Studie "Datengesellschaft und Solidarität 2021"

Pandemie reduziert Leistungsdruck und Social-Media-Nutzung

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von Kevin Fischer und lha

Der digitale Leistungsdruck hat nachgelassen, Social Media wird weniger genutzt und die Skepsis gegenüber dem Weitergeben von Daten bleibt bestehen - ausser es bringt etwas im Alltag. Das und mehr geht aus einer Studie von Sotomo im Auftrag von Sanitas hervor.

(Source: Freepik)
(Source: Freepik)

Weniger digitaler Leistungsdruck auf Arbeitnehmende, weniger Social-Media-Nutzung von Jugendlichen und Datenschutz-Diskrepanzen in der Bevölkerung: Zu diesen und anderen Schlüssen kommt die Forschungsstelle Sotomo in einer Befragung, welche die Stiftung Sanitas während der Pandemie in Auftrag gegeben hat. Der gesamte Monitor "Datengesellschaft und Solidarität 2021" ist hier verfügbar.

Allgemeine Erkenntnisse

"Die Gesamteinschätzung des digitalen Wandels ist im Jahr der Corona-Pandemie optimistischer geworden", heisst es in der Studie. Damit zeige sich aber eher ein Trend, der bereits seit 2018 anhalte, und weniger ein "Pandemie-Effekt".

Die Pandemie sei in vielen Bereichen ein Element eines ohnehin bestehenden Strukturwandels. So sei zwar die Nutzung von Videokonferenzen sprunghaft angesteigen, aber die Zunahme von Streaming setze nur einen bestehenden Trend fort. Gleiches gelte auch etwa für das Vertrauen in Bezahl-Apps oder die digitale Unterschrift.

Weniger digitaler Leistungsdruck dank Lockdown und Homeoffice

Gemäss Studie haben vergangene Erhebungen bisher eine stetige Zunahme des digitalen Leistungsdrucks in der Bevölkerung gezeigt. Das habe insbesondere junge Erwachsene betroffen. Nun hat die Corona-Krise den erlebten Leistungsdruck reduziert.

Diese Reduktion sei im Berufsleben besonders ausgeprägt, wo statt 45 Prozent nur noch 18 Prozent den digitalen Wandel als zunehmenden Leistungsdruck erleben. Durch Homeoffice und digitale Meetings hätten sich Arbeitnehmende von Arbeitgebenden weniger kontrolliert gefühlt. Damit stieg die Zeitautonomie, während die Kopräsenz der Vorgesetzten schwand.

Der reduzierte Druck wirkte sich auch auf die Social-Media-Nutzung aus. Der Lockdown habe einen Rückzug in die eigenen vier Wände erzwungen und so die Bedeutung des sozialen Marktplatzes reduziert. "Die erzwungene Entschleunigung scheint ein Gegenmittel zur sogenannten Fear of Missing Out zu sein - der Angst, etwas zu verpassen, was andere erleben", heisst es in der Studie. Das habe sich besonders bei den jungen Social-Media-Nutzerinnen und -Nutzern bemerkbar gemacht.

Datenschutz-Skepsis mit Widersprüchen

Obwohl die allgemeine Verunsicherung gegenüber dem digitalen Wandel gemäss Studie abgenommen hat, bleibt eine grosse Skepsis gegenüber dem Sammeln und Weitergeben persönlicher Daten. "Den Pandemie-Erfahrungen des letzten Jahres zum Trotz gilt dies auch für Daten mit Gesundheitsbezug", schreiben die Studienautoren.

Dennoch seien 45 Prozent der befragten Erwachsenen der Meinung, dass in einer künftigen Pandemie Länder wie Südkorea oder Taiwan zum Vorbild genommen werden. Diese haben den Datenschutz zugunsten einer vorübergehenden Komplettüberwachung von Handydaten minimiert und damit erfolgreich gegen die Ausbreitung des Virus vorgehen können. Für mehr Freiheiten im Alltag steige also die Bereitschaft für tiefgreifende Einschränkungen des Datenschutzes.

Trotz dieser Erkenntnis ist der Datenschutz gemäss den Studienautoren ein wichtiges Argument für die Mehrheit der Schwezier Bevölkerung, die im Verlauf der aktuellen Pandemie auf eine Installation der SwissCovid-App verzichtet hat.

Vertrauen in SwissCovid-App hängt von Bildung und Politik ab

Bei der SwissCovid-App ist der Datenschutz also das häufigste Argument gegen eine Installation. Weniger Zurückhaltung besteht dafür bei der digitalen Registrierung mit persönlichen Daten in Gaststätten und Veranstaltungsorten - obwohl hier das Risiko von Datenmissbrauch von den Befragten höher eingeschätzt wird als bei der App. Das macht gemäss Mitteilung deutlich, wie stark das Datenschutzargument bei einem persönlichen Nutzen im Alltag in den Hintergrund tritt.

Wie hoch die Risikoeinschätzung für Datenmissbrauch bei Onlineregistrierungen und der SwissCovid-App ist, variiert über Bildungsniveaus und politische Orientierung hinweg. Dabei sind die Unterschiede bei den Registrierungen deutlich geringer als bei der App.

"Gut gebildete sowie links orientierte Personen schätzen das Risiko des Datenmissbrauchs bei der Nutzung der App deutlich geringer ein. Diese Bevölkerungsgruppe scheint die hohen Datenschutzstandards der App anzuerkennen", schreiben die Studienautoren dazu. "Weniger gebildete oder politisch rechts orientierte Personen befürchten hingegen den Datenmissbrauch bei der Nutzung der App deutlich stärker. Bei diesen Personen ist das Misstrauen im Umgang mit ihren persönlichen Daten so hoch, dass die Kommunikation über die hohen Datenschutzstandards der App bei ihnen nicht angekommen ist."

Über den Monitor

Der Monitor "Datengesellschaft und Solidarität" untersucht seit 2018 den digitalen Wandel in der Schweiz, wie Sotomo in der Studie schreibt. Er soll zeigen, wie sich das digitale Verhalten ändert und wie sich die Digitalisierung auf die Gesellschaft auswirkt. Die aktuelle vierte Befragung fand während der Pandemie statt, nach fast einem Jahr im gesellschaftlichen Ausnahmezustand.

Die Erhebung für den aktuellen Monitor erfolgte vom 8. bis 18. Januar 2021. Insgesamt nahmen 2344 Befragte teil. Eine gezielte Personenauswahl stellt gemäss Studienautoren eine Verteilung der Stichprobe nahe an der Zusammensetzung der Bevölkerung sicher. Ausserdem wurde die Stichprobe mit dem IPF-Verfahren gewichtet, um eine hohe soziodemographische Repräsentativität der Stichprobe zu gewährleisten.

Ansprüche an den Datenschutz werden gemäss Studie eher zurückgestellt, wenn sich daraus ein persönlicher Nutzen im Alltag ergibt. Vielleicht ist das auch der Grund für die Beliebtheit der Social-Media- App Clubhouse. Datenschutzrechtlich wirft sie einige Fragen auf, wie Sie hier nachlesen können.

Ausserdem wurde letzthin bekannt, dass Millionen von Nutzerdaten im Netz gelandet sind - worauf die Clubhouse-Betreibenden schlicht aussagten, dass diese Daten ohnehin öffentlich einsehbar seien. Mehr dazu erfahren Sie hier.

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