KI, Blockchain und fehlende Fachkräfte bewegen die IT 2018
Zum Jahresende haben sich die Marktforscher, Unternehmensberater und Hersteller mit Prognosen für 2018 überschlagen. Die Redaktion hat sich durch den Wust von Ankündigungen gewühlt, um herauszufinden, was IT-Entscheider im neuen Jahr auf dem Schirm haben sollten.
Das Jahr 2018 ist angebrochen. Das ist nicht nur Zeit, um Bilanz zu ziehen, sondern auch, um in die Zukunft zu schauen. Daher flattern wie jedes Jahr im November und Dezember die Prognosen für das neue Jahr in unseren Posteingang. Was das ICT-Jahr 2018 laut den Marktforschern, Unternehmensberatern und den Schweizer IT-Verbänden bringen wird, hat die Redaktion zusammengetragen und nach Schwerpunkten sortiert.
Welche Technologien die IT-Welt 2018 prägen sollen
Im Zentrum der Prognosen für das kommende Jahr stehen die Technologien. Die US-Marktforschungsunternehmen Gartner, IDC und Forrester haben drei ICT-Trends identifiziert, die 2018 (und darüber hinaus) für Furore sorgen sollen. Erstens werden Computer in naher Zukunft schlauer, wie Gartner und IDC prophezeien. Zwar bleibe das Thema künstliche Intelligenz (KI) auch im nächsten Jahr in erster Linie ein Schlachtfeld für die Technologieanbieter. Der Einsatz von KI in Unternehmen soll aber Entscheidungen erleichtern, neue Geschäftsmodelle entstehen lassen und den Kontakt zum Kunden verändern. In der Form von Machine-Learning-Algorithmen und «Intelligent Apps» werde KI zum alltäglichen Begleiter in Anwendungen, Dienstleistungen und Arbeitswelten, schreibt Gartner.
Das Internet der Dinge (IoT) soll nicht nur wachsen, sondern durch intelligente Vernetzung selbstständiger werden. Vom autonomen Staubsaugerroboter bis zum Maschinennetzwerk in der Industrie. Trotz KI, Platform-as-a-Service und IoT sollten Unternehmen die klassische IT allerdings nicht ganz aus dem Blick verlieren. Forrester sieht eine Art duale Informatik aufkommen, in der das Alte und das Neue mit- und nebeneinander funktionieren sollen. Für IDC gehört die Zukunft hingegen ganz den Cloud-Services, DevOps und Mobile-Plattformen. Firmen sollten sich 2018 deshalb mit dem Management verschiedener Cloud-Angebote und agilen Entwicklungsmethoden auseinandersetzen.
Vernetzung schreitet voran
Zweitens soll 2018 der Digitalisierung der physischen Welt neue Impulse verleihen. «Digitale Zwillinge», also Simulationen realer Systeme im virtuellen Raum, könnten laut Gartner neue Möglichkeiten zur Überwachung und Steuerung dieser Systeme eröffnen – ob es sich dabei um eine «Smart City» oder die medizinischen Daten des menschlichen Körpers handelt. Nach Einschätzungen von Forrester soll 2018 das Jahr werden, in dem IoT vom Experiment zum Geschäftsfeld wird. So liessen sich durch vernetzte Produkte etwa Kundendaten sammeln. Per «Edge Computing» soll die Verarbeitung von Informationen in der Cloud näher an den Nutzer rücken. Durch die so verringerte Latenz würden IoT-Netzwerke beschleunigt und zuverlässiger, fügt Gartner an. Dies sei eine Voraussetzung, damit selbstfahrende Autos, Drohnen und Roboter dereinst schnell miteinander kommunizieren könnten.
Wo der Mensch mit der Maschine interagiert, sollen «Conversational Platforms» klassische Benutzeroberflächen ablösen, so Gartner. Konkret, indem wir Computersysteme bald mit Sprache und Gestik – statt mit Maus und Tastatur – steuern. Zusammen mit Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) soll dies eine neue Ära der Interaktion mit der digitalen Welt einläuten. Die Grenzen zwischen dem Virtuellen und dem Physischen lösten sich auf, wobei neue Geschäftsfelder und Arbeitswelten entstünden. Entsprechend stark würden Firmen in neue Formen der digitalen End-to-End-«Customer Experience» investieren, schreibt Forrester.
