2000: Das Jahr vor dem Crash
Am 19. April 2000 hat die "Netzwoche" das Licht der Welt erblickt. Was prägte die Schweizer IT im neuen Millennium? Ein Rückblick.
Die Netzwoche-Redaktion blickt zum 20-jährigen Bestehen auf zwei Dekaden Schweizer-IT-Geschichte zurück. Was bewegte die Branche? Wer gab den Ton an? Welche Erfindungen kamen auf den Markt? Die Jubiläums-Serie zeigt es.
In der ersten "Netzwoche"-Ausgabe im April 2000 ist über die immer wichtiger werdende "Web-Strategie" der Unternehmen zu lesen. Über 200 Webagenturen sind damals in der Schweiz aktiv. Themen wie die "Jobmaschine Internet" und der Browserkrieg zwischen Netscape und Microsoft beschäftigen die Redaktion.
Passend zum Technikwettlauf stellt das Fraunhofer Institut im Mai den MP3-Nachfolger AAC vor. Die Sorgen um den Kopierschutz und das Ende von MP3 sind letztlich unbegründet. Die Demokratisierung der Musik lebt heute in den Musikstreamingdiensten weiter.
In jeder "Netzwoche"-Ausgabe des Jahres 2000 ist vom internationalen Konkurrenzdruck und den Chancen die Rede. "Die Schweiz könnte ein zweites Silicon Valley werden", stellt Riet Cadonau (damals IBM) in einem Interview in Aussicht. Im Gegensatz dazu warnt der "Netzwoche"-Korrespondent aus London in Ausgabe 22 vor dem Platzen der Dotcom-Blase. "Das Kürzel .com steht nicht mehr automatisch für exorbitante Kursgewinne" schreibt Mark van Huisseling in seinem Artikel.
Die Schweiz als Europameister
Ende Mai wird die Schweiz dann zum Europameister gekürt – zwar nicht im Fussball, dafür aber beim Onlineshopping. 473 Euro (742 Franken) an Ausgaben pro Person über 15 Jahren sollen es laut einer Studie von Pro Active International sein. Dreimal so viel wie der europäische Durchschnitt.
Passend zum Beginn der Fussball-EM startet die Uefa eine eigene Website. Im Interview mit dem Internet Super Carrier PSINet geht es um die Herausforderungen des Hostings bei 40 Millionen Hits in der Stunde. Allerdings ist das Videostreaming von Sportevents damals noch ein Zukunftstraum. Nur vereinzelt gibt es "Realvideofeatures" auf der Website.
"Menschen schaden dem PC" lautet die Titelstory in Ausgabe 25. Der "I love you"-Wurm hat eine regelrechte Virenpanik ausgelöst. Gemäss einer Studie des Paul Scherrer Instituts werden 48 Prozent der Computerschäden durch menschliches Versagen verursacht. Ebenfalls ein Problem für die Industrie: illegale Kopien. Jedes dritte Programm in der Schweiz sei eine Raubkopie, beklagt Adobe im Juni 2000 und rechnet mit einem Schaden von 160 Millionen Franken.
Auch das Thema E-Commerce ist beinahe in jeder Ausgabe des Jahres präsent. Medienriesen wie Bertelsmann bündeln ihre Kräfte, und der CEO von Amazon Deutschland sagt im Interview voraus, dass nur die grossen E-Commerce-Firmen überleben werden.
Im Herbst entbrennt ein Kampf in der Online-Reisebranche. SSR, Kuoni und Ebookers sind die führenden Player auf dem Markt im Wettbewerb um die "reisefreudigen Schweizer Internauten". Auch Reisebüros würden künftig Online-Buchungsmöglichkeiten anbieten, lautet der optimistische Ausblick.
Wie Bill Gates das Tablet erfand
Microsoft-Pate Bill Gates eröffnet Mitte November die "COMDEX"-Messe in Las Vegas. Mit der Vorführung eines "Tablett-PCs" will Gates dem PC eine neue Zukunft geben. Das Gadget kombiniert "die Simplizität von Papier mit der Mächtigkeit eines Windows-PCs". Ausserdem läst sich der berührungsempfindliche Bildschirm mit einem Stift bedienen.
Gadgets spielen auch in der letzten Ausgabe eine Rolle. Unter dem Motto "Oh du fröhliches E-Shoppen" endet das erste Jahr der Netzwoche. Nur 29 Prozent der Schweizer wollen auf das Onlineshopping zum Fest verzichten oder sind sich noch nicht sicher. Auf vier Seiten werden die idealen Geschenke für die "Generation @" vorgestellt. Darunter ein Smartphone, eine 3-D-Brille und eine digitale Sofortbildkamera. Produkte, die man auch 20 Jahre später unter dem Weihnachtsbaum findet.