Das macht ein erfolgreiches Team aus
Welche Faktoren machen ein Team gut und erfolgreich? Niklas Leicht und David Berger vom Beratungsunternehmen Dot Consulting gehen dieser Frage nach. Ausserdem beleuchten sie die durchschnittlich grössten Stärken und Schwächen von Teams in der Schweiz.
Teams sind die wahren Einhörner moderner Unternehmen, denn ohne starke Teams würde kein Unternehmen überleben. Erfolgreiche und gut funktionierende Teams können mitunter sogar Missstände im Management ausgleichen und Unternehmen trotzdem zum Erfolg führen. Doch wie lautet die "Formel" erfolgreicher Teams? Niklas Leicht und David Berger vom Beratungsunternehmen Dot haben aufgrund der Daten der Teamanalyse-Software "dot.benchmark" ausgewertet, welche Eigenschaften starke Teams auszeichnen. Vornweg: Das Ergebnis überrascht und überrascht gleichzeitig nicht.
Hypothese 1: Teamdynamik ist wichtig, aber nicht bloss um der Teamdynamik willen
Erfolgreiche Teams haben meistens eine überdurchschnittliche Einschätzung ihrer Teamdynamik. Allerdings gibt es auch etliche Teams, die ihren Produktfokus und die agilen Methoden vergleichsweise schwach einschätzen und deren Teamdynamik trotzdem sehr ausgeprägt war. Teams in solchen Situationen sind vielmehr eine "Leidensgemeinschaft" - es funktioniert nur das Zwischenmenschliche.
Eine weitere Investition in die Teamdynamik, beispielsweise mit ausgiebigen Teambildungsmassnahmen, kann diese zwar erhöhen, beeinflusst aber die anderen Teamdimensionen, die in der Summe starke Teams auszeichnen, nur marginal.
Fazit: Die Teamdynamik beeinflusst die anderen Teamdimensionen nicht, wird aber stark durch die weiteren Teamdimensionen beeinflusst.
Beispiel eines Teams, wo nichts gelingt, ausgenommen die Teamdynamik. (Source: zVg)
Hypothese 2: Ein hoher Produktfokus entspannt alle anderen Dimensionen
Wikipedia listet folgende Kriterien eines Teams:
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Ein Team hat mindestens zwei Mitglieder.
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Die Mitglieder tragen zur Erreichung der Teamziele mit ihren jeweiligen Fähigkeiten und den daraus entstehenden gegenseitigen Abhängigkeiten bei.
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Das Team hat eine Team-Identität, die sich von den individuellen Identitäten der Mitglieder unterscheidet.
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Das Team hat Kommunikationspfade entwickelt - sowohl innerhalb des Teams als auch zur Aussenwelt.
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Die Struktur des Teams ist aufgaben- und zielorientiert beschrieben.
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Ein Team überprüft periodisch seine Effizienz.
An zweiter Stelle steht bereits das, was die Teamanalyse-Software als Produktfokus zusammenfasst. Das Team hat gemeinsame Ziele. Das Team weiss, was es liefert. Das Team kennt den "Output" seiner Tätigkeit und alle Mitglieder sind darauf ausgerichtet. Gemäss der Datengrundlage bewerten Teams, die einen klaren Produktfokus haben, auch die übrigen Teamdimensionen gut. Umgekehrt existiert kein einziges Team, das einzig beim Produktfokus brilliert und sonst nirgends - dies im Gegensatz zur Teamdynamik, die auch unabhängig vom restlichen Teamergebnis positiv herausstechen kann.
Ein gemeinsamer Produktfokus beeinflusst auch die Teamdynamik positiv, weil er Identitäts- und sinnstiftend auf die Teammitglieder wirkt. Ebenfalls begünstigt ein gemeinsamer Produktfokus klarere Zusammenarbeitsmodelle, da man das Ergebnis ganz genau kennt und nun entsprechend zusammenarbeiten will. Der Produktfokus entspannt auch die Interaktion mit der Restorganisation, da nun Klarheit über das Ergebnis herrscht.
Fazit: Ein gemeinsamer Produktfokus begünstigt alle anderen Teamdimensionen.
