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Barrierefreiheit im Netz: Tücken bleiben auch nach Projektabschluss

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von Fujane Shahin, Fachverantwortung Channel Management und Redaktorin, SBB; Joice Silva Loureiro, Verantwortliche für Barrierefreiheit von SBB.ch und SBB Mobile

Barrierefreie Web-Projekte stellen Projektleitende vor eine Reihe besonderer Herausforderungen. Dabei beginnt die entsprechende Sensibilisierungsarbeit oft schon vor dem eigentlichen Projekt. Und auch nach Projektabschluss müssen Teams die Barrierefreiheit in ihrem Alltag weiterhin sicherstellen.

Menschen mit Einschränkungen dürfen nicht benachteiligt werden. Das verlangt das Behindertengleichstellungsgesetz, das 2004 in Kraft trat. Allerdings ist Barrierefreiheit in Web-Projekten erst schwach verankert. Projektleitende sehen sich immer wieder vor der Herausforderung, dass die Barrierefreiheit stets mitgedacht und vollständig umgesetzt werden muss. Wie stellen sie sich diesen Hürden? Und was passiert nach Projektabschluss in der dynamischen Arbeitswelt des Webs?

Vor der Arbeit kommt das Wissen

Ein Unternehmen beschliesst, seine Webseite nach WCAG-Standards zertifizieren zu lassen. Einfacher gesagt als getan. Denn im Hintergrund bewegen sich mehrere Akteurinnen und Akteure, die das Konstrukt einer Webseite zusammenhalten. Sie alle sind gefordert, ihre Arbeitsweise anzupassen – sie zu transformieren für eine inklusivere Zukunft. 

Neue Regeln einzuführen, hat seine Tücken; allen Beteiligten im Projekt muss das Thema bekannt sein, sie müssen aufgeklärt und sensibilisiert werden. Dabei stossen Projektleitende oft auf Unwissen – sowohl beim Management als auch bei beteiligten Mitarbeitenden. Dies bedeutet für Projektleitende, dass sie, bevor sie überhaupt mit der eigentlichen Arbeit beginnen können, sich um die Sensibilisierung und Einarbeitung aller Beteiligten kümmern müssen. In anderen Worten: Sie müssen ihr Team inspirieren und in eine fachliche Leadership-Rolle gehen.

Folgende Botschaften sollten bei der Sensibilisierung vermittelt werden: 

  • Barrierefreiheit ist ein Thema, das viele in der Schweizer Gesellschaft betrifft. 20 Prozent der Bevölkerung in der Schweiz lebt mit einer Art von Behinderung, 25 Prozent davon mit einer schweren Behinderung. Demnach bleibt einer grossen Gruppe der Schweizer Bevölkerung der Zugang zum Netz verwehrt. Solange die Barrierefreiheit nicht umgesetzt ist, kommt das einem Ausschluss aus der Gesellschaft gleich.
  • Menschen mit Behinderung sind keine homogene Gruppe; es gibt verschiedene Arten von Behinderungen. Es wird unterschieden zwischen auditiver, kognitiver, visueller und motorischer Behinderung. Darum gibt es kein Einheitsrezept für die Umsetzung der Barrierefreiheit, und Projektteams müssen die Heterogenität einberechnen. 
  • Menschen mit Behinderung wollen selbstständig leben können. Dafür ist die Barrierefreiheit im Netz essenziell.
  • Barrierefreie Inhalte im Netz nützen auch Menschen ohne Einschränkungen, weil sich die User Experience im Allgemeinen verbessert. Leichte und verständliche Sprache sowie gute Bedienbarkeit der Webseite sind Anforderungen der Barrierefreiheit, die allen zugutekommt. 

Hilfe holen ohne Scheu

Die Umsetzung der Barrierefreiheit erfordert präzises Fachwissen. Nach der Sensibilisierungsphase kommt die Analysephase. In dieser eruieren die Teams die Anforderungen der Barrierefreiheit in ihren eigenen Arbeitsgebieten. 

Dabei ist zu beachten: 

  • Die Teams recherchieren, wie sie ihre Inhalte barrierefrei umsetzten können – sowohl aus Content-Sicht als auch unter dem technischen Aspekt. Es bedarf daher Spezialisten und Spezialistinnen aus der Redaktion wie auch aus dem Entwicklungsteam für entsprechende Anpassungen.   
  • Unternehmen sollten sich nicht davor scheuen, externe Partnerinnen und Partner mit tiefgründiger Fachexpertise beizuziehen, falls die Barrierefreiheit intern nicht zu bewältigen ist. 
  • Unternehmensrichtlinien brauchen oft Anpassungen, damit die Grundsätze der Barrierefreiheit geregelt sind.

Menschen mit Behinderung sind die besten Experten und Expertinnen

Zusammenarbeit ist unverzichtbar bei Barrierefreiheitsprojekten. Nicht nur innerhalb des Projektteams ist diese gefragt, sondern auch mit Menschen mit Behinderung. Diese können am besten in der Testphase beurteilen, wie barrierefrei Umsetzungen tatsächlich sind. Unternehmen können dabei Vertreterinnen und Vertreter von Behindertenorganisationen und Accessibility-Fachspezialisten und -Spezialistinnen kontaktieren. Nichtsdestotrotz sollten alle anderen Zielgruppen, welche die Webseite benutzen, ebenfalls diese testen, bevor die alte Version abgelöst wird.

Barrierefreiheit ist keine einmalige Sache

Die letzte und vielleicht auch grösste Hürde ist die Phase nach dem Projektabschluss: Wie geht es weiter? Wie stellen Teams die Barrierefreiheit in ihrem Alltag sicher? Die Lösung: Es braucht Prozesse, die auch im Tagesgeschäft vorschreiben, dass und wie die Barrierefreiheit eingehalten werden muss. Die Definition dieser muss bereits während des Projekts erarbeitet und eingeführt werden.  
Allerdings: Für keine grosse Webseite wird mit manuellen Prozessen und Checklisten die Barrierefreiheit über längere Zeit sichergestellt werden können. Empfohlen sind darum ergänzend zu Tests von Menschen mit Behinderung automatisierte Tests. 

Übrigens: Die Nachfrage nach Accessibility lässt zu wünschen übrig, wie Nationalrat und Liip-Mitgründer Gerhard Andrey im Interview sagt. Er spricht über die häufigsten Hindernisse auf dem Weg zum barrierefreien Webprojekt und darüber, mit welchen Argumenten man die Auftraggeber überzeugen kann, in barrierefreie Web-Inhalte zu investieren.

Webcode
2gvDH29q