E-Health-Event im Gottlieb Duttweiler Institut

Warum das EPD die Kosten im Gesundheitswesen erhöht

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Finanz und Wirtschaft hat zum Event "Health 2.019 – Innovation im Gesundheitswesen" geladen. Die Teilnehmer diskutierten am Gottlieb Duttweiler Institut über Telemedizin, das elektronische Patientendossier und die Informations-Asymmetrie in der Branche. Nicht alle waren sich einig.

Von links: Rupen Boyadjian, Fabian Vaucher, Barbara Züst, Marcel Napierala, Reiner Eichenberger (Bild: Yvette Badertscher)
Von links: Rupen Boyadjian, Fabian Vaucher, Barbara Züst, Marcel Napierala, Reiner Eichenberger (Bild: Yvette Badertscher)

Die Kosten im Gesundheitswesen steigen, immer mehr kranke Menschen brauchen Betreuung und das elektronische Patientendossier kommt nur langsam voran. Wie kann die Branche diese Probleme lösen? Darüber debattierten die Teilnehmer des Events "Health 2.019 – Innovation im Gesundheitswesen", der am 21. August am Gottlieb Duttweiler Institut stattfand. Der Journalist Rupen Boyadjian vom Organisator Finanz und Wirtschaft moderierte durch den Nachmittag.

Das Schweizer Gesundheitswesen ist weltweit führend

Arne Björnberg vom schwedischen Think Tank "Health Consumer Powerhouse" hielt das erste Referat. Er präsentierte den "Euro Health Consumer Index 2018" und lobte die Schweiz: Sie habe es geschafft, die Niederlande nach über 10 Jahren an der Spitze des Rankings abzulösen. Obwohl das Land in einigen Kategorien nur mässig abschneide, da nicht alle Daten vorhanden seien. Das föderalistische System der Schweiz habe die Datensammlung für die Studie erheblich erschwert

Der Index misst unter anderem, was Patienten für Rechte haben, wie lange sie auf eine Behandlung warten müssen und wie hoch die Qualität ist. Die Schweiz habe schon immer gut abgeschnitten. Das sei nicht verwunderlich, sagte Björnberg. Schliesslich habe das Schweizer Gesundheitswesen seit Jahren einen exzellenten Ruf.

Die Schweiz siegte im Ranking in den Kategorien "Accessibility" und "Outcomes" (Quelle: "Euro Health Consumer Index 2018")

Stellt man die Ergebnisse in Relation zu den eingesetzten Mitteln, landet die Schweiz nur im Mittelfeld (Quelle: "Euro Health Consumer Index 2018")

Björnberg sagte allerdings auch, dass die Berechnungsmethode nicht über alle Zweifel erhaben ist. Mehr dazu lesen Sie in der Studie, die es hier zum Download gibt.

Hohe Kosten, wenig Sparanreize

Nach Björnbergs Vortrag fand die erste Podiumsdiskussion statt. Es debattierten Reiner Eichenberger von der Universität Freiburg, Marcel Napierala von der Migros-Tochter Medbase, Fabian Vaucher vom Schweizerischen Apothekerverband Pharmasuisse und Barbara Züst von der Stiftung SPO Patientenschutz.

Das breite Angebot im Schweizer Gesundheitswesen sei erfreulich, sagte Züst. Die Überkapazität könne aber auch dazu führen, dass Patienten Leistungen beziehen, die sie gar nicht brauchen. "Das Schweizer Gesundheitswesen funktioniert gut - bis der Staat eingreift", sagte Napierala. Die Informationsasymmetrie sei allerdings ein Problem. Die Versicherer zum Beispiel seien im Besitz von Gesundheitsdaten, die auch die Apotheker gut gebrauchen könnten. Eine Weitergabe sei aber nicht erlaubt.