Die grössten Stärken von Schweizer Teams
Welches sind die grössten Stärken der Teams hierzulande? Gemäss "dot.benchmark"-Trends sind dies:
1. Stärken stärken
Teams sind grundsätzlich leistungsbereiter, wenn die Teammitglieder entsprechend ihrer Neigungen und Kompetenzen eingesetzt sind und sich regelmässig herausgefordert fühlen. Wenn Mitarbeitende ihr Fachwissen und ihre Soft Skills zudem stetig ausbauen und diese auch im Job anwenden können, gehen sie mit mehr Motivation an die Arbeit.
Um Software zu meistern, bedarf es eines Teams mit unterschiedlichen Fähigkeiten. Jemand ist spezialisiert auf Frontend-, jemand auf Backend-Technologien und zusammen gelingt ein auslieferbares Produktinkrement. Ob das die Folge einer expliziten Führung ist, lässt sich mittels der aktuellen Datenbasis nicht ergründen.
2. Psychologische Sicherheit (Teamdynamik)
Der Dauerbrenner in der Teamentwicklung: Amy Edmondson beschrieb psychologische Sicherheit schon 1999 in Psychological Safety and Learning Behavior in Work Teams als "gemeinsame Überzeugung aller Teammitglieder, dass es im Team sicher ist, zwischenmenschliche Risiken einzugehen".
Hierzulande hat insbesondere Google das Thema der psychologischen Sicherheit popularisiert. Für Googles "Project Aristotle" ist psychologische Sicherheit die Zauberformel starker Teams. Auch der in der Schweiz bekannte Georg Kohlrieser (IMD) bekräftigt das jeweils in seinen Beiträgen an die Community. Jüngst hat er erneut psychologische Sicherheit als Schlüsseldisziplin im Leadership betitelt. Es ist davon auszugehen, dass alle diese Beiträge rezipiert und die Ansätze mittlerweile verinnerlicht worden sind.
3. Kontinuität (Teamumfeld)
Ein Team entfaltet sein gesamtes Potential erst nach gewisser Zeit in einem kontinuierlichen Prozess. Veränderungen in der Teamstruktur führen zwangsweise dazu, dass sich die sozialen Aspekte im Team neu ordnen müssen und damit auch das Vertrauen zwischen bestehenden und neuen Teammitgliedern wieder etabliert werden muss.
Stabile Teams haben sich in der Software-Entwicklung hierzulande durchgesetzt. Kaum ein Kunde experimentiert mit einem neuen Teams pro Sprint. Die Arbeit kommt zu den Teams und nicht die Teams zur Arbeit. Teams sind zunehmend stabil. Es wird auch in Teambildung investiert. Ebenso bedingt psychologische Sicherheit ein stabiles Team - anders kann gar kein Vertrauen geschaffen werden. Die Kenntnisse über die eigenen Fähigkeiten oder das eigene Unvermögen - siehe auch Stärken - setzen ebenso eine gewisse Kontinuität voraus.
Die grössten Schwächen von Schweizer Teams
Welches sind die grössten Schwächen der Teams hierzulande? Gemäss "dot.benchmark"-Trends sind dies:
1. Work in Progress Limits (Produktfokus)
Work in Progress (WIP) Limits stammen aus dem Kanban-System, welches ursprünglich in der Logistik eingesetzt wurde. WIP Limits begrenzen die maximale Anzahl von Aufgaben in verschiedenen Stufen des Workflows und stellen somit die Antithese zum Multi-Tasking dar, welches oft immer noch als produktives Arbeitsvorgehen gesehen wird. Die Realität zeichnet aber ein anderes Bild. Je mehr Aufgaben begonnen werden, desto mehr wird das Arbeitssystem "verstopft" und der Output pro Zeiteinheit letztlich reduziert. Die Implementierung von WIP-Limits ermöglicht es, einzelne Aufgaben schneller zu erledigen, indem der Fokus des Teams gesteigert wird.
WIP-Limite sind hierzulande zwar grösstenteils bekannt. Auch typische Issue-Tracking-Systeme wie Jira können WIP-Limite anwenden. In der Realität haben die wenigsten Teams eine echte WIP-Limite. Dies ist häufig einem mangelnden Portfolio-Management geschuldet. Falls die Organisation sich nicht auf wenige Top-Prioritäten festlegen kann, wie soll dies dann einem Team gelingen? Multi-Tasking ist weiterhin "respektiert" und "angesehen". Der Glaube, dass neun Frauen in einem Monat ein Kind gebären können, scheint bei den (typischerweise) männlichen Managern weiterhin verbreitet.