KI und Blockchain überschreiten die Spitze des Hypes
Die Technologien Blockchain und KI waren 2017 ein Hype. Kaum eines der grossen ICT-Unternehmen hatte nicht mindestens ein neues Produkt mit KI- oder Blockchain-Features präsentiert. Die Blockchain-Technologie brauche noch etwas Zeit, um ihren Nutzen in konkreten Anwendungsfällen unter Beweis zu stellen, schreiben Gartner und IDC. Unternehmen sollten sich jedoch bereits in naher Zukunft mit den Vor- und Nachteilen der dezentralen Buchführung und Informationsspeicherung auseinandersetzen. So könnten sie die Blockchain einsetzen, wenn aus dem Hype ein Werkzeug wird.
Forrester erwartet jedoch zunächst eine deutliche Abkühlung. 80 Prozent der Blockchain-Projekte seien gescheitert. Übertreibungen und zu viel Euphemismus seien schuld daran. Dennoch erwartet Forrester, dass 30 Prozent der im kommenden Jahr angestossenen Proof of Concepts für die Blockchain einen Mehrwert für die Firmen bringen können.
Ähnlich nüchtern schätzt Forrester die Erfolge bei der KI ein. 75 Prozent aller 2017 angestossenen KI-Projekte sollen die Geschäftserwartungen nicht erfüllen. Unternehmensentscheider stünden daher vor der Aufgabe, diese Projekte zu «reseten» und neu aufzugleisen.
Cybersicherheit wird IT-Entscheider 2018 beschäftigen
Die Cybersicherheit wird auch im kommenden Jahr ganz oben auf der Agenda von IT-Entscheidern stehen müssen. Konfrontiert mit immer neuen Lücken und Angriffsmethoden, sollen Unternehmen mit neuen Methoden wie «Continuous adaptive Risk and Trust Assessment» (CARTA) schneller auf Bedrohungen reagieren können, schreibt Gartner. Forrester sieht dagegen das Prinzip «Zero Trust», IDC «Unified Security» als Erfolg versprechend an. Weder der Technologie noch den Anwendern dürfe getraut werden. Grundsätzlich sehen die Marktforscher Bedarf für einen grösseren Stellenwert der Sicherheit in den Unternehmensprozessen. Es sei notwendig, dass die Gräben zwischen den Sicherheitsteams und den Applikationsteams verschwänden, schreibt etwa Gartner.
Auch Schweizer IT-Entscheider sollten der Sicherheit 2018 einen hohen Stellenwert einräumen. In einer Umfrage unter den grossen Marktforschern und Beratungsunternehmen in der Schweiz nannten fast alle Befragten diesen Punkt (Tabelle, Seite 20). Gefragt wurde danach, welche Technologien und Trends das Jahr 2018 prägen werden. Die Gefahr von Cyberangriffen rangiert bei den Befragten weit vor den Hype-Technologien KI und Blockchain, die fünf beziehungsweise vier Befragte nannten.
Immer noch aktuell sind für die Analysten die Datenanalyse oder Business Intelligence. Fünf der Befragten nannten diesen Punkt. Das Internet der Dinge bekam vier Antworten. Im Vergleich dazu wurden die Hype-Technologien AR und VR nur von zwei der befragten Unternehmen genannt. Dies ist ein deutlicher Unterschied zu den Einschätzungen der Marktforscher auf globaler Ebene.
Was die Verbände erwarten
Bei den Schweizer Wirtschaftsverbänden steht die Datensicherheit, beziehungsweise der Datenschutz, weit oben auf der Agenda für das kommende Jahr. Dies vor allem auch in der Verbindung mit der Revision des Datenschutzgesetzes und der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Die Verbände Swiss-ICT, Swico und Economiesuisse gaben dies zu Protokoll. Dezidiert Cybersicherheit nannte nur der Verband Asut in seiner Stellungnahme.
An zweiter Stelle der Verbandserwartungen steht der Ausbau der Infrastruktur in der Schweiz. Vor allem die Einführung von 5G, der fünften Generation des Mobilfunkstandards, verbinden Asut wie auch Economiesuisse damit. Ansonsten liessen sich aus den Antworten der Verbände keine Schwerpunkte herauskristallisieren.
Fachkräfte und Bildung sind wunde Punkte
Für die Marktforscher und auch Verbände wird die Fachkräftesituation in den nächsten Jahren weiter angespannt bleiben. Laut Holger Greif, Partner, Head Digital Transformation & CDO of Digital Services bei PWC, «könnten gewisse Fachkräfte durch moderne Technologien ersetzt werden». Dennoch gebe es immer noch einen hohen Bedarf an Ingenieuren und Technikern. Gefragt seien vor allem Kreativität und soziale Kompetenzen, antwortete Markus Koch, Head Strategic Development C&IP bei Deloitte Schweiz. Der Vorteil dieser Kompetenzen sei vor allem, dass sie «kaum automatisierbar sind», betonte Koch. Thomas Ruck, Managing Director bei Accenture Digital – Accenture Interactive, erwartet, dass «es noch einige Jahre dauern wird, bis der Bedarf an Spezialisten in der Schweiz gedeckt ist». Diese Auffassung vertrat in seinen Antworten auch Stefan Pfister, CEO von KPMG Schweiz.
