Warum Prozessmodellierung in die Geschäftsleitung gehört
400 Gäste aus über 20 Ländern sind für das Partnertreffen der BOC Group nach Wien gereist. Im Tagungszentrum des Schloss Schönbrunns diskutierten die Partner und Kundinnen und Kunden über aktuelle und künftige Herausforderungen zu Prozessen, IT und mehr.
Wer Prozesse optimieren will, muss sie zunächst einmal verstehen – oder zumindest: sie herunterbrechen, aufschlüsseln und Punkt für Punkt analysieren. Doch dazu fehlt es in der Regel an Transparenz. Vielfach ist das Wissen um bestimmte Abläufe, wenn überhaupt, an einzelne Personen gebunden statt an die Organisation. Zudem haben die Prozesse in der Wirtschaftswelt einen dermassen hohen Komplexitätsgrad erreicht, dass es selbst innerhalb von Unternehmen oftmals niemanden mehr gibt, der alle betrieblichen Abläufe genau kennt.
Beide Probleme will die Geschäftsprozessmodellierung angehen: Sie soll komplexe Sachverhalte auf eine einheitliche Sicht reduzieren und Kenntnisse über Geschäftsprozesse über die Grenzen von Fachabteilungen hinweg nutzbar machen. Business Process Management (BPM), und damit auch die Prozessmodellierung dreht sich allerdings nicht nur darum, die Realität von Geschäftsprozessen auf abstrakte Weise abzubilden. „Die Abstraktion ermöglicht es, Realität neu zu gestalten“, sagte Dimitris Karagiannis, Informatikprofessor der Universität Wien, am 20. Partnertreffen der BOC Group.
Karagiannis gründete das Unternehmen 1995 als Spin-off der Uni Wien, zog sich mittlerweile aus dem operativen Geschäft zurück und fungiert nun als Vorsitzender des Aufsichtsrates. Als solcher hält er an den Partnerkonferenzen des Unternehmens jeweils eine Vorlesung. Diesmal dozierte er über Innovation, Nachhaltigkeit und das Potenzial von künstlicher Intelligenz. Allerdings nicht in einem Hörsaal, sondern in der Orangerie im Schloss Schönbrunn. 400 Gäste aus über 20 Ländern waren für das Partnertreffen des Unternehmens nach Wien gereist.
BPM als Basis für Digital Twins
Zum Auftakt des Events gaben die Vorstandsmitglieder der BOC Group einen Einblick in die Geschäftsentwicklung. Innerhalb der vergangenen vier Jahre habe das Unternehmen seinen Neukundenbestand um über 50 Prozent gesteigert, sagte Franz Bayer. Der aktuelle Jahresumsatz liegt demnach bei 40,3 Millionen Euro. Zudem sei die internationale Expansion vorangeschritten. „Wir haben einen weltweiten Footprint“, sagte Bayer. Die Unternehmensgruppe beschäftigt inzwischen 276 Mitarbeitende aus 42 Ländern und kooperiert mit rund 120 Partnern aus allen Kontinenten – Schweizer Kunden werden direkt aus Winterthur betreut.
Wie sich das Unternehmen weiterentwickeln will, erläuterte Christian Lichka, ebenfalls Vorstandsmitglied der BOC Group. Die drei Kernprodukte des Unternehmens sollen die Voraussetzung schaffen, um digitale Zwillinge auf allen Ebenen einer Organisation einzuführen: Die BPM-Suite ADONIS für alle Aspekte des Geschäftsprozessmanagements, ADOIT für Enterprise Architecture Management (EAM) und ADOGRC für die Verwaltung von Compliance- respektive Risiko- und Kontrollprozessen. Die drei Kernprodukte seien zudem in einem Ökosystem integriert, sagte Lichka. Das heisst, zu jeder Suite gibt es einen Marketplace mit einem Angebot aus Produkterweiterungen, Integrationen und spezifischen Fachszenarien.
Für die Weiterentwicklung der Produkte verfolge das Unternehmen konkrete Strategieprinzipien, sagte Vorstandsmitglied Harald Kühn. Darunter: Die Nutzenden sollen im Umgang mit den Produkten möglichst selbstständig sein – und die Produkte zudem weitgehend selbsterklärend respektive leicht zu bedienen. Man solle also „mit möglichst wenig Aufwand und Vorwissen in der Lage sein, sich Charts zusammenzuklicken und diese mit Kolleginnen und Kollegen zu teilen“, sagte Kühn. Und schliesslich sollen alle Leistungen auch als Service beziehbar sein – entweder als Cloud-Service, als Managed Service (inklusive administrativen Arbeiten, Qualitätssicherung und der Pflege des Datenbestands) oder auch als Partner-Service in Zusammenarbeit mit Technologiepartnern, die sich auf eine komplementäre Dienstleistung fokussieren – wie beispielsweise Celonis für Business Process Mining.