2. Aufgabengrösse (Produktfokus)
Die Grösse einer einzelnen Aufgabe variiert von Team zu Team. Generell gibt es aber zwei Eigenschaften, die sich als vorteilhaft erweisen: Erstens ist kleiner besser und zweitens sollten die Aufgaben keine grosse Varianz im Umfang haben. Idealerweise sollte sich eine Aufgabe innerhalb weniger Tage erledigen lassen und sich nicht über mehrere Wochen oder Iterationen erstrecken.
Vor einigen Jahren war in der agilen Community die No-estimate-Bewegung hörbar. Gemäss deren besässe ein perfektes Scrum-Team keine Notwendigkeit mehr, Aufgaben zu schätzen, weil alle Aufgaben gleich gross (respektive klein) seien. Diese Bewegung hat sich in der Schweiz nicht durchgesetzt. Die meisten Software-Teams schätzen weiterhin ihre Aufgabengrösse ein und so verplanen sie auch weiterhin unterschiedlich grosse Aufgaben in ihren Sprints, was dazu führen kann, dass einige (zu) grosse Tasks über multiple Sprints gezogen werden, was wiederum negative Auswirkungen zur Folge haben kann.
3. Cycle Time/Zykluszeit (Produktfokus)
Die Zykluszeit misst die Gesamtzeit, die vom Beginn einer Aufgabe bis zu ihrem Abschluss vergeht: Die Cycle Time beginnt in dem Moment, in dem die neue Aufgabe aus dem Backlog "In Bearbeitung" kommt und diese Aufgabe tatsächlich bearbeitet wird. Sie endet, sobald die Aufgabe vollständig bearbeitet ist.
Die wenigsten Teams nutzen die Zykluszeit all ihrer Aufgaben, um ihren "Fluss" kontinuierlich zu optimieren. In Scrum hat die Zykluszeit weniger Gewicht, weil der Sprint als grosser Zyklus dominiert. Dass man Aufgaben auch vor Sprintende abschliessen kann, scheint nach wie vor nicht sehr verbreitet. Wie die Produktivität mittels Optimierung und Steigerung der Zykluszeit deutlich verbessert werden kann, wird ausschliesslich von den selten werdenden reinen Software-Support- Organisationen regelmässig praktiziert.
Die Datenbasis
Der "dot.benchmark", eine Teamanalyse-Software, ist eine Umfrage für moderne Teams und basiert auf folgenden fünf Dimensionen:
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Teamdynamik: Teamdynamik analysiert die "soziale Stimmung" innerhalb eines Teams. Weil Menschen Teams bilden, brauchen sie psychologische Sicherheit in ihrem Team.
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Teamumfeld: Das Teamumfeld beschreibt, wie das Team innerhalb der Organisation eingebettet ist und wie die Kommunikation mit der Restorganisation geregelt ist.
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Agile Methoden: Agile Methoden kennzeichnen das Zusammenarbeitsmodell des Teams. Agile Methoden sind bekanntlich nicht bloss auf Scrum beschränkt. Alle Teams haben einen bestimmten Prozess, wie ihre Arbeit erledigt wird.
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Produktfokus: Produktfokus bemisst, ob das Ergebnis eines Teams, also der "Output", angemessen, verständlich und sinnstiftend ist.
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Technische Exzellenz: Technische Exzellenz ist die Fähigkeit, die vorhanden Ressourcen wie Fähigkeiten, Methoden oder Werkzeuge möglichst effizient einzusetzen und kontinuierlich zu entwickeln.
Für jede Teamdimension sind individuelle Fragen konzipiert. Anstatt mit Stichwörtern Abschätzungen auf einer Skala von 1-5 abzufragen, sind konkrete, Szenario-basierte Antworten entwickelt, aus welchen die Teammitglieder dann diejenige Aussage wählen, welche am ehesten den aktuellen Zustand im Team beschreibt. Für die Teilnehmenden ist zudem nicht ersichtlich, welche Antwort mutmasslich die "Beste" ist.