Elektroschrott im Kopf
Die Geschichte des Unternehmens Second Sight beginnt mit einem wunderbaren Versprechen: Dank neuester Technologien sollen blinde Menschen sehen können. Möglich mache es eine mit Kameralinsen versehene Brille und – noch wichtiger – ein bionisches Augenimplantat. Mithilfe von 60 Elektroden projiziere es die von der Kamera empfangenen Bilder auf die Netzhaut der sehbehinderten Person. Dies ermögliche zwar keine normale Sicht. Doch laut einem Bericht von "IEEE Spectrum" konnten manche Patientinnen und Patienten dank der Erfindung Schatten und Formen erkennen. Und laut Second Sight unterstützt das Gerät in den meisten Fällen bei der Orientierung.
Über die Jahre liessen sich weltweit 350 Menschen eines der "Argus" genannten E-Augen implantieren. Doch leider nahm die Geschichte eine unverhoffte Wendung. Laut dem Bericht schaffte es Second Sight nie, einen Gewinn zu erwirtschaften. Im Sommer 2019 gab das Unternehmen bekannt, die bionischen Augen nicht mehr weiterzuentwickeln. Im darauffolgenden März entliess es einen Grossteil seiner Belegschaft, verschacherte sein Equipment und schickte sich an, den Betrieb ganz einzustellen.
Aktuell scheint bei Second Sight eine Fusion und eine Neuausrichtung im Raum zu stehen. Die einst innovative Technologie des Unternehmens ist damit jedoch auf dem Müllhaufen gelandet, der mit stetem Fortschritt einherzugehen scheint. Verlierer dieser Entwicklung sind die früheren Kundinnen und Kunden: Man werde die bionischen Augen weder reparieren noch ersetzen, lässt das Unternehmen verlauten. Ist ein E-Auge einmal defekt, lässt Second Sight die Patientinnen und Patienten wortwörtlich im Dunkeln.
Statt der versprochenen Bilder haben sie künftig Elektroschrott
im Kopf. Je nach Fall ist das ärgerlich, fahrlässig oder schlichtgefährlich.
Nur wenige Erfinder denken wohl schon beim Erschaffen ihrer bahnbrechenden Neuheit an deren Vergänglichkeit. Jetzt, wo wir angefangen haben, Technologie nicht nur auf, sondern in uns zu tragen, sollten sie es häufiger tun.