Welche Daten braucht die Klimapolitik?
Die eidgenössischen Wahlen haben den Trend eindrücklich bestätigt: der Klimawandel ist auch für die Schweizer Stimmbürger das drängendste Problem. Das historische Votum für die grünen Pateien unterstreicht den Wunsch nach wirkungsvollen Massnahmen.
Die Wahlsieger bitten zum nationalen Klimagipfel und rufen die Politiker aller Parteien gemeinsam mit Experten aus der Wissenschaft an einen runden Tisch. Resultieren sollen Massnahmen, die sowohl einen wissenschaftlich fundierten und nachweisbaren Effekt auf den CO2-Ausstoss haben, als auch von der breiten Bevölkerung akzeptiert werden. Erstmals soll auf Basis wissenschaftlich erhobener Fakten (Daten) und empirisch nachweisbarer Wirkungszusammenhänge (mathematische Modelle) eine effektive und mehrheitsfähige Klimapolitik ausgehandelt werden. Kann dies gelingen?
Divergierende Interessen und Ziele
Von den folgenden Annahmen dürfen wir bei der Beantwortung dieser Frage ausgehen: Die Datenlage zur Klimaentwicklung steht auf einwandfreier wissenschaftlicher Grundlage, ist äusserst reichhaltig und wird laufend aktualisiert. Die Wirkungszusammenhänge, insbesondere die Rolle der von den Menschen verursachten Treibhausgasemissionen, sind empirisch gut erforscht. Die daraus abgeleiteten Szenarien bestätigen leider die düsteren Zukunftsprognosen. Diese Daten und Modelle stehen öffentlich zur Verfügung und können von allen interessierten Bürgern eingesehen werden. Die Politiker können sich also auf eine anerkannte und aktuelle Datenbasis sowie nachvollziehbare Modelle beziehen, um ihre Massnahmen zu formulieren und deren Wirkung zu simulieren. Unbestreitbare Daten und Modelle sind eine notwendige Voraussetzung für einen konstruktiven politischen Klimadialog. Sind sie aber auch ausreichend?
Wären Daten und Modelle ausreichend, dann ist die Formulierung einer effektiven Klimapolitik eine blosse Übung in mathematischer Mehrzieloptimierung. Die Klimapolitiker würden dann ziemlich rasch arbeitslos oder müssten sich anderen Themen zuwenden. Das wird allerdings zum Leidwesen der nicht ganz so grünen Parteien und Politiker nicht geschehen. Der Grund liegt in den divergierenden Interessen und Zielen, welche die Menschen, Unternehmen und Institutionen mit ihrem klimarelevanten Verhalten verfolgen. Im Hinblick auf die Steuerung dieses Verhaltens scheiden sich die politischen Geister. Verbote, Gebühren, Lenkungsabgaben, Anreize zur Nutzung nachhaltiger Technologie, Umbau der Energie- und Mobilitätsinfrastrukturen, Förderung klimafreundlicher Innovationen etc. – die ganze Palette gesetzlicher Steuerungsinstrumente liegt auf dem Tisch der Klimadebatte. Aber welche soll man auswählen? Und in welcher Kombination und in welcher Gewichtung?
Damit der daten- und modellbasierte politische Klimadialog gelingt, braucht es mehr als Daten und Modelle zur Klimaentwicklung. Wir benötigen zusätzlich Daten über das klimarelevante Verhalten der Menschen, Unternehmen und Verwaltungen, vorab in den treibhausgasintensiven Bereichen Mobilität und Energie. Diese Daten sind zwar grundsätzlich vorhanden, aber sie befinden sich in der Regel in Silos und sind ihren Urhebern nicht zugänglich. Erst auf Basis dieser Daten wird aber das klimarelevante Verhalten der Menschen, Unternehmen und Verwaltungen nachvollziehbar und kann zum Gegenstand einer klimafreundlichen Steuerung werden: durch Gesetz und Zwang wo nötig und unumgänglich und durch Anreize und autonome datenbasierte Entscheidungen der einzelnen Akteure, wo immer möglich.