Internet-Pionier Tim Berners-Lee

Wie der WWW-Erfinder das Internet revolutionieren will

Uhr
von dsc

Einst erfand er in Genf das World Wide Web, nun will uns Tim Berners-Lee die Kontrolle über unsere Daten zurückgeben.

(Source: Guy Erwood / Fotolia.com)
(Source: Guy Erwood / Fotolia.com)

Worum geht's?

Der Erfinder des World Wide Web, Tim Berners-Lee, 63, ist unzufrieden mit seiner Erfindung respektive dem, was Amazon, Google, Facebook und Co. daraus gemacht haben.

Am Samstag hat Berners-Lee bei medium.com einen Beitrag mit dem Titel "One Small Step for the Web" veröffentlicht. Darin erklärt der Internet-Pionier, wie er das Internet "reparieren" will. Und zwar mit seinem Open-Source-Projekt Solid:

"Das Netz ist zu einem Motor von Ungleichheit und Spaltung geworden; beeinflusst von Mächtigen, die es für ihre eigenen Agenden nutzen."

Was ist "Solid" und wie funktioniert das?

Solid steht für "Social Linked Data", eine neue Online-Plattform, die den Usern die Kontrolle über ihre Daten zurückgeben soll.

Mit anderen Wissenschaftlern hat Berners-Lee am Massachusetts Institute of Technology (MIT) die Plattform entwickelt. Im Zentrum stehen Daten-Tresore, "Solid POD" genannt, in denen die User alle wertvollen Daten ablegen können, seien dies persönlichen Informationen, Digitalfotos oder anderes.

Statt dass die User "kostenlose" Tools von Google und Co. verwenden und dabei mit ihren persönlichen Daten bezahlen, können sie die Funktionen ihres Pods nutzen. Dazu gehören gemäss futurezone.at:

  • Abrufen eines Online-Kalenders

  • Streamen von Musik

  • Schreiben von E-Mails oder Nachrichten

  • Sichern von Daten

Eigene Daten-Tresore kann man beim Internet-Provider seiner Wahl anlegen, die erforderliche Software ist als Open-Source-Code verfügbar. Erklärung auf der Solid-Website: "Der Solid Pod kann in deinem Haus oder an der Arbeit stehen oder bei einem Solid-Pod-Betreiber deiner Wahl. Da dir deine eigenen Daten gehören, bist du jederzeit frei, damit umzuziehen, ohne eine Unterbrechung des Services."

Berners-Lee hat mit Mitstreitern die Firma Inrupt gegründet, um die nötige Infrastruktur bereitzustellen.

Kann man das ausprobieren?

Ja. Auf folgender Seite.

Wobei das Projekt noch in den Kinderschuhen steckt. Sprich: Der Nerd-Faktor ist riesig, der praktische Nutzen kleiner. ?

Inrupt solle das werden, was Netscape einst für das WWW war: ein erster einfacher Zugangsweg, fasst Spiegel Online zusammen. "Ab dieser Woche sollen Entwickler überall auf der Welt ihre eigenen Apps für Solid bauen können, mithilfe der Werkzeuge, die Inrupt ihnen zur Verfügung stellt."

Wer ist Berners-Lee?

1989 entwarf der britische Informatiker am CERN in Genf die Grundidee für das World Wide Web (WWW). Nun will der preisgekrönte WWW-Erfinder zurück zu seiner ursprünglichen Vision. Denn: "Wir haben gesehen, dass das Netz die Menschheit im Stich gelassen hat, statt ihr zu dienen, wie es eigentlich vorgesehen war. Ohne bewusstes Zutun der Menschen, die die Grundlagen geschaffen haben, ist ein weltumspannendes Phänomen entstanden, das menschenfeindlich ist."

Berners-Lee hat sich schon verschiedentlich gegen Datenmissbrauch und Massenüberwachung ausgesprochen: "Das Netz, das viele vor Jahren verwendet haben, ist nicht mehr vergleichbar mit dem, was neue Nutzer heute vorfinden. Was einst ein reichhaltiges Angebot an Blogs und Webseiten war, ist unter dem Gewicht von ein paar mächtigen Plattformen komprimiert worden."

Ist die Idee neu?

Nein. Es gibt bereits dezentral organisierte Netzwerke, wie zum Beispiel Mastodon, das unter anderem auch von den Machern des Dokumentarfilms "The Cleaners" erwähnt wird.

Solid sei nicht der erste Versuch, die Marktmacht von Online-Giganten wie Facebook oder Google zu durchbrechen, hält futurezone.at fest. Das soziale Netzwerk Diaspora sei gescheitert, weil es von den Nutzern nicht angenommen wurde.

Doch halte Berners-Lee den Zeitpunkt für den Start von Inrupt für perfekt. "Facebook sei seit dem jüngsten Datenskandal rund um Cambridge Analytica in Bedrängnis geraten, so der Informatiker." In Europa werde zudem gerade darüber diskutiert, wie man die Marktmacht der Online-Riesen eindämmen könne.

Artikel erstmals erschienen auf Watson.ch am 2. Oktober 2018.

Webcode
DPF8_109279