Dezentrale Ansätze mit Rückendeckung aus dem Management
Das Herzstück der zweitägigen Konferenz bildeten die Best-Practice-Vorträge und Workshops rund um die Themen BPM, EAM und Governance, Risk & Compliance. Zu den Referenten zählten einige der Referenzkunden der BOC Group, darunter auch Schweizer Unternehmen wie Novartis, Roche, Victorinox und der Schuhhersteller On.
Felix Bindschedler, Operational Excellence / BPM & Robotics Lead bei On, sprach über die Chancen der Einführung von Prozessmanagement in einem schnell wachsenden Unternehmen. „Geschäftsprozessmodellierung ermöglicht es, eine Art Lebenszyklus für Prozesse einzuführen“, sagte Bindschedler. Zudem sei BPM die Voraussetzung für eine schnelle Implementierung von Robotic Process Automation, also für die Software-gestützte Prozessautomatisierung.
Herausfordernd sei allerdings die Art und Weise, wie man BPM innerhalb von Organisationen verankert. Bindschedler führte während seines Vortrags eine Publikums-Umfrage unter den rund 100 Gästen durch und fragte unter anderem danach, ob die Verantwortung für BPM bei jemandem in der Geschäftsleitung liegt. 37 Prozent der Anwesenden verneinten die Frage. „Es wäre wünschenswert, wenn dieser Anteil schrumpfen würde“, sagte Bindschedler. Denn „wenn man das Vertrauen der Geschäftsleitung nicht hat, wird es schwierig – man bewegt sich dann als Einzelkämpfer durch diese Prozesswelt.“
Auch die Wortmeldungen aus dem Publikum machten deutlich, dass der Rückhalt des Managements erforderlich ist, um BPM erfolgreich zu etablieren. Ausserdem gab es in der Diskussion klare Voten für einen dezentralen Ansatz: Erfolge die Modellierung nicht an einer zentralen Stelle, sondern in den jeweiligen Abteilungen, gewinne BPM innerhalb einer Organisation an Akzeptanz und Zuspruch. Das sei denn auch ein wichtiger Ansatzpunkt, sagte Bindschedler. „Wenn wir Prozesslandkarten als Managementinstrumente begreifen wollen, sollten wir möglichst viele Mitarbeitende in die Nutzung dieser Instrumente mit einbeziehen.“
Der Stellenwert und das Potenzial von BPM innerhalb von Unternehmen war der Dreh- und Angelpunkt für viele Gespräche zwischen den Gästen. „Der gegenseitige Erfahrungsaustausch war sehr bereichernd“, sagte Jonas Bendel, Leiter Organisation & Prozesse beim Schweizer Radio und Fernsehen SRF, im Gespräch. „Wir haben inspirierende Vorträge gehört, wertvolle Ideen mitgenommen und dies in einem sehr schönen Ambiente.“
Das SRF nutzt die Software "ADONIS" von BOC Group für sein Organisationsportal. „Wir gehen der Frage nach: Wie organisieren wir das Unternehmen? Darunter verstehe ich aber nicht nur das Organigramm, sondern auch Prozesse, Verantwortlichkeiten, Systeme, Gremien und vieles andere. So schaffen wir eine Grundlage, um Veränderungen und Abhängigkeiten besser vorausplanen zu können. Denn das Organisationsportal zeigt, wie was mit wem zusammenhängt. Zentral ist für uns auch, allen Mitarbeitenden die Informationen transparent zur Verfügung zu stellen. Für sie soll das Portal eine verlässliche Quelle sein, um die Organisation von SRF besser zu verstehen und so Optimierungen anstossen oder vornehmen zu können.“
Wer ausgewählte Highlights dieses Events aus Best-Practice-Vorträgen und Workshops rund um die Themen BPM, EAM und Governance, Risk & Compliance erleben möchte, hat die Möglichkeit am 27. Oktober in Zürich am Swiss Business Impact Apéro teilzunehmen. Hier geht es zur Anmeldung.