Arne Björnberg (Bild: Yvette Badertscher)

Eichenberger sagte, dass die Schweiz pro Patient 30 Prozent mehr ausgebe als Deutschland. Angepasst an die Kaufkraftparität seien es 90 Prozent. Was es brauche, seien Sparanreize für die Patienten und die Leistungserbringer. Die Nettozahler hätten aber im Gegensatz zu den Patienten keine Lobby. Vaucher forderte ebenfalls mehr Anreize, um die Kosten zu senken. Wo die Herausforderungen der Branche heute liegen, erläuterte er im Interview mit der Redaktion, das Sie hier lesen können.

Auch Bildung garantiere keine tiefere Kosten, sagte Eichenberger. Wenn den Patienten die Risiken und Nebenwirkungen von Behandlungen bekannter seien, würden sie noch mehr zum Arzt gehen. Das gleiche gelte für das Patientendossier. Es werde die Nachfrage im Gesundheitswesen nicht senken, sondern erhöhen - und das sei kostentreibend. Es sei ein Irrglaube, dass die Schweiz ihre Gesundheitskosten im Verhältnis zum BIP senken müsse. "Wir reden wieder über Geld, wie die Linken über Geld reden", sagte Eichenberger, und fügte hastig an: "Darf man das sagen?"

Krankenhäuser und ihre Rolle im 21. Jahrhundert

Im zweiten Podium debattierten Nationalrätin Ruth Humbel, Mitglied der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit, Stephan Pahls der Privatklinikgruppe Hirslanden und Lina Vettori vom Spital Zollikerberg.

"Kleine Spitäler erbringen oft sehr gute Leistungen zu einem sehr guten Preis", sagte Vettori. Spezialisierte Eingriffe seien aber bei grossen Spitälern besser angesiedelt. Der Spital Zollikerberg habe allerdings auch eine Notfallstation. Das bedeute, dass er ein breites Spektrum an Gesundheitsdienstleistungen anbieten müsse.

Barbara Züst (Bild: Yvette Badertscher)

Bezüglich der Telemedizin gab sich Vettori skeptisch. Sie werde kommen und eine gewisse Entlastung bringen. Es sei aber auch bekannt, dass menschliche Beziehungen im Heilungsprozess eine wichtige Rolle spielen. Und diese könne die Telemedizin nur beschränkt bieten. "Der persönliche Kontakt wird weiterhin zentral bleiben - auch wenn die Konsultations- und Aufenthaltsdauer weiter abnimmt", sagte Vettori. "Wir brauchen Leute, die extrem gut auf die Patienten eingehen können."

"Viele Dinge sind nicht fair, aber mit Lamentieren kommen wir nicht weiter", sagte Pahls. Er forderte, dass die Akteure im Gesundheitswesen enger zusammenarbeiten. Nicht jedes Regionalspital brauche eine Notfallstation.

Anreizsysteme sind schwierig

Humbel nervte sich über das Silodenken in der Branche. Anreizsysteme seien schwierig umzusetzen, da die Interessen der einzelnen Akteure zu unterschiedlich seien. Sie würden Bürokratie schaffen und oft die Wenigverdiener abstrafen. Auch die Therapiefreiheit und die freie Arztwahl trieben die Kosten in die Höhe. Humbel wies darauf hin, dass Regulierung oft die Folge der Unfähigkeit der Tarifpartner sei, Lösungen zu finden. Das Bundesgesetz über die Krankenversicherung sei offen gestaltet und würde vieles zulassen, aber die Akteure könnten sich oft nicht einigen.

Das Referat von Fried-Michael Dahlweid von der Insel Gruppe fiel aus. Er hat das Unternehmen unerwartet verlassen. Zwischen ihm und der Geschäftsleitung gingen wohl die Meinungen darüber auseinander, wieviel eine Digitalisierungstrategie kosten darf. Lesen Sie hier mehr dazu. Dahlweid wollte an der Veranstaltung ursprünglich über die Bedeutung von künstlicher Intelligenz (KI) im Klinikalltag sprechen. Welche Chancen und Herausforderungen KIs im Schweizer Gesundheitswesen mit sich bringen, können Sie hier lesen.

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