Best Practices

Stellen wir uns als Gedankenexperiment dagegen einmal vor, wir würden in einer entschleunigten, gewissermas­sen einer Zeitlupen-Branche arbeiten – etwa als Notar auf dem Grundbuchamt oder Schreiner von Davoser Schlitten. (Ich entschuldige mich an dieser Stelle präventiv bei den Betreffenden, sollte ich die Veränderungsgeschwindigkeit in deren Branchen unterschätzt haben.) In einer solchen Branche zählen Qualität, Stabilität und Tradition. Hat ein Schlittenbauer-Lehrling beim Konstruieren seiner Wintersportgeräte ein Problem, so wendet er sich vertrauensvoll an seinen Lehrmeister, der es Kraft seiner Berufserfahrung höchstwahrscheinlich wird lösen können. Trifft ein Junior-Notar auf einen kniffligen Fall, so gibt es intern oder extern einen Senior-Fachexperten, der ihm Rat erteilen kann.

Eher selten bis nie erfolgt die Wissensvermittlung im Zeitlupen-Land an "SchlittenbauerDays" und "Notar-Connect-Konferenzen". Denn anstatt in kurzlebigen Best Practices manifestiert sich die Expertise in sich langsam verändernden Branchen in einem standesorganisatorisch festgehaltenem Wissenskanon beziehungsweise in Form von Traditionen.

Wenn’s wieder mal kürzer dauert

Doch was für eine Art von Wissen kann denn an den zahllosen Roundtables und Late Afternoon Talks der IT- und Digitalisierungsszene vermittelt werden? Zunächst einmal gilt: Dieses Know-how hat naturgemäss eine kurze Halbwertszeit. War gestern Search Engine Advertising hip, ist es heute Retargeting. Waren gestern Hybrid-Clouds der letzte Schrei, so sind es heute Mixed-Clouds.

Ferner stellt sich die Frage: Wer weiss denn, wie es wirklich geht, wenn sich alles sehr schnell dreht? Zeitraffer-Branchen zeichnen sich dadurch aus, dass Wissen in einem hohen Mass autodidaktisch im Trial-and-Error-Verfahren aufgebaut werden muss. Und hierfür sind Auftraggeber meist in einer besseren Position als Dienstleister. Sie schalten digitale Werbung und tracken, ob sich ein Verkaufserfolg einstellt oder nicht. Sie sehen, ob die entwickelte App von den Endkunden genutzt und positiv bewertet werden. So ist es nicht erstaunlich, dass Wissensvermittlung auf Fach­events oft auf Qualitätsstufe "Wir haben 100 Unternehmen nach xxx (bitte passendes Buzzword eintragen) befragt", stattfindet.

Event-Relativitätstheorie

Ich habe deshalb eine einfach Regel: Ich gehe nur an Veranstaltungen, zu denen ich auch einen Beitrag als Panellist oder Speaker leisten darf. Das hat den grossen Vorteil, dass die Zeit auf der Bühne schneller zu vergehen scheint als die Zeit im Publikum. Diese Verkrümmung im Raum-Zeit-Kontinuum nennt sich die spezielle Event-Relativitätstheorie.

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