Wie KI die Medizin revolutioniert
Machine Learning bietet der Medizin enorme Vorteile. Selbstlernende Algorithmen helfen beispielsweise dabei, Erkrankungen frühzeitig zu diagnostizieren, ihren Verlauf vorherzusagen und personalisierte Therapieformen zu entwickeln. Künstliche Intelligenz könnte die Medizin regelrecht revolutionieren – davon ist Peter Ohnemus überzeugt. Dennoch warnt der Gründer und CEO der Plattform Dacadoo vor zu hohen Erwartungen. Zum einen habe man das Schlagwort KI in der Vergangenheit mitunter überstrapaziert, sagt er im Interview. Zum anderen gebe es insbesondere in der Schweiz noch grossen Nachholbedarf bezüglich des Umgangs mit Daten, die es für die Weiterentwicklung von medizinischen KI-Anwendungen dringend braucht. Hier sieht Ohnemus zwei Institutionen in der Pflicht: das Bundesamt für Gesundheit, das die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben soll, und die Finanzmarktaufsicht. Letztere bestimmt die Spielregeln für die Krankenkassen und könnte somit Anreize schaffen, um der Forschung mehr Daten zur Verfügung zu stellen.
Über ein praktisches Beispiel für den Einsatz von maschinellem Lernen in der Medizin berichtet Peter Biro, Mitgründer und Chief Medical Officer von aiEndoscopic. Das Zürcher Medtech-Start-up entwickelt ein Gerät für die KI- und robotergestützte Intubation. Wie das Gerät funktioniert und was damit möglich sein soll, beschreibt Biro in seinem Fachbeitrag.
Ein weiteres Beispiel liefert ETH-Forscherin Julia Vogt. Sie entwickelt neue Formen des maschinellen Lernens, die für klinische Datenanalysen und Präzisionsmedizin zum Einsatz kommen. In ihrem Fachbeitrag erklärt Vogt, wie Machine Learning zur Früherkennung von angeborenen Herzfehlern bei Säuglingen beiträgt. Die automatisierte Analyse von Ultraschallvideos könne die Arbeitsbelastung hochqualifizierter Expertinnen und Experten verringern und weniger gut ausgebildete Spezialisten und Spezialistinnen dabei unterstützen, zuverlässige Diagnosen zu stellen.
Wollen Organisationen im Gesundheitswesen die Chancen von KI in der Medizin nutzen, sollten sie sich zunächst eine entsprechende Strategie zurechtlegen – für den Datenaustausch über Organisationsgrenzen hinweg, für den Umgang mit einer wachsenden Zahl von Geräten und Nutzenden sowie für die Modernisierung der IT-Infrastruktur. Um die entsprechenden Herausforderungen zu meistern, empfiehlt sich ein pragmatischer Ansatz, wie Roger Semprini von Equinix Schweiz schreibt. Denn mit der zunehmenden Digitalisierung steige nicht nur die Komplexität, sondern auch der Kostendruck.
Das spüren auch die Spitäler, die tagtäglich mit den Missständen in puncto digitaler Transformation konfrontiert sind: Datensilos, Medienbrüche und Doppelspurigkeiten verhindern effiziente Prozesse – und die in den Spitälern eingesetzten klinischen Informationssysteme stossen an ihre Grenzen, wie Samuel Rentsch von IT-Logix schreibt. Sein Lösungsvorschlag: zentrale, für Analysezwecke optimierte Datenbanken, die Daten aus mehreren heterogenen Quellen zusammenführen. Mit solch einem Clinical Data Warehouse könnten Spitäler die datengetriebene Diagnostik vorantreiben, einfacher an Forschungsprojekten teilnehmen und ihr Qualitätsmanagement optimieren.