Andreas Bodenmann, Partner und Chief Digital Officer bei EY in der Schweiz, sieht sogar einen «War for Talent». Dieser finde nicht nur in der Schweiz statt, sondern wirke über die Grenzen hinaus. Zwar liessen sich Fachkräfte auch aus dem Ausland rekrutieren, Bodenmann sprach sich jedoch dafür aus, diese vor Ort in der Schweiz anzuwerben. Für die Ausbildung der benötigten Fachkräfte müssten Unternehmen und Bildungseinrichtungen sorgen, betonte sie. Für KPMG-Schweiz-CEO Stefan Pfister brauche es eine Anpassung der Aus- und Weiterbildungspolitik in der Schweiz. Auch sei die Politik gefordert, die nötigen Kontingente für Drittstaatler bereitzustellen und die bilateralen Verträge mit der EU zu erhalten. Nur so könne der benötigte Zuzug von Fachkräften garantiert werden.
Politik und Unternehmen sind gefordert
Weitgehend einig sind sich die Wirtschaftsverbände, wenn es um die Reaktion der Politik auf die Digitalisierung im kommenden Jahr geht. Eine Überregulierung von einzelnen Bereichen könnte die Innovation hemmen und ziele an den eigentlichen Herausforderungen vorbei. «Was die Politik angeht, bleibt zu hoffen, dass die Politiker die Digitalisierung nicht mit neuen Gesetzen abwürgen», schreibt etwa Swiss-ICT. Asut fordert mehr «Marktvertrauen». Ein stärkeres Engagement von Bund, Kantonen und Gemeinden erhoffen sich die Verbände, wenn es um die Infrastruktur, die elektronische Identität und den Ausbau des E-Government-Angebots geht. Economiesuisse will vor allem bessere Rahmenbedingungen für die digitale Wirtschaft bei den Themen 5G, Glasfaser, Open Data und internationale Standards. «Gute Wirtschaftspolitik ist gute Digitalisierungspolitik», ist der grösste Dachverband der Schweizer Wirtschaft überzeugt.
Aber auch die Unternehmen müssen nach Ansicht der Verbände im nächsten Jahr ihre Hausaufgaben machen. Die Digitalisierung verspreche mehr Effizienz, neue Geschäftsmodelle und grosses ökonomisches Potenzial. Doch um dieses auszuschöpfen, müssten noch einige Hürden überwunden werden. Asut fordert die Schweizer Wirtschaft dazu auf, eine «Innovations- und Risikokultur» zu entwickeln, Neues zu wagen und in die digitale Transformation zu investieren.
Economiesuisse sieht die «Gefahr, dass einzelne Unternehmen die Zeichen der Zeit nicht erkennen und von der Konkurrenz überholt werden». Ein Problem, dem insbesondere kleinere Firmen gegenüberstehen, wie Swico betont: «Viele KMUs haben die Notwendigkeit und die Vorteile der Digitalisierung noch nicht erkannt.» Hier sieht Swico auch die Verbände selbst in der Pflicht, an den Grundlagen mitzuwirken.
Noch viel zu tun, aber Ausblick positiv
Das Jahr 2018 wird viel Bewegung in die ICT-Branche bringen, wie der Blick auf die Erwartungen der Marktforscher, Berater und Verbände zeigte. Die Herausforderungen an die IT-Entscheider in Unternehmen sind vielfältig. Die Cybersicherheit wird eine zentrale Rolle spielen. Auch die Hype-Themen Blockchain und KI werden weiter omnipräsent sein. Die erste konkreten Anwendungen für das Business müssen sich jedoch erst noch zeigen.
In der Schweiz wird sich der Einfluss der Digitalisierung verstärken. Das grösste Hemmnisse auf dem Weg wird 2018 der Fachkräftemangel sein. Hinzu kommen noch Unsicherheiten bei den politischen Rahmenbedingungen. Dennoch zeigten sich alle Befragten optimistisch, dass die Chancen der Digitalisierung für die Schweiz grösser sind, als die Gefahren.